
Wolfgang Krug stammt aus Hofheim im Landkreis Haßberge. Er machte am Regiomontanus-Gymnasium in Haßfurt sein Abitur, studierte in Bamberg und Stuttgart, engagierte sich in der Kommunalpolitik als Stadtrat in seiner Heimatstadt und konnte sich vorstellen, in diesem Metier künftig tätig zu sein. Bis dahin kein außergewöhnlicher Lebenslauf. Der Weg schien beinahe vorgezeichnet. Bis Krug im März 1996 eine Anzeige in der Wochenzeitung "Die Zeit" entdeckte. Dort suchte das Ostseebad Zinnowitz tatsächlich einen hauptamtlichen Bürgermeister. Der diplomierte Politikwissenschaftler bewarb sich und setzte sich gegen 68 Konkurrierende durch. Wobei man wissen muss, dass damals - das ist heute anders - in Mecklenburg-Vorpommern der Bürgermeister nicht von den Bürgern, sondern von der Gemeindevertretung für neun Jahre gewählt wurde.
Doch damit nicht genug der Odyssee. Acht Jahre später wurde Wolfgang Krug erneut Bürgermeister. Diesmal aber ganz woanders: in Holdorf in Niedersachsen. Und er ist es noch heute. Dieser Tage wurde der gebürtige Unterfranke dort für seine insgesamt 25-jährige Dienstzeit als Bürgermeister geehrt. Die Redaktion hat dies zum Anlass genommen, um mit dem 55-jährigen Parteilosen dessen außergewöhnliche Karriere einmal Revue passieren zu lassen.

Wolfgang Krug: Natürlich sind nicht nur die geographischen Gegensätze groß gewesen, auch die unterschiedlichen Mentalitäten und insbesondere die differierenden Lebensläufe waren deutlich zu erkennen. Meine Hauptaufgabe als Externer lag darin, zum einen die völlig zerstrittene Gemeinde wieder zu einen. Mein Amtsvorgänger war jeweils 1993 und 1996 von der Gemeindevertretung abgewählt worden. Zum anderen ein geordnetes Verwaltungshandeln wieder einzuführen und die Gemeindefinanzen zu sanieren. Die Zinnowitzer Verhältnisse der Jahre 1993 bis 1996 waren in ganz Mecklenburg-Vorpommern berühmt-berüchtigt.
Krug: Die Grundlage für das erfolgreiche Wirken lag in einer ganz einfachen Methode: Zuhören und nicht als Besserwessi mit fertigen Konzepten auftreten. Zudem gab es hervorragende Mitarbeiter:innen in der Gemeindeverwaltung, die mir eine große Unterstützung waren. Diese konnten in der davorliegenden Zeit aufgrund der gemeindeinternen Querelen ihr Können nicht zur Entfaltung bringen. Mein größter Pluspunkt war aber, dass ich an der innerdeutschen Grenze aufgewachsen war und damit das DDR-Fernsehen empfangen konnte. Aus diesem gegenseitigen Verstehen entwickelte sich sehr schnell eine Vertrauensbasis.
Krug: Bedauerlicherweise endete diese Amtszeit vorzeitig schon nach 7 Jahren und 11 Monaten. Der Grund für meinen Wechsel lag in der für das Jahr 2005 im Land Mecklenburg-Vorpommern angekündigten Kommunalreform. Soll heißen: Selbstständige Gemeinden unter 5000 Einwohner:innen mussten sich einer Amtsverwaltung (= Verwaltungsgemeinschaft, die Red.) anschließen. Zinnowitz hatte zu diesem Zeitpunkt 3700 Einwohner:innen. Anders als in Bayern war die Hauptamtlichkeit von Bürgermeistern bei amtsangehörigen Gemeinden nicht zulässig.
Krug: Die Gemeinde Holdorf und den Landkreis Vechta kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Aber da diese Gemeinde gerade bundesweit auf der Suche nach einem neuen hauptamtlichen Bürgermeister war, habe ich eine Bewerbung abgeschickt. Nach mehreren Vorstellungsrunden - mit 27 Mitbewerber:innen - wurde ich gemeinsamer Kandidat der CDU und der SPD - damals die beiden einzigen im Holdorfer Gemeinderat vertretenen Parteien. Nach der Wahl durch die Bevölkerung im Juni 2004 trat ich dann mein Amt zum 1. Juli 2004 an. Die Unterstützung dieser beiden Parteien genoss ich auch bei meiner Wiederwahl in 2011 und 2019. Von Anfang an wurden meine Familie und ich mit sehr offenen Armen empfangen.

