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Prappach
Von "Wetten, dass..?" zur Gedächtnis-WM: Wie Christian Schäfer aus Prappach jetzt in Schweden groß abräumte
Man braucht kein Superhirn, sagt der Mathematik- und Informatiklehrer im Gespräch mit der Redaktion. Es gehe vielmehr um die richtigen Techniken.
Christian Schäfer wird durch Gehörschutz und eine Brille von Ablenkungen durch seine Umgebung abgeschirmt.
Foto: Christian Schäfer | Christian Schäfer wird durch Gehörschutz und eine Brille von Ablenkungen durch seine Umgebung abgeschirmt.
Naomi Petsch
 |  aktualisiert: 02.12.2024 18:00 Uhr

Christian Schäfer unterrichtet seit drei Jahren Mathematik und Informatik an der Friedrich-Fischer-Schule in Schweinfurt. Aber nicht nur im Beruf beschäftigt er sich mit der Zahlenwelt: Seit 16 Jahren macht der 32-Jährige aus Prappach in seiner Freizeit Gedächtnissport. Vor zehn Jahren wurde er dank seines hervorragenden Gedächtnisses sogar Wettkönig in der Fernsehsendung "Wetten, dass..?".

Angefangen hat alles mit einem Juniorweltmeister, den er im Fernsehen gesehen hat. Das habe ihn so fasziniert, dass er sich daraufhin in das Thema Gedächtnissport eingelesen habe und seitdem regelmäßig übe, erklärt Schäfer der Redaktion. Doch wie übt man sowas? Die Hauptdisziplin im Gedächtnissport besteht darin, sich eine sehr lange Zahlenabfolge zu merken. Mithilfe eines Computerprogramms werden verschiedene Abfolgen generiert, die Schäfer nach einer bestimmten Zeit wiedergeben muss. Diese variiert von fünf Minuten bis zu einer Stunde.

"Das ist dann schon sehr langwierig", sagt er. Am einfachsten könne man sich die Zahlen merken, indem man aus jeweils drei Ziffern ein Bild und aus den Bildern eine Geschichte macht. "Umso verrückter die Geschichte, umso besser kann man es sich merken", sagt der 32-Jährige. Dabei steht jede Ziffer für einen Konsonanten, beispielsweise die 3 für "m", die 5 für "l" und die 6 für "ch" oder "sch".  So wird aus der Zahl 365 für Schäfer die "Muschel", wenn er zwei Vokale dazwischenfügt. Dasselbe muss er auch bei der Gedächtnis-Weltmeisterschaft machen.

Erstmals 2009 bei der Gedächtnis-WM dabei

Seine erste Weltmeisterschaft trat er 2009 an, da wurde er in der Gesamtwertung sogar Zweiter in der Kategorie "Junioren". Vom 22. bis 24. November nahm er nun bereits zum fünften Mal an einer Gedächtnis-Weltmeisterschaft teil und musste sich im schwedischen Lund in zehn unterschiedlichen Disziplinen beweisen. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen müssen sich nicht nur Zahlenabfolgen, sondern auch Bilder oder Wörter in einer bestimmten Reihenfolge merken.

Dreimal Silber: Christian Schäfer war bei der Gedächtnis-Weltmeisterschaft im November im schwedischen Lund überaus erfolgreich.
Foto: Christian Schäfer | Dreimal Silber: Christian Schäfer war bei der Gedächtnis-Weltmeisterschaft im November im schwedischen Lund überaus erfolgreich.

Die Disziplinen teilten sich auf Freitag, Samstag und Sonntag auf, zwischendurch gab es nur etwa 10 bis 15 Minuten Pause. Bei jeder Disziplin sitzen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wie in einem Prüfungssaal an ihrem eigenen Laptop. Am Ende gewinnt, wer sich in der Kürze der Zeit am meisten merken konnte.

