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Hofheim
Wie ein Hofheimer Stadtrat plattdeutscher Bürgermeister wurde
Dr. Wolfgang Krug hat eine außergewöhnliche Karriere gemacht. Aus dem Hofheimer Stadtrat wurde ein Bürgermeister - erst in einem Ostseebad und dann in Niedersachsen.
Franken unter sich: Wolfgang Krug (rechts) aus Hofheim empfing als Bürgermeister von Holdorf in Niedersachsen im Jahre 2008 sogar den damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein.
Foto: Henrich Vollmer | Franken unter sich: Wolfgang Krug (rechts) aus Hofheim empfing als Bürgermeister von Holdorf in Niedersachsen im Jahre 2008 sogar den damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein.
Wolfgang Sandler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:37 Uhr

Wolfgang Krug stammt aus Hofheim im Landkreis Haßberge. Er machte am Regiomontanus-Gymnasium in Haßfurt sein Abitur, studierte in Bamberg und Stuttgart, engagierte sich in der Kommunalpolitik als Stadtrat in seiner Heimatstadt und konnte sich vorstellen, in diesem Metier künftig tätig zu sein. Bis dahin kein außergewöhnlicher Lebenslauf. Der Weg schien beinahe vorgezeichnet. Bis Krug im März 1996 eine Anzeige in der Wochenzeitung "Die Zeit" entdeckte. Dort suchte das Ostseebad Zinnowitz tatsächlich einen hauptamtlichen Bürgermeister. Der diplomierte Politikwissenschaftler bewarb sich und setzte sich gegen 68 Konkurrierende durch. Wobei man wissen muss, dass damals - das ist heute anders - in Mecklenburg-Vorpommern der Bürgermeister nicht von den Bürgern, sondern von der Gemeindevertretung für neun Jahre gewählt wurde.

Doch damit nicht genug der Odyssee. Acht Jahre später wurde Wolfgang Krug erneut Bürgermeister. Diesmal aber ganz woanders: in Holdorf in Niedersachsen. Und er ist es noch heute. Dieser Tage wurde der gebürtige Unterfranke dort für seine insgesamt 25-jährige Dienstzeit als Bürgermeister geehrt. Die Redaktion hat dies zum Anlass genommen, um mit dem 55-jährigen Parteilosen dessen außergewöhnliche Karriere einmal Revue passieren zu lassen.

'Unvergesslich bleibt mir der Abend, an dem Michail Gorbatschow zusammen mit dem damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau in Zinnowitz weilte. An dem Festessen, das zu Ehren dieser Politiker ausgegeben wurde, durfte ich als Ortsbürgermeister beiwohnen', erinnert sich Wolfgang Krug.
Foto: Krug | "Unvergesslich bleibt mir der Abend, an dem Michail Gorbatschow zusammen mit dem damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau in Zinnowitz weilte.
Frage: Wie wird aus einem unterfränkischen Stadtrat ein Bürgermeister in einem Ostseebad?

Wolfgang Krug: Natürlich sind nicht nur die geographischen Gegensätze groß gewesen, auch die unterschiedlichen Mentalitäten und insbesondere die differierenden Lebensläufe waren deutlich zu erkennen. Meine Hauptaufgabe als Externer lag darin, zum einen die völlig zerstrittene Gemeinde wieder zu einen. Mein Amtsvorgänger war jeweils 1993 und 1996 von der Gemeindevertretung abgewählt worden. Zum anderen ein geordnetes Verwaltungshandeln wieder einzuführen und die Gemeindefinanzen zu sanieren. Die Zinnowitzer Verhältnisse der Jahre 1993 bis 1996 waren in ganz Mecklenburg-Vorpommern berühmt-berüchtigt.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Krug: Die Grundlage für das erfolgreiche Wirken lag in einer ganz einfachen Methode: Zuhören und nicht als Besserwessi mit fertigen Konzepten auftreten. Zudem gab es hervorragende Mitarbeiter:innen in der Gemeindeverwaltung, die mir eine große Unterstützung waren. Diese konnten in der davorliegenden Zeit aufgrund der gemeindeinternen Querelen ihr Können nicht zur Entfaltung bringen. Mein größter Pluspunkt war aber, dass ich an der innerdeutschen Grenze aufgewachsen war und damit das DDR-Fernsehen empfangen konnte. Aus diesem gegenseitigen Verstehen entwickelte sich sehr schnell eine Vertrauensbasis.

Warum wechselten Sie als Bürgermeister nach acht Jahren von Zinnowitz nach Holdorf in Niedersachsen?

