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HOFHEIM
Wenn Vögel Erinnerungen wecken
Zum Präventionsprojekt „Alle Vögel sind schon da” des LBV gehören neben der Futterstation auch Plüsch-Vögel, die beim Drücken die Singlaute des jeweiligen Vogels erklingen lassen.
Foto: Gudrun Klopf | Zum Präventionsprojekt „Alle Vögel sind schon da” des LBV gehören neben der Futterstation auch Plüsch-Vögel, die beim Drücken die Singlaute des jeweiligen Vogels erklingen lassen.
Gudrun Klopf
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:48 Uhr

Futtersäule und Vogelhaus sind randvoll gefüllt mit Sonnenblumenkernen, Erdnuss-Bruch, Hirse und Kanariensaat. Auch Samen und Waldfrüchte, eingebettet in pflanzliche Fette, stehen auf dem Speiseplan. Das Buffet für die gefiederten Gesellen ist eröffnet. Nun müssen die Vögel nur noch den Weg in den Innenhof der Hausgemeinschaften für Senioren St. Anna in Hofheim finden.

Kathrin Lichtenauer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) ist mit großem Gepäck nach Hofheim gereist. Die multifunktionale Futterstation mit Vogelhaus, Futtersäule, Tränke und Gitterboxen für Fettblöcke wird im begrünten Innenhof der Hausgemeinschaft „Schwedenschanze“ platziert. Ein paar Bewohner füllen die Futterplätze aus dem stattlichen Vorrat an Futter. Vom Gemeinschaftsraum aus schauen andere Senioren interessiert zu, was sich vor dem großen Fenster tut.

Die Einrichtung ist eine von über 70 in ganz Bayern, die am kostenfreien Vorsorgeprojekt „Alle Vögel sind schon da“ des LBV teilnimmt. Mit dem Präventionsprojekt will der Landesbund in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu mehr Lebensqualität im Alter beitragen, erklärt Lichtenauer als Beauftragte für das Projekt. Hohes Alter oder eine Demenzerkrankung schränken häufig die Mobilität ein. Als Folge fallen soziale Außenkontakte und die Begegnung mit der Natur weg. Künftig soll die Beobachtung, Bestimmung und Fütterung von Vögeln das Leben der Bewohner bereichern und ihr Wohlbefinden erhöhen.

Singende Plüschvögel

Amsel, Drossel, Fink und Star – mit einem Bilder-Vortrag stellte Lichtenauer die Vertreter der Spezies vor, die sich am häufigsten an den Futterplätzen einfinden. Vom lebenslustigen Spatz, der stimmgewaltigen Amsel bis hin zum Turnkünstler Kleiber erfuhren die Senioren Vorlieben und Eigenheiten der heimischen Vögel. Ja, an die Rotkehlchen und Meisen zuhause im eigenen Garten erinnern sich manche und nicken zustimmend zu Lichtenauers Beschreibungen. Andere streicheln derweil liebevoll Plüsch-Vögel in ihren Händen. Lächelnd lauschen sie den Singlauten, die erklingen, wenn man die Plüschtiere drückt.

Auch eigens für die Zielgruppe konzipierte Bestimmungsbücher übergibt Lichtenauer. Hier gibt es zu den auf großformatigen Fotos abgebildeten Vögeln in großer, gut lesbarer Schrift die wichtigsten Informationen. Wann kann man sie beobachten? Was fressen sie gerne? Welche Wesensmerkmale zeichnen sie aus? „Die verschiedenen Bausteine des Projektes bieten vielfältige Reize an, wie optische, haptische oder akustische“, erläutert Lichtenauer den Pflegefachkräften. In Planung sei ein ganzes Projektpaket, das neben der Futterstation, den Plüschtieren und dem Buch auch ein Memospiel, Puzzles und eine Liedmappe mit Vogelliedern enthalten soll.

Stationsleiterin Hildegard Berthold zeigt sich überrascht vom umfangreichen Angebot. „Ich hatte mir vorgestellt, dass einfach nur ein Futterhäuschen aufgestellt wird.“ Das spannende Projekt werde bestimmt gut von den Bewohnern angenommen. „Sie können sich beim Füttern einbringen und man merkt schon jetzt, wie interessiert sie zuschauen, was draußen passiert.“ Gerade in einem Bereich, wo es um die Beobachtung gehe, könne man bedenkenlos das ganze Jahr über füttern, erklärt Lichtenauer auf Nachfrage.

Schöne Erinnerungen

Auch Gerontofachkraft Christian Sauer ist vom Erfolg der Präventionsmaßnahme überzeugt. „Jeder Mensch hat irgendeine Beziehung zu Vögeln. Die Erinnerung daran zaubert automatisch ein Lächeln in das Gesicht der Bewohner.“ Sich an alte Zeiten entsinnen, mit anderen ins Gespräch kommen, ans Fenster oder gar in den Garten gehen, um die Vögel zu beobachten – das könne zugleich die Stimmung heben und die körperliche Aktivität und Mobilität steigern. Zudem trainiere es das Gedächtnis, Vögel zu beobachten und zu bestimmen, nennt Lichtenauer ein weiteres Ziel des Projektes.

Wissenschaftliche Studien

Dass ein Zusammenhang zwischen Naturerfahrung und Wohlbefinden bestehe, sei durch wissenschaftliche Studien belegt, berichtet die Projektleiterin. Um die Wirksamkeit der Vogelbeobachtungen zu dokumentieren, wird die Präventionsmaßnahme „Alle Vögel sind schon da“ durch die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt unter Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Kals (Sozial- und Organisationspsychologie) wissenschaftlich begleitet. Während sechs vollstationäre Pflegeeinrichtungen in einer experimentellen Studie intensiver untersucht werden, wird in den übrigen 70 Einrichtungen eine Fragebogenstudie durchgeführt.

Finanziell gefördert wird das Projekt von mehreren Pflegekassen. Die Stiftung Bayerisches Naturerbe des LBV übernimmt die Kosten der Vogelfutterstationen. Das Vorsorgeprojekt steht unter der Schirmherrschaft der bayerischen Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml.

 
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