"Man darf keinen Fehler machen"

Was für Zuschauerinnen und Zuschauer eher unspektakulär aussieht, ist für die Merk-Profis hoch anstrengend. Die Disziplinen seien ihm unterschiedlich schwer gefallen, sagt Schäfer. Während Gesichter einfacher zu merken seien, sei er bei der Kategorie "Gesprochene Zahlen" am meisten aufgeregt gewesen. Dabei wird jede Sekunde eine Zahl genannt. "Man weiß, man darf keinen Fehler machen", so Schäfer. Sobald man einen anderen Gedanken habe, vergesse man die Zahl. Am Ende hat er aber gerade in dieser Kategorie mit 129 Ziffern den zweiten Platz erreicht.

Auch in den Disziplinen "Binärzahlen" und "Zahlen in 5 Minuten" konnte er eine Silbermedaille gewinnen. In der Gesamtwertung war Christian Schäfer auf dem 8. Platz. "Ich hab mir im Vorfeld die Top 10 vorgenommen und bin jetzt sehr happy damit", sagt der 32-Jährige. Insgesamt gab es etwa 40 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus verschiedenen Ländern, die sich je nach Alter in die Kategorie Junioren, Erwachsene oder Senioren aufteilen.

Rauchende Köpfe: Über 40 Teilnehmer aus aller Welt versuchen gleichzeitig, sich so viele Zahlen wie möglich einzuprägen.
Foto: Emma Engkvist | Rauchende Köpfe: Über 40 Teilnehmer aus aller Welt versuchen gleichzeitig, sich so viele Zahlen wie möglich einzuprägen.

Von den deutschen Wettkämpferinnen und Wettkämpfern kannte Schäfer einige. Sie kämen aus den verschiedensten Berufen, für die meisten von ihnen sei der Gedächtnissport nur Hobby, da man kein Geld damit verdiene. Dementsprechend hätten viele nicht die Zeit, intensiv zu üben, sondern machten den Gedächtnissport nur nebenbei. Für die ersten acht Plätze gab es ein kleines Preisgeld, das bei Schäfer jedoch gerade mal für den Flug gereicht hat. Dem Gedächtnissport fehlt es an Sponsoren.

Auch die Organisation werde von ehrenamtlichen Teilnehmern und Teilnehmerinnen übernommen, das sei noch ausbaufähig. Der Gedächtnissport sei bisher noch eher unbekannt, so Schäfer. Dabei könne es jeder versuchen, dafür müsse man kein Super-Hirn haben, sagt er. Man brauche nur einen gewissen Aufwand und viel Fantasie.

Gedächtnissport kennt kein Alter

Laut Schäfer hat der Sport weniger mit Talent, sondern mehr mit Übung zu tun. Wenn man es probiert, könne man "sich selbst überraschen und sehen, wozu das eigene Gehirn fähig ist". Der Sport kenne auch kein Alter. Im Gegenteil: Er hilft sogar, denn wie jede geistige Beschäftigung könne auch diese gegen Demenz vorbeugen. Dass das Spaß macht, können sich wahrscheinlich die wenigsten vorstellen. "Der Wettkampf-Aspekt reizt mich", erklärt Schäfer.

Höchste Konzentration: Christian Schäfer muss sich unglaublich viele Daten auf einmal einprägen und darf sich bei der Wiedergabe keine Fehler erlauben.
Foto: Emma Engkvist | Höchste Konzentration: Christian Schäfer muss sich unglaublich viele Daten auf einmal einprägen und darf sich bei der Wiedergabe keine Fehler erlauben.

Außerdem erreiche man "hohe Leistungen mit simplen Techniken", was ihm sehr gefalle. In seinem Beruf helfe ihm das Ganze wenig, da Mathematik hauptsächlich aus logischem Denken bestehe. Vielmehr könne der Gedächtnissport bei Lernfächern wie Geschichte oder Sprachen helfen, denn mit entsprechender Technik falle es einem einfacher, sich Vokabeln oder Jahreszahlen zu merken. Es sei wie eine Eselsbrücke aus Bildern, bestätigt Schäfer. Wenn es zeitlich passt, will er auch an der nächsten Weltmeisterschaft teilnehmen. Denn der Gedächtnissport lässt ihn so schnell nicht los.

 
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