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Zeil
Von Schweinfurt in die Haßberge: Jeden Tag mit dem Rad auf die Arbeit
Seinen Arbeitsweg von rund 60 Kilometern legt der Schweinfurter Fredi Braun seit 25 Jahren auf dem Fahrrad zurück. Wie schafft er das?
Fredi Braun auf dem Weg zur Arbeit: Bis auf wenige Ausnahmen im Jahr pendelt der Schweinfurter rund 60 Kilometer am Tag mit dem Rad.
Foto: Lukas Reinhardt | Fredi Braun auf dem Weg zur Arbeit: Bis auf wenige Ausnahmen im Jahr pendelt der Schweinfurter rund 60 Kilometer am Tag mit dem Rad.
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:55 Uhr

Die Geschichte von Fredi Braun klingt beinah zu sagenhaft. Aber sie ist wahr. Es ist das Jahr 1996, als der Schweinfurter für ein Bewerbungsgespräch bei einer AWO-Pflegeeinrichtung in Zeil aufschlägt. Zum Abschied fragt der damalige Heimleiter, wie Braun nach Zeil gekommen sei. "'Mit dem Rad', war natürlich meine Antwort", sagt Braun - und lacht. Der Mann staunt nicht schlecht. 

Noch am Abend erhält Braun die Zusage, er hat den Job. Es ist der Beginn seiner ständigen Reise - mit dem Rad zwischen Schweinfurt und Zeil. Rund 60 Kilometer, Tag für Tag, bei Sonne und Regen, Wind und Wetter.

Bestens ausgestattet: Braun besitzt fünf Fahrräder

25 Jahre ist das nun her. Fredi Braun, geboren und aufgewachsen in Schweinfurt, ist inzwischen 59 Jahre alt. Er trägt langes, braunes Haar auf dem Kopf und einen grauen Bart im Gesicht. Die Oberschenkel und Waden sind kräftig und muskulös, die Haut ist gefärbt von der vielen Zeit unter der direkten Sonne. Auch heute ist Braun mit dem Fahrrad gekommen. "Es ist ein Rennrad, ein Schmuckstück und schon etwas älter", sagt er.  Braun besitzt drei von ihnen. Außerdem ein Stadtrad mit Spikes für den Winter und ein Mountainbike für die Berge. Radfahren, das merkt man schnell, ist Brauns Leben.

Kurzatmigkeit, Schwindel und Konzentrationsprobleme: Seit einer Erkrankung mit dem Corona-Virus hat Braun mit den Langzeitfolgen zu kämpfen.
Foto: Lukas Reinhardt | Kurzatmigkeit, Schwindel und Konzentrationsprobleme: Seit einer Erkrankung mit dem Corona-Virus hat Braun mit den Langzeitfolgen zu kämpfen.

Heute ist es weder kalt noch warm. Die Septembersonne scheint. "Bei diesem Wetter fährt es sich fast von alleine, das ist aber nicht jeden Tag so." Wie viele Kilometer er in den vergangenen 25 Jahren zurückgelegt hat? Braun lacht. "Das habe ich noch nie so wirklich berechnet." Doch komme es im Jahr höchstens zehn Mal vor, dass er sich nicht auf das Rad schwingen kann, wetter- oder krankheitsbedingt. Ein Rechenspiel: Abzüglich des Urlaubs sind es rund 5200 Tage, an denen er in den vergangenen 25 Jahren mit dem Fahrrad pendelte.

"Man tut etwas für die Umwelt, für den Geldbeutel und für den eigenen Körper."
Fredi Braun, Radfahrer und Pfleger

Multipliziert mit der Länge der Strecke zwischen Wohnort und Arbeitsplatz, landet Braun bei einer Zahl, die er selber gar nicht so richtig begreifen kann: rund 312 000 Kilometer. Zum Vergleich: Das entspricht knapp acht Erdumrundungen. Aber was treibt Fredi Braun zu dieser Höchstleistung über Jahrzehnte hinweg an? "Man tut etwas für die Umwelt, für den Geldbeutel und für den eigenen Körper", sagt der Schweinfurter. Und Braun muss fit sein, auch im höheren Alter. Denn sein Beruf als Altenpfleger ist körperliche Schwerstarbeit.