Krug: Bedauerlicherweise endete diese Amtszeit vorzeitig schon nach 7 Jahren und 11 Monaten. Der Grund für meinen Wechsel lag in der für das Jahr 2005 im Land Mecklenburg-Vorpommern angekündigten Kommunalreform. Soll heißen: Selbstständige Gemeinden unter 5000 Einwohner:innen mussten sich einer Amtsverwaltung (= Verwaltungsgemeinschaft, die Red.) anschließen. Zinnowitz hatte zu diesem Zeitpunkt 3700 Einwohner:innen. Anders als in Bayern war die Hauptamtlichkeit von Bürgermeistern bei amtsangehörigen Gemeinden nicht zulässig.

Wieder eine „neue Welt“, Niedersachsen („sturmfest und erdverwachsen“), nochmal ein anderer Landstrich, andere Menschen. Und wieder Bürgermeister?

Krug: Die Gemeinde Holdorf und den Landkreis Vechta kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Aber da diese Gemeinde gerade bundesweit auf der Suche nach einem neuen hauptamtlichen Bürgermeister war, habe ich eine Bewerbung abgeschickt. Nach mehreren Vorstellungsrunden - mit 27 Mitbewerber:innen - wurde ich gemeinsamer Kandidat der CDU und der SPD - damals die beiden einzigen im Holdorfer Gemeinderat vertretenen Parteien. Nach der Wahl durch die Bevölkerung im Juni 2004 trat ich dann mein Amt zum 1. Juli 2004 an. Die Unterstützung dieser beiden Parteien genoss ich auch bei meiner Wiederwahl in 2011 und 2019. Von Anfang an wurden meine Familie und ich mit sehr offenen Armen empfangen. 

Wolfgang Krug und seine Familie wurden mit offenen Armen in Holdorf in Empfang genommen.
Foto: Henrich Vollmer | Wolfgang Krug und seine Familie wurden mit offenen Armen in Holdorf in Empfang genommen.
Nun sind Sie seit 2004 Bürgermeister in Holdorf. Worin unterscheiden sich eine Kleinstadt in Bayern (Hofheim), ein Ostseebad (Zinnowitz) und eine Kleinstadt in Niedersachsen?

Krug: Natürlich gibt es große Unterschiede: In Zinnowitz ist der Tourismus die alleinige wirtschaftliche Basis, von der die Gemeinde auf Gedeih und Verderb abhängt. In Holdorf, direkt an der A 1, sind wir dagegen sowohl landwirtschaftlich als auch gewerblich sehr breit aufgestellt. Dadurch, dass hier rund 700 Gewerbebetriebe sehr erfolgreich agieren, haben wir auch nicht den einen großen Hauptsteuerzahler, sondern viele inhabergeführte Unternehmen. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund drei Prozent und die Bevölkerung wächst von Jahr zu Jahr. So ist die Gemeinde in den letzten Jahren um rund 1000 Personen auf derzeit 7500 angewachsen. Was für Holdorf wiederum unter anderem in dem Bau zweier neuer Kitas, der Sanierung und Erweiterung dreier bestehender Kitas, dem Umbau der beiden Grundschulen und der Haupt- und Realschule mündete. Die Zahl der Arbeitsplätze in Holdorf ist in den letzten 15 Jahren von rund 2100 auf 3100 angewachsen.

Wolfgang Krug aus Hofheim ist Bürgermeister in Holdorf in Niedersachsen. Das Vereinswesen ist dort sehr ausgeprägt, eine Mitgliedschaft im Schützenverein obligatorisch, sagt Krug
Foto: Henrich Vollmer | Wolfgang Krug aus Hofheim ist Bürgermeister in Holdorf in Niedersachsen. Das Vereinswesen ist dort sehr ausgeprägt, eine Mitgliedschaft im Schützenverein obligatorisch, sagt Krug
Wie sind Sie mit diesem anderen Menschenschlag zurechtgekommen?

Krug: Etwas Bedenken bereitete mir bei meinem damaligen Wechsel schon die Vorstellung, die Plattdeutsche Sprache nicht verstehen zu können, die erfreulicherweise hier noch gesprochen wird. Aber das hat sich ziemlich schnell gelegt. Im Jahre 2014 war die Gemeinde Holdorf der Ausrichter des regionalen Plattdeutschen Jahres. Normalerweise begrüßt der Bürgermeister dann die Gäste bei dem Festakt auf Plattdeutsch. Das brachte ich aber trotz großer Bemühungen nicht über die Lippen. Deshalb hielt ich meine Rede im breitesten Unterfränkisch, meine Tochter übersetzte sie ins Hochdeutsche und deren Freundin wiederum übertrug sie ins Plattdeutsche. Wenn ich mir hier die Dammer Berge - bis zu 130 Meter hoch - anschaue, dann gibt es doch eine gewisse Ähnlichkeit zu den Haßbergen. Sehr stark ausgeprägt ist in Holdorf und umzu - das bedeutet ringsherum - das Vereinswesen. Dass man als Bürgermeister Mitglied im Schützenverein wird, ist dann eine Selbstverständlichkeit.

