Unsereiner hat schon Probleme, die vierstellige Geheimnummer fürs Girokonto nicht zu vergessen. Ganz zu schweigen von der eigenen Handynummer. Christian Schäfer schmunzelt da nur. Er kann sich innerhalb von fünf Minuten bis zu 393 Ziffern in der richtigen Reihenfolge einprägen, sich über 2300 Ziffern binnen einer Stunde merken und hintereinander aufschreiben. Nur zwei der zahlreichen Bestmarken, die der Student aus Würzburg im Gedächtnissport gesetzt hat. Am Samstag, 8. November, tritt der 22-Jährige bei der vorletzten Auflage des ZDF-Klassikers „Wetten, dass . . ?“ als Wettkandidat live in Graz an.
Den genauen Inhalt seiner Wette darf Schäfer im Vorfeld der Show nicht verraten. Der Sender kündigt an, der Student wolle beweisen, „dass bei höchster Konzentration Bilder unter Wasser nicht verblassen“. Wie? Er werde in ein Becken tauchen, die Luft anhalten – und unter erschwerten Bedingungen eine Merkleistung vollbringen, sagt der 22-Jährige. Verstanden? Nicht so richtig. Ist aber auch egal. Spektakulär wird's allemal. Dafür steht die bisherige Karriere des jungen Mannes, der aktuell auf der Gedächtnissport-Weltrangliste Platz fünf belegt – hinter zwei Landsleuten, einem Chinesen und einem Schweden.
Vor wenigen Wochen erst hat Christian Schäfer in China seinen fünften Eintrag ins Guinness-Buch der Weltrekorde geschafft. Das Video zum Fernsehauftritt im Reich der Mitte gibt's über die Homepage www.christian-schaefer.eu im Internet zu sehen. Es zeigt einen jungen Deutschen, der das Studiopublikum und eine Guinness-Jury verzückt, weil er es schafft, sich innerhalb von fünf Minuten 16 zwölfstellige Zahlen und die dazugehörigen QR-Codes zu merken. Der alte Weltrekord lag bei zwölf QR-Codes.
Er wirkt ganz normal, so gar nicht wie ein Nerd, der Blondschopf aus dem Siegerland, den das Mathematik- und Informatik-Studium an den Main verschlagen hat. Erfolge im Gedächtnissport seien kein Hexenwerk, sagt er, sondern, wie bei klassischen Sportarten auch, Resultate intensiven Trainings. „Vor Wettkämpfen übe ich schon zwei, drei Stunden täglich“, sagt der 22-Jährige.
Beim Gedächtnissport geht es darum, sich lange Zahlenreihen, Spielkarten-Folgen, aber auch historische Daten, Namen und Gesichter einzuprägen. Er schaffe es, sich innerhalb von nur 15 Minuten anhand von Fotos 145 Namen und die dazugehörigen Gesichter zu merken, heißt es auf Schäfers Homepage.
Bloß wie? Gedächtnissportler setzen die Zahlen in Bilder um – und verknüpfen diese dann zu fantasievollen Geschichten. Ein Beispiel: Die „0“ ist ein Ei, die „2“ ein Schwan“, die „5“ ein Einrad und die „8“ ein Schneemann. Um sich die Zahl 2085 zu merken, isst der Schwan ein Ei und trifft dann den Schneemann auf dem Einrad. Diese Merktechnik klingt einfach. Aber wenn es um 300 Ziffern geht? „Dann stehen die Bilder eben für Zahlenreihen.“ Aha.
Seit er 16 Jahre alt ist, nimmt Christian Schäfer an Meisterschaften teil, auch an internationalen. 2013 gewann er den "Zahlenmarathon" bei der Gedächtnis-WM in London. In Göteborg wurde er kürzlich schwedischer Vizemeister, in San Diego scheiterte er bei einem stark besetztenTurnier erst im Viertelfinale. Das Besondere am Wettbewerb in Kalifornien war, dass ein Sponsor, „eine Firma, die über das Gedächtnis forscht“, nicht nur die Anreise bezahlt, sondern auch noch 60 000 Dollar Preisgeld ausgelobt hatte. Ansonsten aber werde man als Superhirn nicht reich, sagt der 22-Jährige und lacht. „Das Hobby kostet eher Geld.“
Umso schöner, wenn die Partnerin die Begeisterung für den schrägen Sport teilt. Annalena Fischer hat Christian Schäfer 2010 bei einem Gedächtnis-Wettbewerb kennengelernt. Die 20-jährige Mathe- und Physikstudentin stammt aus Prappach (Lkr. Haßberge). Sie ist die beste Frau unter den deutschen Merk-Genies. Immer wieder treten die beiden gemeinsam auf – auch im Fernsehen. So begeisterte „Deutschlands klügstes Paar“ („Bild“) Ende 2012 die Zuschauer der Jörg-Pilawa-Show „Das Superhirn“, diesen Sommer waren sie live im ZDF-„Fernsehgarten“ zu sehen. Dort duellierten sie sich mit ihrem Wissen um die Nummer-eins-Hits der deutschen Charts sämtlicher Wochen von 1980 bis 1989. Fischer gewann.
Bei „Wetten, dass . . ?“ in Graz ist die 20-Jährige nun als Schäfers Assistentin dabei. Und welcher Promi ist Wettpate? „Das entscheidet sich erst kurzfristig.“ Der 22-Jährige hat aber Favoriten. Die Schauspieler Liam Hemsworth, Jennifer Lawrence und Josh Hutcherson, Stars des Hollywood-Films „Tribute von Panem“, würden ihm gefallen, aber auch Herbert Grönemeyer, der bei Markus Lanz seine neue CD präsentiert. Christian Schäfer: „Ernste Texte, gute Musik, das passt zu meiner Wette.“