Der frühe Vogel: Um 3.30 Uhr klingelt in Schweinfurt der Wecker

Wenn Braun die Frühschicht übernimmt, klingelt der Wecker schon zeitig. "Um 3.30 stehe ich auf", sagt der Schweinfurter. "Ich wasche mich, ich frühstücke, ich mache meine Übungen." Eine Stunde später schwingt er sich auf das Rad. Etwa anderthalb Stunden ist er dann unterwegs, vorbei an der Feldern und Wäldern, aber auch an der Bundesstraße, auf der sich eine motorisierte Blechlawine in den Morgenstunden in Richtung Arbeit schiebt. "Ich habe auch ein Auto", sagt Braun. Aber das nutze er nur selten.

Seine Fahrräder strapaziert Braun da deutlich mehr: Vier Stück hat er bereits verschlissen. "Etwa drei mal im Jahr habe ich einen Platten", schätzt er. Im Winter bei minus zehn Grad einen kaputten Reifen zu wechseln, zählt zu seinen eher unerfreulichen Erfahrungen in den vergangenen Jahren. Auch brenzliche Situationen hat Fredi Braun bereits erlebt. In den Morgenstunden nach einer Nachtschicht etwa. "Da bin ich tatsächlich in den Sekundenschlaf gefallen und auf den Randstein gefahren", sagt der 59-Jährige. Doch zum Glück ging alles gut aus. Und eine kuriose Geschichte? "Einmal", erinnert sich Braun, "habe ich einen 85-jährigen Besucher auf dem Gepäckträger zum Bahnhof gebracht." Der habe dringend zum Zug gemusst. "Das Wichtigste: Er hat ihn noch erwischt."  Einen Unfall, sagt Braun, hatte er in 25 Jahren noch nie. 

Seit der Corona-Infektion: "Als hätte mir jemand alle Energie entzogen"

Auch krank sei er in all den Jahren nie wirklich gewesen. Im Dezember 2020 aber änderte sich das. Fredi Braun infizierte sich mit dem Corona-Virus: "Ich kam mit dem Rad von der Arbeit,  hatte Schüttelfrost und Fieber wie bei einer Grippe, und ich schmeckte und roch nichts mehr." Doch anders als bei einer Grippe merkt Braun die Folgen der Erkrankung noch heute, ein dreiviertel Jahr später. "Es ist, als hätte mir jemand alle Energie entzogen." Seither ist Braun kurzatmiger, hat er Schwindel und Konzentrationsprobleme, muss er auch mal eine Pause einlegen.  

Für ihn eine schwere Zeit. "Wenn ich eine Woche keinen Sport mache, bin ich unzufrieden", sagt Braun. Es sei wie eine Sucht. "Aber ich denke, es gibt schlimmere Süchte." Ob er sich vorstellen kann, irgendwann einmal ein E-Bike zu fahren? "Wenn ich eins gewinne, würde ich es behalten", sagt er - und schon ist das Lachen zurück.

 
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Kommentare
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  • frankenausdistanz
    Hut ab vor soviel Selbstdisziplin am frühen Morgen von einen gleichaltrigen Mann! Coronaspaetfolgen sind immer wieder erschreckend und ein warnendes Signal für die Coronaleugner oder Coronaverniedlicher
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  • Arcus
    Warum subventionieren wir eigentlich nicht Fahrräder statt überteuerte Dienstwagen?
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  • juerwer@gmx.de
    Viele Arbeitgeber bieten das bereits an. Im Internet gibt es dazu informationen.
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  • tommy33
    Weil sehr viele Gesundheitlich auf ein Auto angewiesen sind ???
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  • jutta.noether@web.de
    Damit gebe ich Ihnen zwar völlig Recht, aber Arcus sprach ja von der Subventionierung von Dienstwagen, nicht von Privatautos.
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  • post@frankgeissler.info
    Viele Arbeitgeber stellen ihren Arbeitgebern einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung. Damit wird das Privatauto über Umweg subventioniert. Wobei ich mich aber frage, ab wann ein Dienstwagen überteuert ist. Ich finde aber auch, dass der Staat Fahrräder besser fördern sollte.
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  • Casey2010
    Es gibt mittlerweile bei vielen Arbeitgebern ein Jobrad. Einfach Jobrad bei Google eingeben so bin ich günstig an mein e Bike gekommen
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