Ich freue mich jedes Jahr darauf. Es ist eine Tradition“, sagt Lorenz (15), während der zwei Jahre jüngere Franz die „Anstrengung“ an diesem Tag hervorhebt. Für Moritz (11) dagegen ist es „am wichtigsten, etwas für andere Kinder zu machen“. Und der neunjährige Lukas? Er ist einfach nur „froh, bei den Großen dabeisein“ zu können. Die Rede ist vom „Dreikönigstag“, an dem die Geschwister ihre Namen in „Kaspar“, „Melchior“ und „Balthasar“ tauschen.
Als Sternsinger verkleidet gehen die vier Reinwand-Brüder in ihrer Heimatgemeinde Ebelsbach am Sonntag nach dem Aussendungsgottesdienst durch viele Straßen, um in den einzelnen Häusern um Spenden zu bitten. Das Motto der traditionellen Sternsinger-Aktion lautet in diesem Jahr: „Wir gehören zusammen – in Peru und weltweit.“
Der mehrstündige und knapp drei Kilometer lange Hausbesuchs-Marathon, unterbrochen nur von einer Mittagspause, ist natürlich der Höhepunkt und gleichzeitig der Abschluss intensiver Vorbereitungen, die bereits kurz vor Weihnachten mit der Einteilung der einzelnen Gruppen sowie der Gebiete begann. In Ebelsbach kümmert sich seit Jahren vor allem Pastoralreferent Johannes Eirich um die Sternsinger, in deren Rolle überwiegend Ministranten der Pfarrgemeinde schlüpfen, aufgrund von „Personalmangel“ aber auch einige Kommunionkinder des Jahres 2019. Woran liegt das? „Ich denke, dass viele in Urlaub sind oder in den Ferien einfach mal keine Termine wollen“, meint Franz. „Es sind ja doch einige Termine zur Vorbereitung.“ Außerdem spiele wohl die oftmals ablehnende Resonanz in der Bevölkerung eine Rolle. „Nicht jeder freut sich auf die Sternsinger“, ergänzt er nachdenklich und nennt negative Beispiele aus den Vorjahren. „Jedes Jahr kommt man auch an Häuser, wo die Menschen die Türen nicht öffnen und uns über die Sprechanlagen fortschicken. Manche Leute regen sich sogar auf. Einer hat sich mal voll beschwert, dass wir geklingelt haben, weil wir ihn geweckt haben.“
Trotz allem empfindet er die personelle Situation in Ebelsbach noch in Ordnung. „Bei meinen Freunden aus anderen Ortschaften ist das teilweise echt schlimm.“ Eine mögliche Lösung: „Man könnte vielleicht die ganzen Vorbereitungen auf einen Tag legen. Dann wären nur zwei Tage betroffen“, verweist Lorenz auf den zeitraubenden Ablauf, der mit der Weihnachtsfeier der Ministranten kurz vor Weihnachten beginnt.
Nach der Gruppen- und Gebietseinteilung gibt es Zettel mit den Texten. Für die vier Geschwister kein Problem. „Es gibt den gleichen Text wie jedes Jahr. Tradition“, betont der Erfahrenste der Reinwands. Was Franz wiederum sehr gut findet, denn „sonst müssten wir ja immer etwas Neues lernen“. Geprobt wird trotzdem noch. Immer in der ersten Woche des neuen Jahres finden im Jugendheim jeweils zwei kurze Sprech- und Singproben für jede Gruppe statt. „Jeder muss vor Johannes und den Oberministranten seinen Spruch sagen und singen. Das dauert aber immer nur so zehn Minuten“, erklärt Lorenz und fügt hinzu: „Vor der ersten Probe suchen wir auch schon immer unsere Kronen daheim heraus, um zu kontrollieren, ob wir etwas ausbessern müssen.“ Die Kronen haben sie nämlich selbst gebastelt und auch sehr reich verziert. „Da haben wir bisher schon immer etwas machen müssen, weil ja auch die Köpfe wachsen“, lacht Moritz.
Am Tag vor Dreikönig steht ein weiterer aufregender Termin auf dem Vorbereitungsprogramm: die große Kleiderprobe in der Kirche. Fleißige Helferinnen legen die Gewänder aus und es geht zu wie in einem Bekleidungsgeschäft. An und wieder aus. Das Nächste an. Etwas kürzer bitte. Vielleicht doch etwas länger? Passt. Noch den Namenszettel mit einer Sicherheitsnadel angebracht und auf die Stühle in der Steinkapelle gelegt. Fertig.
