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Haßfurt
Warum die komplette Beseitigung aller Gänse im Maintal keine Lösung wäre
Vielerorts sind Kanada-, Grau- und Nilgänse zur Plage geworden. Was würde wohl passieren, wenn es gelänge, alle Plagegeister im Maintal schlagartig zu entfernen?
Wie in einem Film von Alfred Hitchcock fühlen sich viele Landwirte im Maintal, wenn die Wildenten zur Landung ansetzen.
Foto: Patrick Pleul, dpa | Wie in einem Film von Alfred Hitchcock fühlen sich viele Landwirte im Maintal, wenn die Wildenten zur Landung ansetzen.
Wolfgang Sandler
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:07 Uhr

Die Untere Jagdbehörde und die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Haßberge haben einen von der Redaktion gestellten Fragenkatalog zum Thema Gänseplage im Maintal ausführlich beantwortet.

Frage: Welche Wege können von Politik, Landwirtschaft, Jägern, Naturschützern und Kommunen – möglichst gemeinsam – begangen werden, um der Gänseplage Herr zu werden? Es handelt sich ja um kein lokales oder regionales Problem.

Landratsamt: Ein Weg ist sicherlich die weitere Zusammenarbeit in der Steuerungsgruppe Wildgansmanagement wie bisher auch. Allerdings liegt ein Teil des Problems auch im überregionalen Raumnutzungsverhalten der Tiere. Selbst wenn zwischen Haßfurt und Bamberg mit einem Schlag alle Gänse "beseitigt" würden, hätte man binnen weniger Wochen vermutlich dieselbe Situation, da die Populationen sozusagen "von außen" wieder aufgebaut würden. Es würden also vermutlich aus anderen Gebieten wie etwa Thüringen, dem Aischgrund, dem Ober- und dem Untermain und auch dem südlichen Bayern wieder Gänse zufliegen.
Eine überregionale Zusammenarbeit unter Koordination der LfL wäre also wünschenswert. Eben genau das steht auch auf der Agenda der Steuerungsgruppe. Dabei könnte auch die Politik aktiv unterstützen.

Warum wurden die Entschädigungszahlungen für betroffene Landwirte eingestellt – und von wem? Die Schäden betragen bei vielen Landwirten jeweils Tausende wenn nicht Zehntausende von Euro (Ernteausfälle durch Fraß, nicht mehr als Futter verwendbare Mahd durch zu starke Verkotungen etc.).

Landratsamt: Die Entschädigungszahlungen wurden vor einigen Jahren für sehr wenige stark betroffene bayerische Landkreise durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gezahlt. Die Zahlungen wurden eingestellt, da 2018 der Oberste Rechnungshof die Entschädigung beanstandet hat.
Weder Landkreise noch Steuerungsgruppen haben und hatten darauf Einfluss. Gleichwohl wurden bereits in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Anstrengungen unternommen, die Entschädigungszahlungen wieder aufzulegen.

Dieses Zuckerrübenfeld von Bauer Robert Hetterich aus Zeil wurde Ziel einer Fressattacke von Wildgänsen. Viel Brauchbares hat das Federvieh in der Augsfelder Flur nicht übrig gelassen.
Foto: Christine Hetterich | Dieses Zuckerrübenfeld von Bauer Robert Hetterich aus Zeil wurde Ziel einer Fressattacke von Wildgänsen. Viel Brauchbares hat das Federvieh in der Augsfelder Flur nicht übrig gelassen.
Wie bewerten Sie Aussagen von betroffenen Landwirten wie: "Da wollen sie regionale Ware, am besten in Bio-Qualität, und dann wird nichts gemacht."

