
Die Reaktionen in den Sozialen Medien haben es gezeigt: Die Aufregung der Bevölkerung über den Anstieg der Müllgebühren im Landkreis Haßberge ist groß. Viele machen die Einführung der Gelben Tonne zum Jahresbeginn dafür verantwortlich, auch wenn Wilfried Neubauer, Werksleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs, das bestreitet. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt er, welche Gründe zu der Gebührenerhöhung beitragen.
Kalkulation für drei bis vier Jahre
Zunächst ist festzuhalten, dass die Müllgebühren nicht jedes Jahr neu kalkuliert werden. "Der Abfallwirtschaftsbetrieb erstellt regelmäßig für einen Drei- oder Vier-Jahres-Zeitraum eine Gebührenkalkulation; aktuell 2021 bis 2023", erklärt Neubauer. Das macht Preisänderungen zwar seltener als bei Gebühren, die jedes Jahr neu berechnet werden, dafür aber um so deutlicher, weil gleich ein größerer Schritt auf einmal genommen werden muss.
Was dazu kommt: "Wir waren halt über lange Zeit sehr günstig. Wir haben von der Substanz gelebt." Das bedeutet: Bisher hatte der Abfallwirtschaftsbetrieb noch einiges an Einnahmen aus früheren Jahren übrig, die er in Form von niedrigen Gebühren an die Kunden zurückzahlen konnte. Im Jahr 2015, als die Müllgebühren für die Jahre 2016 bis 2020 kalkuliert wurden, waren es ganze 3,35 Millionen Euro, die der Abfallwirtschaftsbetrieb an Rückstellungen übrig hatte. Da der Betrieb keine Gewinnerzielungsabsicht hat, musste dieser Betrag über den Zeitraum der letzten vier Jahre abgebaut, sprich von den Müllgebühren abgezogen werden.
Das Polster ist aufgebraucht
"Die bisherigen Müllgebühren haben also von dem Guthaben aus Vorjahren profitiert", fasst Neubauer zusammen. Dieses Polster ist nun aufgebraucht beziehungsweise geschrumpft: Für den Zeitraum von 2021 bis 2023 sind nur noch Rückstellungen von einer knappen Million übrig – ein Grund, warum die Entsorgung teurer wird.

Dazu kommen allerdings auch noch die gestiegenen Ausgaben des Abfallwirtschaftsbetriebs. Denn die Menge an Müll ist gestiegen. Auch die Preise, die der Abfallwirtschaftsbetrieb für die Entsorgung hinlegen muss, sind teilweise deutlich nach oben gegangen, betont Neubauer. So seien bei der Müllverbrennung die Behandlungskosten gestiegen, bei der Kompostierung die Verwertungskosten. Hinzu kommt noch, dass für die Kompostierung vier zusätzliche Sammeltermine eingeführt wurden, die ebenfalls ins Geld gehen.
Auch in anderen Landkreisen steigen die Gebühren
Einen besonders extremen Anstieg gab es laut Neubauer bei den Verwertungsgebühren von Altholz, das im Sperrmüll gelandet ist. Dazu komme noch der Aufwand für die Nachsorge auf der Wonfurter Deponie sowie gestiegene Erfassungskosten beim Altpapier und ein allgemeiner Anstieg von Transportkosten. Musste der Abfallwirtschaftsbetrieb seine Gebühren im Jahr 2016 noch so festlegen, dass insgesamt 6,08 Millionen Euro zusammenkommen, sind jetzt Einnahmen von 7,78 Millionen nötig, um kostendeckend zu arbeiten – ein Mehraufwand von 1,7 Millionen, der die Gebühren nach oben treibt.
Ein Blick in andere Landkreise zeigt, dass auch dort die Müllgebühren nach oben gehen. Ebenfalls einen großen Anstieg gibt es beispielsweise im Kreis Bad Kissingen. Nicht ganz so sprunghaft ist der Anstieg im Landkreis Rhön-Grabfeld, dort waren die Gebühren allerdings bisher bereits auf einem höheren Niveau als im Kreis Haßberge.
Sechs Kommunen gehen einen eigenen Weg
Doch was bedeutet das konkret für die Bürger? Im Landkreis Haßberge hat die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung für ihren Restmüll 60-Liter-Tonnen, von denen manche alle zwei Wochen geleert werden, andere alle vier Wochen. Dabei sind die Tonnen mit dem schwarzen Deckel, deren Inhalt alle zwei Wochen abgeholt wird, für Familien mit bis zu sechs Personen gedacht. Von diesen Gefäßen gibt es im Kreis etwa 20 000. Für sie erhöht sich die jährliche Müllgebühr von 135 auf 185 Euro. Die Tonnen mit einem roten Deckel, die nur alle vier Wochen geleert werden, sind konzipiert für Familien mit bis zu drei Personen. Rund 4000 dieser Gefäße gibt es im Landkreis. Hier steigen die Gebühren von 110 auf 150 Euro – zumindest in den Kommunen, in denen der Landkreis für die Entsorgung verantwortlich ist.