Krug: Natürlich gibt es große Unterschiede: In Zinnowitz ist der Tourismus die alleinige wirtschaftliche Basis, von der die Gemeinde auf Gedeih und Verderb abhängt. In Holdorf, direkt an der A 1, sind wir dagegen sowohl landwirtschaftlich als auch gewerblich sehr breit aufgestellt. Dadurch, dass hier rund 700 Gewerbebetriebe sehr erfolgreich agieren, haben wir auch nicht den einen großen Hauptsteuerzahler, sondern viele inhabergeführte Unternehmen. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund drei Prozent und die Bevölkerung wächst von Jahr zu Jahr. So ist die Gemeinde in den letzten Jahren um rund 1000 Personen auf derzeit 7500 angewachsen. Was für Holdorf wiederum unter anderem in dem Bau zweier neuer Kitas, der Sanierung und Erweiterung dreier bestehender Kitas, dem Umbau der beiden Grundschulen und der Haupt- und Realschule mündete. Die Zahl der Arbeitsplätze in Holdorf ist in den letzten 15 Jahren von rund 2100 auf 3100 angewachsen.

Krug: Etwas Bedenken bereitete mir bei meinem damaligen Wechsel schon die Vorstellung, die Plattdeutsche Sprache nicht verstehen zu können, die erfreulicherweise hier noch gesprochen wird. Aber das hat sich ziemlich schnell gelegt. Im Jahre 2014 war die Gemeinde Holdorf der Ausrichter des regionalen Plattdeutschen Jahres. Normalerweise begrüßt der Bürgermeister dann die Gäste bei dem Festakt auf Plattdeutsch. Das brachte ich aber trotz großer Bemühungen nicht über die Lippen. Deshalb hielt ich meine Rede im breitesten Unterfränkisch, meine Tochter übersetzte sie ins Hochdeutsche und deren Freundin wiederum übertrug sie ins Plattdeutsche. Wenn ich mir hier die Dammer Berge - bis zu 130 Meter hoch - anschaue, dann gibt es doch eine gewisse Ähnlichkeit zu den Haßbergen. Sehr stark ausgeprägt ist in Holdorf und umzu - das bedeutet ringsherum - das Vereinswesen. Dass man als Bürgermeister Mitglied im Schützenverein wird, ist dann eine Selbstverständlichkeit.
Krug: Allein schon aufgrund der familiären Beziehungen und der unverändert sehr engen Bindungen zu meinem Freundeskreis besteht auch weiterhin der Kontakt in die Haßberge. Die Frage danach, wo denn nun meine Heimat liegt, habe ich vor Jahren einmal so beantwortet: Im Laufe eines Lebens entwickelt man zu mehreren Orten heimatliche Gefühle: Zuerst zu der Geburtsregion bzw. –Gemeinde: Hofheim; dann zu dem Ort, an dem man sich besonders wohlgefühlt hat: Ostsee; und schließlich auch an das aktuelle Zuhause: Holdorf. Es bereitet mir jedoch sowohl in Zinnowitz als auch in Holdorf immer eine große Freude, meine fränkische Herkunft zu betonen. Des Weiteren verstehe ich mich als inoffizieller Botschafter des Fränkischen Weines und Bieres. Das gute Raab-Bier und die Hofheimer Obstler vom Kirchner schenke ich hier immer wieder gerne aus.
Krug: Meine derzeitige Amtszeit währt noch bis zum 31. Oktober 2026. Diese Zeit werde ich hier im Amt bleiben. Was in fünf Jahren kommt, werden wir sehen. Das muss dann auch mit der Familie besprochen werden. In jedem Fall aber schenkt mir das Amt des Bürgermeisters auch nach 25 Jahren immer noch enorm viel Freude. Das Amt des Hofheimer Bürgermeisters war vor 25 Jahren für mich durchaus ein erstrebenswertes Ziel. Aber ehe ich dieses ernsthaft in Angriff nehmen konnte, kam das Ostseebad Zinnowitz dazwischen. Jedoch besitze ich seit gut drei Jahrzehnten ein von Freunden gebasteltes Duplikat der Hofheimer Amtskette. Diese hatte ich zu meinem 30. Geburtstag geschenkt bekommen, zusammen mit einer abwaschbaren weißen Weste - die ich aber noch nie einsetzen musste.