Und wenn jeder und jede – es sind schließlich auch viele Königinnen oder weibliche Sternträger dabei – das passende Gewand hat, gibt es eine Probe für den Gottesdienst am Sonntag. Viele Fragen müssten laut dem erfahrenen Lorenz schließlich geklärt werden: „Wer sitzt wo, wer macht die Kyrierufe, die Fürbitten, die Lesung? Wer sammelt bei den Gläubigen, wer ist für die Gabenbereitung zuständig?“ Zudem wird der große Einzug in das Gotteshaus geübt und bestimmt, welche Sternsinger-Gruppe am Altar den Segen für die Gottesdienstbesucher sprechen darf.
Ein Punkt ist noch ganz wichtig: Wer wird zu Beginn des Gottesdienstes ausgesandt, um den Segen in die evangelische Kirche nach Gleisenau zu bringen? „Das machen wir seit ein paar Jahren so, weil sich das der evangelische Pfarrer so gewünscht hat“, freut sich Lorenz über die gelungene und gelebte Ökumene. „Wir nehmen dann auch immer Weihrauch mit.“
Am 6. Januar selbst heißt es für die Kinder und Jugendlichen früh aufstehen. Ab 8.30 Uhr beginnt für die insgesamt neun Gruppen in der Sakristei die Verwandlung zu einem der Heiligen Drei Könige oder einem Sternträger. Ein letztes Mal werden zudem die Gewänder kurz gebügelt „und wir dürfen uns auch noch Schmuck aussuchen“, erklärt Lorenz. Wichtig ist natürlich die Wettervorhersage. Ist regenfeste Kleidung empfehlenswert? Soll es schneien? Wird es kalt oder eher mild? „Je nach Wetterlage muss man sich sehr wind- und wetterfest oder auch sehr warm anziehen. Wir laufen ja bei jedem Wetter.“
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Spätestens bei den Glockenschlägen um 10 Uhr verfliegt die größte Anspannung bei den vier Brüdern. „Es ist einfach ein tolles Gefühl, mit so vielen anderen Sternsingern gemeinsam einzuziehen“, freut sich Moritz sehr auf diesen Augenblick, gleichzeitig der Beginn des Gottesdienstes. Nach dessen Ende geht es gleich los. Der Wunsch von Lorenz – „Wir hoffen immer, dass wir Brüder zusammenbleiben können“ – hat sich derweil leider nicht ganz erfüllt: Während Moritz und Lukas gemeinsam im Bereich „Siedlung“ unterwegs sind, dürfen Lorenz und Franz ihre Erfahrung im Berggebiet an Jüngere weitergeben. Macht aber nichts. Es macht, so sind sie überzeugt, trotzdem Spaß.
Spenden mit Alkohol bekommt die Mama
„Meistens brauchen wir bis 16.30 Uhr, bis wir unser Gebiet fertig haben“, sagt Moritz. Eine große Tüte muss neben der Spendenbüchse oder der Kreide unbedingt dabeisein. Die ist notwendig für die Süßigkeiten, „weil es von ganz vielen Leuten auch etwas als Belohnung für uns gibt“. „Manchmal“, meint Franz, „hängen die Leute, wenn sie nicht daheim sind, sogar eine Tüte an die Haustür, um uns etwas zu geben.“ Der schwierigste Teil sind unterdessen nicht die am Ende oft prallgefüllten Tüten. Auch im Aufteilen der Naschereien haben die Reinwands bereits Routine: „Wir breiten bei uns auf dem Küchentisch alles aus und es darf sich jeder der Reihe nach etwas nehmen. Lorenz fängt immer an. Das machen wir dann so lange, bis wir alles aufgeteilt haben.“ Und sind wirklich alle „Gaben“ kinder- und jugendfrei? „Na ja“, räumt Lukas ein, „einmal war auch was mit Alkohol dabei. Das hat dann die Mama bekommen“, grinst der Grundschüler.
Damit ist der Sternsingertag aber noch nicht ganz vorbei, denn um 17.15 Uhr treffen sich alle Gruppen nochmals im Pfarrsaal. „Dort geben alle ihre Kasse ab sowie die Gewänder“, erklärt Lorenz, der natürlich auch auf die Sammelergebnisse der anderen gespannt ist. Erst dann neigt sich „Dreikönig“ langsam dem Ende entgegen. Aber halt: zwei Dinge dürfen nicht fehlen. Eine leckere Pizza. „Das ist auch Tradition“, freut sich Franz über den krönenden Abschluss. Und anschließend ist für alle vier noch Duschen angesagt, um die Farbe wieder abzubekommen. „Und das ist manchmal auch gar nicht so leicht“, schmunzelt Mama Claudia.