Denn sechs Kommunen im Haßbergkreis haben sich dagegen entschieden, die Entsorgungsaufgaben an den Kreis zurückzuübertragen und organisieren die Entsorgung daher weiterhin selbst. Damit liegt es auch bei diesen Städten und Gemeinden, selbst ihre Müllgebühren festzulegen. Zwar steigen auch die Paschalen, die diese Kommunen zu zahlen haben, was das aber für die Müllgebühren in diesen Orten bedeutet, liegt nicht in der Veranwortung der Abfallwirtschaft oder der Kreispolitik. Das betrifft die die Bürger von Aidhausen, Sand, Stettfeld, Untermerzbach, Wonfurt und Zeil.
Bundorfs Bürgermeister: "Märchen- und Lügengeschichten"
Diskussionen auf Facebook zeigen allerdings, dass viele Bürger weiterhin die Einführung der Gelben Tonne für die Preissteigerung verantwortlich machen. Einer, der sich unter dem Main-Post-Artikel zur Erhöhung der Müllgebühren mit besonderer Vehemenz zu Wort meldete, war der Bundorfer Bürgermeister Hubert Endres. Dass die Bürger durch das Holsystem nicht mehr verpflichtet sind, ihren Müll selbst zu den Wertstoffhöfen zu bringen, kommentiert er: "Die Bequemlichkeit hat gesiegt." Die Ausführungen von Neubauer, der betont hatte, die Gelbe Tonne sei nicht für die steigenden Gebühren verantwortlich, bezeichnet Endres als "Märchen- und Lügengeschichten".
Neubauer betont dagegen im Gespräch mit dieser Redaktion noch einmal: "Die Gelbe Tonne ist nicht ursächlich für die Gebührenerhöhung." Bisher hatte das Duale System, das die Gelbe Tonne finanziert, dem Landkreis ein "Mitbenutzungsentgelt" gezahlt; quasi die Kompensation dafür, dass die Wertstoffhöfe dem Dualen System Arbeit und Kosten abgenommen haben. Die Argumentation der Gelbe-Tonne-Gegner ist daher: Auch wenn die Bürger nicht direkt für die Tonne zahlen, verursache diese indirekt Kosten, weil die Wertstoffhöfe dieses Geld nicht mehr zurückbekommen. Befürworter des Holsystems halten dagegen, es sei reiner Luxus, um die Tonnen-Gegner zufriedenzustellen, dass die Wertstoffhöfe weiter betrieben werden. Ihrer Ansicht nach hätte man einen Teil der Höfe mit Einführung der Gelben Tonne schließen können.

Wilfried Neubauer sieht es als unzulässige Verkürzung, zu sagen, die Gelbe Tonne würde die Müllgebühren nach oben treiben und verteidigt gleichzeitig das Konzept, die Wertstoffhöfe geöffnet zu lassen: "Wir wollen eine hohe Wertschöpfung durch die Erfassung vor Ort. Dieses System kostet Geld", sagt er. Dabei ist die Einführung der Gelben Tonne gerade noch rechtzeitig gekommen, um ein anderes Problem abzuwenden: Man stelle sich vor, der Landkreis Haßberge hätte in der Corona-Krise Maßnahmen zur Kontaktvermeidung umsetzen müssen, während die Menschen weiterhin ihren Müll persönlich zu den Wertstoffhöfen bringen müssen. "In der ersten Welle haben wir die Wertstoffhöfe komplett geschlossen", sagt Neubauer. "Das ging nur, weil wir die Gelbe Tonne schon hatten."