
Daniel P. zieht den CH-53 GS nach oben. Regelmäßig fliegt der Helikopterpilot aus dem unterfränkischen Königsberg nach Kundus. Manchmal auch bis nach Kabul oder ins entlegene Maimana. Es ist der schwerste Hubschrauber der Bundeswehr, das GS bedeutet „German Special“. Zwei Buchstaben, die für die beiden erkennbaren Zusatztanks an den Flanken stehen. Die Triebwerke haben einen Extra-Filter als Spezialausstattung, der vor Staub und Dreck schützt. Gerade bei häufig wiederkehrenden Geländelandungen wie in Afghanistan ist das ein immenser Vorteil. Der CH-53 agiert im Tiefflug. Bei Transportflügen besteht die Crew aus sieben Personen: Zwei Piloten, ein Ingenieur, ein Bordtechniker und drei Doorgunner. Letztere sichern hinter Daniel P. aus den Seitenfenstern heraus und hinten von der Rampe aus mit schweren Maschinengewehren den Flug. Dreimal knapp 160 Kilo im Ganzen: Die M3M als neueste Version der Browning M2, dazu ein Gurt mit 300 Schuss, ein Ersatzgurt und der Magazinkasten. Dazu kommen Nachtsichtgeräte.

Tag und Nacht einsatzbereit
Der Hubschrauber steht im Hangar immer komplett einsatzbereit zur Verfügung. „Tag und Nacht. Innerhalb von 30 Minuten sind wir flugfertig“, ergänzt Oberstleutnant Tobias H., Leiter der Crew. Im Fall von Verletzten fliegt Isabell H. mit. Für die Bundeswehrärztin, die im Ulmer Bundeswehrkrankenhaus arbeitet, ist es der zweite Einsatz am Hindukusch.

Im Vergleich zur ISAF-Mission, die 2014 auslief, gibt es keine NATO-Kampfhubschrauber mehr, die einst in die Berge zu unbekannten Zielen aufbrachen. Auch Patrouillenfahrten ins Feindesland gehören der Vergangenheit an. Das Mandat hat sich verändert. Denn in Kampfhandlungen sind heute die afghanischen Streitkräfte involviert. Nach entsprechender Schulung und unter Anleitung, denn das Know How gibt es unter anderem von den Deutschen.
Resolute Support – so nennt sich die 2015 begonnene NATO-Ausbildungsmission, zu der auch die Deutschen gehören. Afghanische Sicherheitskräfte sollen fit gemacht werden, um selbst ihr Land zu schützen. Gegen die Taliban, gegen Radikalislamisten, gegen fanatische Splittergruppen.
An Weihnachten wieder zu Hause
Knapp 4500 Kilometer trennen die deutschen Soldaten von ihren Familien zu Hause. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit kann das schmerzlich sein. Doch der Königsberger weiß, dass er zum Fest wieder zu Hause ist. Ein Trost an diesem Adventssonntag, der so kalt ist. Unter Null am frühen Morgen. Diesiges Grau verhüllt die Hügelkette des Marmal-Gebirges. Das deutsche Feldlager an den Ausläufern trägt seinen Namen: Camp Marmal. Hier sind rund 1000 deutsche Soldaten stationiert, zehn Prozent davon sind Frauen. Gemeinsam mit Streitkräften weiterer 22 NATO-Mitgliedsstaaten versehen sie hier ihren Dienst. Insgesamt etwa 2000 Männer und Frauen. Auf einer Fläche so groß wie 500 Fußballfelder.

„Wenn man über den Jahreswechsel hinweg im Einsatz ist, findet man keinen richtigen Abschluss. Man bemerkt gar nicht, dass ein neues Jahr beginnt“, erinnert sich der unterfränkische Hauptmann. Zum Glück ist es heuer anders, denn das neue Jahr wird er in der Heimat feiern können.
Gedanken an die Heimat
Ganz hinten im Feldlager gibt es einen kleinen afghanischen Markt mit Teppichen, Mützen, Puschen, Samowars und maschinengefertigten Stickbildern. Das Angebot ist bunt und die Händler sind freundlich. Doch längst nicht zu vergleichen mit der Idylle in der Heimat - die des Königsberger Weihnachtsmarktes, der am 2. Advent für einen Sonntag seine Türen öffnete.

Daran denkt er, als er erzählt, dass Pilot zu werden, schon immer sein Traum gewesen sei. „Und die Bundeswehr hat zur Erfüllung dieses Wunsches erheblich beigetragen“, sagt der 30-Jährige. Seit 2007 ist er dabei. „Offizierslaufbahn. 2008 fing ich mit dem Studium der Elektrotechnik an der Bundeswehr-Universität in München an.“ Genau wie ein Teil seiner Crew ist er am Fliegerhorst Schönewalde in Brandenburg stationiert. Brenzlige Situationen hat Daniel P. noch nicht erlebt. Im Unterschied zu seinem Vorgesetzten und Co-Piloten Tobias H., der schon einmal während eines früheren Einsatzes unter Beschuss geriet. „Dann funktioniert man nur noch und wendet das Gelernte an. Das Rekapitulieren kommt später“, sagt der Oberstleutnant. Zur Pilotenausbildung gehören auch Lehrgänge: Überlebenstraining, Agieren in Gefangenschaft, Einsatzvorbereitung.
Freizeit in Camp Marmal
„Je länger man fliegt, umso größer ist die Gefahr“, ergänzt Daniel P. Und gibt zu, dass seine Mutter immer noch Bauchschmerzen hat, wenn der Sohn in den Einsatz geht. Im Camp Marmal verbringt der Unterfranke seine knappe Freizeit gerne im Fitnesscenter - wie die meisten seiner Kameraden. „Sport machen. Und mit den Leuten kommunizieren.“ Dafür gibt es zum Beispiel das kleine „Heli-Inn“, einen Treffpunkt für die Air Wing-Crew, zu der der Königsberger gehört. „Klar, ich vermisse meine Freundin in Stuttgart und die Freunde zu Hause. Und einen guten Döner“, lacht er und nickt den Kameradinnen und Kameraden zu: „Hier funktionieren wir als eingespieltes Team und das ist wichtig.“
Mit dem Enkel essen gehen
An den Weihnachtsfeiertagen ist er wieder daheim. Und dann erzählt er von dem Wunsch der Oma, die in einer Traditionsgaststätte in Königsberg mit dem Enkel und der Familie essen gehen möchte.

Es wird dunkel im Camp Marmal. Gleißende Scheinwerfer erhellen die Außenmauern mit dem dichten Stacheldrahtnetz. Und da ist er! An einer entlegenen Ecke, ein wenig gebeugt, fast unscheinbar, mit zarter elektrischer Beleuchtung: Ein Weihnachtsbaum! Und an seinen Zweigen glimmen ein paar Kerzen.
Falls der Pilot das hier in AFG ließt: Frohes Fest und hoffentlich ein paar ruhige Tage...
Herzliche Grüße
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management