
Acht Monate ohne Bewährung unter Anwendung von Erwachsenenstrafrecht dieses Strafmaß wollte die Staatsanwältin eigentlich fordern. Am Ende des Prozesses über einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz sprach sie sich jedoch für die Anwendung von Jugendstrafrecht und gegen eine Freiheitsstrafe aus. Wie kam es dazu und was wird dem Beschuldigten zur Last gelegt?
Gleich in mehreren Fällen soll ein 21-jähriger Angeklagter in einem Zeitraum von Juli bis November vergangenen Jahres jeweils 3 bis 3,5 Gramm Marihuana und Amphetamin (Speed), nicht nur selbst konsumiert haben, sondern auch vorsätzlichen und unerlaubten Handel betrieben haben. Vom Verkauf an einen Freund – der in der Verhandlung gegen ihn aussagte und demnächst selbst vor Gericht steht – möchte der Beschuldigte jedoch nichts wissen und gesteht deshalb vor Amtsgerichtsdirektor und Richter Christoph Gillot lediglich den Eigenkonsum.
Chatverlauf und Zeuge belasteten den Angeklagten schwer
Erinnern könne sich der junge Mann nur an eine Situation, in der er gemeinsam mit dem Zeugen Amphetamine und Marihuana gekauft hätte, "um einen schönen Tag zu haben. Die Drogen waren nur für uns und nicht zur Gewinnerzielung." Ein Drogendealer sei er nicht.
Einen anderen Tathergang belegen Telegram- und Snapchat-Verläufe vom Handy des Zeugen, aus denen laut Richter und Staatsanwältin die Verkaufsabsicht des Angeklagten an seinen Freund deutlich hervorgehen. Dort heißt es unter anderem, "Du meinst White?", wobei es sich um Decknamen für Heroin handelt.
Den Verkauf bestätigte der Zeuge auch bei seiner Aussage vor Gericht: "Ich habe einmal Speed und mehrmals Gras bei ihm geholt, so stand es ja auch in meinem Chat." Er habe dem Beschuldigten geschrieben und sei losgefahren. Die Übergaben, laut Aussage bei der Polizei mindestens einmal pro Monat, erfolgten in einer Tüte direkt an der Haustüre des Angeklagten. Bezahlt habe er den Einkaufspreis immer bar. Ob der Beschuldigte noch an andere verkaufe, wisse er nicht. "Wir waren befreundet", so der Zeuge, "ich habe ihn nach Drogen gefragt, weil ich wusste, dass er raucht. Es waren nie andere Leute dabei."
Bis zum 16. Lebensjahr keine Auffälligkeiten
Zwar stand der 21-jährige bereits 2018, 2019 und 2020 wegen unerlaubtem Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln vor Gericht, doch bis zu seinem 16. Lebensjahr zeigte er keinerlei Auffälligkeiten und schloss erfolgreich die mittlere Reife ab. Erst danach folgten mehrere abgebrochene Ausbildungen, wechselnde Nebenjobs und ein intensiver Kontakt in die Drogenszene.
Wichtig sei herauszufinden, ob dies am Betäubungsmittelkonsum lag, so der Jugendgerichtshelfer, der den Angeklagten als "hängengeblieben im Jugendalter" charakterisierte. Er weise eine "Laisser-faire Haltung ohne konkrete berufliche Perspektive" auf. Ein Dauerarrest würde nicht helfen, besser sei eine Fortführung der Suchtberatung. Dieser Einschätzung folgte am Ende auch die Staatsanwältin.
Urteil umfasst den Erwerb und Handel mit Betäubungsmitteln
Der Richter sah den vorsätzlichen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen als bewiesen, davon in einem Fall mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln. Das rechtskräftige Urteil umfasst den Erwerb für den Eigenkonsum sowie den Drogenverkauf. Es ist an mehrere Auflagen gebunden, unter anderem muss der Angeklagte mindestens ein Jahr Kontakt zur Suchtberatung halten, sich einer Abstinenzkontrolle unterziehen und 120 Arbeitsstunden ableisten.