75 Jahre alt wird Erwin Dotzel in diesem September. Geboren wurde er im Thereser Ortsteil Buch. 30 Jahre war Dotzel Bürgermeister der Stadt Wörth am Main, und von 2007 bis 2023 Präsident der Bezirkstags von Unterfranken. Die Bezirke, sagt Dotzel, tragen entscheidend zum sozialen Frieden in der Gesellschaft bei.
Erwin Dotzel: Es war eine herrliche Jugendzeit: Meine Eltern haben einen Bauernhof mit Ackerbau und vielen Tierarten bewirtschaftet. Ich hatte einen großen und einen kleinen Bruder, wir haben in der Landwirtschaft mitgeholfen und mit den Nachbarskindern gespielt. In Buch gab es ein sehr vielseitiges Vereinsleben. Wir waren aktive Fußballer, leisteten Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr Buch.
Viele von uns Jugendlichen haben ab dem achten Lebensjahr ein Musikinstrument gelernt. Ich hatte mich für das Tenorhorn entschieden, und könnte es heute noch nehmen und spielen. Durch jährliche Theateraufführungen in der Advents- und Weihnachtszeit, auch in unseren Nachbarorten, haben wir unseren Dirigenten und unsere Tracht finanziert. Die Blaskapelle Buch hat bei verschiedenen Anlässen ihr Können gezeigt.
Beim BRK Landkreis Haßfurt wurden wir zu Sanitätern ausgebildet. Am Wochenende haben wir Fahrdienste übernommen und dadurch die hauptamtlichen Kräfte entlastet. Ein großer Teil der Jugendlichen hat den Ministranten- und den Lektorendienst in der Kirche übernommen. Wir waren füreinander da, haben angepackt, wo Hilfe benötigt wurde. Diese Erfahrung hat mich für das Leben geprägt. Viermal "M" ist die Voraussetzung für die Unterstützung in allen Lebenslagen. Das heißt: "Man muss Menschen mögen".
Dotzel: Wir haben bereits sechs Jahre in Wörth gewohnt, ich habe im Staatlichen Vermessungsamt gearbeitet, als mich verdiente Stadträte der CSU gebeten haben, bei den Kommunalwahlen 1984 für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Ich bin gewählt worden und habe sogleich auch einen Sitz im Kreistag des Landkreises Miltenberg erhalten. Hauptamtlicher Bürgermeister in Wörth am Main bin ich über einen Zeitraum von dreißig Jahren gewesen, bis 2014. 2007 wurde ich zusätzlich zum Bezirkstagspräsidenten von Unterfranken gewählt.
Dotzel: Weil allen Themen, die beim Bezirk verankert sind, mein Interesse galt. Unser damaliger Landrat meinte, ich solle als junger und erfolgreicher Bürgermeister doch für das Amt im Bezirkstag kandidieren, weil ich eine starke Stimme im Gremium haben könnte. 1990 war ich dann erstmals im Bezirkstag, und im Jahre 2007 habe ich das Amt des Bezirkstagspräsidenten übernommen. Dieses habe ich bis Ende Oktober 2023 innegehalten.
Dotzel: Kurz erklärt: Bezirksräte kümmern sich um Aufgaben, die von regionaler Bedeutung sind, das Leistungsvermögen der Landkreise, Gemeinden und kreisfreien Städten jedoch übersteigen.
So im sozialen Bereich: Die Wohlfahrtspflege ringt jedes Jahr um angemessene Pflegesätze zur Finanzierung ihrer Aufgaben. Der Bezirk verfügt über ein Qualitätsmanagement, das die 4200 Verwaltungs- und Fachkräfte bei ihrer Arbeit unterstützt, die laufenden Kosten und Pflegesätze für die hilfebedürftigen Menschen gerecht und passgenau einzusetzen. Es werden Anträge Hilfebedürftiger in der Eingliederungshilfe und Pflege bearbeitet, die Kostenbeteiligung der Betroffenen und der Angehörigen wird festgelegt.