"Ich verstehe mich als inoffizieller Botschafter des Fränkischen Weines und Bieres."
Wolfgang Krug, Niedersächsischer Bürgermeister mit fränkischer Herkunft
Haben Sie in all den Jahren in der „Fremde“ den Kontakt nach Hofheim, in den Landkreis Haßberge, aufrechterhalten? Fühlen Sie sich als Franke, Küstenbewohner oder als ein Niedersachse?

Krug: Allein schon aufgrund der familiären Beziehungen und der unverändert sehr engen Bindungen zu meinem Freundeskreis besteht auch weiterhin der Kontakt in die Haßberge. Die Frage danach, wo denn nun meine Heimat liegt, habe ich vor Jahren einmal so beantwortet: Im Laufe eines Lebens entwickelt man zu mehreren Orten heimatliche Gefühle: Zuerst zu der  Geburtsregion bzw. –Gemeinde: Hofheim; dann zu dem Ort, an dem man sich besonders wohlgefühlt hat: Ostsee; und schließlich auch an das aktuelle Zuhause: Holdorf. Es bereitet mir jedoch sowohl in Zinnowitz als auch in Holdorf immer eine große Freude, meine fränkische Herkunft zu betonen. Des Weiteren verstehe ich mich als inoffizieller Botschafter des Fränkischen Weines und Bieres. Das gute Raab-Bier und die Hofheimer Obstler vom Kirchner schenke ich hier immer wieder gerne aus.

Sie sind 55 Jahre alt, quasi im besten Politikeralter. Wie planen Sie die kommenden Jahre? Weiter Bürgermeister in Holdorf? Oder noch einmal eine neue Herausforderung? Vielleicht im Landkreis Haßberge?

Krug: Meine derzeitige Amtszeit währt noch bis zum 31. Oktober 2026. Diese Zeit werde ich hier im Amt bleiben. Was in fünf Jahren kommt, werden wir sehen. Das muss dann auch mit der Familie besprochen werden. In jedem Fall aber schenkt mir das Amt des Bürgermeisters auch nach 25 Jahren immer noch enorm viel Freude. Das Amt des Hofheimer Bürgermeisters war vor 25 Jahren für mich durchaus ein erstrebenswertes Ziel. Aber ehe ich dieses ernsthaft in Angriff nehmen konnte, kam das Ostseebad Zinnowitz dazwischen. Jedoch besitze ich seit gut drei Jahrzehnten ein von Freunden gebasteltes Duplikat der Hofheimer Amtskette. Diese hatte ich zu meinem 30. Geburtstag geschenkt bekommen, zusammen mit einer abwaschbaren weißen Weste - die ich aber noch nie einsetzen musste.

Die Laufbahn von  Wolfgang Krug

Im Anschluss an das Abitur 1985 am Regiomontanus-Gymnasium in Haßfurt folgte der Grundwehrdienst bis Ende 1986. Ab dem Wintersemester 1986 schloss sich das Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg an. Seinen Abschluss als Diplom-Politikwissenschaftler erwarb Krug im Juni 1991. Daran anschließend promovierte er bis Ende Dezember 1994 an der Universität Bamberg und der Universität in Stuttgart in einer organisationssoziologischen Untersuchung über den „Reformprozess der Bayerischen SPD von 1975 – 1991“.
Damals gehörte Krug noch der SPD an, aus der er 2004 austrat. Von Anfang 1995 – Juli 1996 absolvierte er mehrere Praktika in den öffentlichen Verwaltungen der Stadt Hofheim, der Verwaltungsgemeinschaft Hofheim, der Stadtverwaltung Nürnberg und der Stadtverwaltung Fürth. Daneben war er zeitweise Dozent in der Erwachsenenbildung.
Wolfgang Krug ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Außerdem leidenschaftlicher Anhänger des 1. FC Nürnberg. Bei Fußballturnieren tritt Krug gerne mit "Club"-Socken auf, was ihm auch schon manchen mitleidigen Blick der Norddeutschen eingebracht hat.
Quelle: Wolfgang Krug
 
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