Landratsamt: Falls sich die Aussage auf die fehlende monetäre Entschädigung für Fraßschäden bezieht, so ist die darin mitschwingende Enttäuschung durchaus nachvollziehbar. Die hiesige Steuerungsgruppe versuchte zusammen mit Vertretern aus der Politik bereits mehrfach, die Wiedereinführung anzustoßen.
Angesichts der komplexen Zusammenhänge und der sehr heterogenen Zusammensetzung der Gruppe ist es weiterhin durchaus normal, dass Neuerungen ihre Zeit brauchen, da sehr viele teils gegensätzliche Interessen untereinander abgewogen und immer wieder geprüft werden müssen. Auch die Skepsis Außenstehender gilt es zu überwinden, da das Anliegen der Landwirtschaft nicht immer auf offene Ohren oder gar Verständnis trifft.
Hinsichtlich des Gänsemanagements leisten wir im Maintal zusammen mit den übrigen Steuerungsgruppen in Bayern immer noch Pionierarbeit.
Nicht verkannt werden darf jedoch, dass zumindest hier im Maintal die Steuerungsgruppe vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten ins Leben gerufen wurde, um den Problemen der Landwirte Rechnung zu tragen.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht, wie dieses Bild vom Sander Faschingszug aus dem Jahr 2014 beweist. Vielen Landwirten ist angesichts der schon so lange andauernden Belastung durch die Gänseplage das Lachen vergangen.
Foto: Alfons Beuerlein | Humor ist, wenn man trotzdem lacht, wie dieses Bild vom Sander Faschingszug aus dem Jahr 2014 beweist. Vielen Landwirten ist angesichts der schon so lange andauernden Belastung durch die Gänseplage das Lachen vergangen.
Gibt es vielversprechende Möglichkeiten der Bejagung, eventuell Erfahrungen aus anderen betroffenen Gebieten (zum Beispiel: Greifvogeljagd, Fallen, Abschuss, Eier anstechen, Betoneier unterjubeln, Drohnen, Vergrämungsabschüsse für lernfähige Gänse, die von toten Artgenossen abgeschreckt werden, "Umleitung" der Gänse auf bestimmte Grundstücke, die man opfert oder wo sich der Schaden in Grenzen hält)?

Landratsamt: Viele der genannten Möglichkeiten sind bereits Bestandteil des Gänsemanagements oder werden wie z.B. die Gelegebehandlung gerade etabliert.
Die normale Jagdzeit für Wildgänse geht bis 15. Januar. Es besteht für die betroffenen Reviere seit einigen Jahren aber die Möglichkeit, bei Bedarf die Wildgänse bis Ende Februar zu bejagen. Während der beiden Monate Januar und Februar wurde in den vergangenen Jahren 20-40 Prozent der Gesamtjahresstrecke an Wildgänsen erlegt. Diese Zahl spricht für die Wirksamkeit der Maßnahme. Aus naturschutzrechtlichen Gründen kann diese Ausnahme von der Schonzeit aber bis jetzt nur außerhalb von Naturschutzgebieten stattfinden.
Vergrämungsabschüsse wurden in der Vergangenheit bereits in einigen Revieren erlaubt. Aus Gründen des Elterntierschutzes und auch um das Brutgeschehen anderer, ökologisch wertvoller Arten zu schützen, wird aber regelmäßig nur sehr restriktiv von dieser Maßnahme Gebrauch gemacht.
Die Gelegebehandlung kann nun ab nächstem Frühjahr auch ohne wissenschaftliche Begleitung unter bestimmten Voraussetzungen vorgenommen werden. In diese Maßnahme setzt die Steuerungsgruppe große Hoffnungen. Diese werden sich aber vermutlich erst dann bestätigen, wenn die Maßnahme auch von Gebieten unterstützt wird, die nicht direkt vom Gänsefraß betroffen sind.
In Bezug auf Ablenkungsflächen wurde in der Vergangenheit ebenfalls intensiv an Lösungen gearbeitet. Hier ergibt sich aber das Problem, dass die Ablenkungsflächen ja ähnliche Beschaffenheit aufweisen müssen wie die Fraßflächen, und damit eben auch landwirtschaftlich ähnlich ertragreich sind. Es wird sich daher kaum ein Landwirt finden, der dafür Flächen zur Verfügung stellt.
Dieses Instrument sollte aber dennoch nicht außer Betracht bleiben, da es gerade in der Zeit, in der die Gänsebejagung hochproblematisch ist (z.B. Aufzuchtzeit) eine Alternative bieten kann. Südlich des Hochreinsees zwischen Knetzgau und Sand am Main wurde versuchshalber ab 2022 auf einer Fläche von rund einem Hektar eine Ablenkungsfläche eingesät, damit sich hier Gänse einfinden und um den Druck von den umliegenden Flächen zu nehmen.
Es besteht die Aussicht, dass sich natürliche Feinde wie Seeadler im Maintal ansiedeln und zur Reduzierung der Gänsepopulationen (Graugans, Kanadagans und Nilgans) beitragen.
Unabdingbar ist die Abwägung zwischen der zweifellos notwendigen Reduktion der Gänsepopulationen und der Belange des Naturschutzes. Hier gilt es eine übermäßige Störung von seltenen Vogelarten zu vermeiden, worauf das Wildgansmanagement abzielt und sich im Rahmen von Jagdrecht, Naturschutzrecht, Artenschutzrecht und Tierschutzrecht bewegen muss.

 
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