Dann betreibt der Bezirk zwei Krankenpflegeschulen mit jährlich bis zu 60 Auszubildenden, um das Fachkräfte-Pflegepersonal sicherzustellen. In der Dr.-Karl-Kroiß-Schule in Würzburg werden Hörgeschädigte unterrichtet, um sie zu fördern und ihnen die Teilhabe zu ermöglichen. In Ebern können Schreiner ihre Meisterschule besuchen. Weiterhin die psychischen Erkrankungen: ambulante und stationäre Krankenhäuser und Heime sorgen für die notwendige Pflege und Betreuung Betroffener.
Darüber hinaus therapieren wir verurteilte Straftäter in den beiden Forensiken in Lohr und in Werneck, manche wegen Mordvergehen und Sexualstraftaten einsitzende Täter bleiben dauerhaft weggesperrt. Oder denken Sie an die Lebenshilfe-Werkstätten: Dort finden Menschen Anerkennung, der Bezirk schafft Wege zu deren Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Das war für mich stets eine der größten und wichtigsten Aufgaben.
Dotzel: Ich hoffe sehr, dass uns die Welt der Musikvereine noch lange erhalten bleibt, musizieren alleine oder in der Gemeinschaft, finde ich, ist Lebensqualität. Daher habe ich auch immer gerne die Musikfachschule in Bad Königshofen, die Musikakademie in Hammelburg, das Bezirksjugendsymphonieorchester, die Pop-Musik, den Kissinger Sommer gefördert und flächendeckend viele weitere Angebote.
Doch auch darüber hinaus: Der Bezirk steht ebenfalls für die Förderung der Kultur, des Brauchtums, der Trachten, der Denkmalpflege und der Museen. Siehe Theater Schloss Maßbach oder Freilandmuseum Fladungen sowie das Museum Schloss Aschach bei Bad Bocklet. Die Förderung und Beratung bezüglich der fränkischen Tracht ist uns auch ein Anliegen, wie aus dem Kreis Haßberge Renate Ortloff sicherlich bestätigen wird.
Der Bezirk kümmert sich weiterhin um die Erhaltung und Sanierung herausragender Bausubstanz und der Denkmäler in Wald und Flur. Diese sind, ich möchte als Beispiel die Sühnesteine nennen, oftmals Zeugnissen christlicher Frömmigkeit. Über die Fischereifachberatung werden die 300 Teichwirte und 25.000 Angler unterstützt. Was mich besonders freut: Inzwischen können die Teichwirte den Bedarf an fangfrischen heimischen Fischen abdecken. Und nicht zu vergessen: Der gute fränkische Wein. Auch sein Anbau wird vom Bezirk intensiv beraten.
Dotzel: Von den 16 Bundesländern in Deutschland haben nur zwei, der Freistaat Bayern und Rheinland-Pfalz, Bezirke als eigenständige Gebietskörperschaften. Der entscheidende Punkt: In den anderen Bundesländern befassen sich entsandte Personen mit den Aufgaben, hier entscheiden demokratisch gewählte Bezirksräte in eigener Zuständigkeit. Ich denke, dies ist elementar für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Die Bezirke sind näher an den Menschen und sorgen für den sozialen Frieden.
Dotzel: In der Sonntagstracht ab zum Gottesdienst, der begleitet wird von Blasmusik, ein Mittagessen mit Fisch und Wein aus Franken, Geselligkeit über jede Hierarchie hinweg, Hilfe, wo Not am Mann ist. Vieles, was ich in meiner Jugendzeit in Buch so geschätzt habe, wurde Inhalt meines Berufslebens in der Bezirksarbeit. In einer Zeit, die immer konfuser zu werden scheint, brauchen wir die Bodenständigkeit unserer Vereine, unsere kulturellen Wurzeln. Wir brauchen Räume auch für die sozial Schwachen, für die vielen Menschen, die auf der Flucht hier gelandet sind und nun versuchen, Wurzeln zu schlagen. Wir brauchen ein Bindeglied zwischen Tradition und Fortschritt. Einen stabilen Boden. Wir brauchen die Arbeit des Bezirks.
Dotzel: Sicherlich. Mein besonderes Anliegen war es auch, den weiblichen Anteil bei den Führungskräften zu erhöhen, nachdem bis 2010 nahezu ausschließlich Männer die Führungsaufgaben übernommen haben. Inzwischen hat sich der weibliche Anteil nahezu angeglichen.