Auf dem Tisch der gemütlichen Wohnstube stapeln sich Berge von Fotos, Büchern, Heften und Broschüren. Auf den Hochzeitsfotos, Gruppen- und Einzelaufnahmen sind Menschen zu sehen, die einst in Nassach gelebt haben. Ein Bild nach dem anderen zieht Jutta Meierott hervor und begeistert sich an den vielfältigen Gewändern, die die Menschen darauf tragen. Weitere Zeugnisse aus „alten Zeiten“ häufen sich auf den Stühlen und der Ofenbank. Seit mehreren Monaten sammelt sich im Fachwerkanwesen von Familie Meierott alles, was in Nassach in Schränken, auf Dachböden und in Kellern an alter Kleidung aufbewahrt wurde.
Aufwendig gearbeitete Mieder, kunstvoll bestickte Hauben, perlengeschmückte Taschen und Schuhe und prächtige seidene Tücher zeugen von der Fingerfertigkeit und der Handwerkskunst der Menschen in früherer Zeit.
Jutta Meierott hat alles gesichtet und aufbereitet und zeigt die Schätze in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Aidhausen und der Volkshochschule am Freitag, 17. November, unter dem Motto „beTrachtet“ in der Pfarrscheune in Nassach der Öffentlichkeit. Mit einem Kurzvortrag und der Ausstellung geht Meierott auf die Geschichte des Gewandes ein, angefangen bei historischen Gewändern, über traditioneller Bekleidung bis hin zur Vereinstracht und der Tracht als Trend.
Die Tradition wieder ins Bewusstsein rücken
„Ich bin wohl etwas verrückt, weil ich mir diese Arbeit antue“, gesteht sie lachend ein. Doch es liegt ihr am Herzen, das Interesse der Menschen an altem Brauchtum wieder zu wecken. Mit ihrer Ausstellung will Meierott einen Beitrag leisten, „dass Tradition wieder ins Bewusstsein rückt und im Gespräch bleibt.“ Der Anstoß kam beim Treffen des Frauenvereins: „Was haben eure Eltern und Großeltern früher angehabt?“ „Wie ward ihr selbst als Kinder oder junge Erwachsene gekleidet?“
Jutta Meierott ist ihrer Wahlheimat sehr zugetan und zeigt von jeher reges Interesse am Ort und seinen Bewohnern. Schon in ihrem 2013 erschienen Büchlein „Nassacher Gschichten“ hat sie allerlei Brauchtum und Erzählungen aus Nassach gesammelt. Ihre Fragen nach den Gewändern aus früherer Zeit brachte die Damen zum Stöbern. In jedes Haus verteilte Meierott ein Flugblatt, mit dem sie um alte Kleidung, schmückendes Beiwerk und Fotos bat. Lange Verwahrtes wurde zum Vorschein geholt. Meierott ist begeistert, welch Schätze aus der Versenkung auftauchten. „Die müssen unbedingt der Nachwelt erhalten bleiben“, sagt sie.
Fein herausgeputzt hat sich die Gruppe junger Frauen und Männer aus Nassach, die auf dem Foto vom Trachtenfest im Jahr 1927 in Königsberg zu sehen ist. „Solche Kleidung wurde nur zu besonderen Anlässen getragen“, ist Meierott überzeugt. „Das war keine Alltagstracht.“ Eines wird auf diesem Foto und vielen anderen Abbildungen deutlich: es gibt zwar wiederkehrende Merkmale, aber von einer einheitlichen Tracht kann keine Rede sein. Zu erforschen, was typisch für die Region oder gar den Ort ist, ist Detektivarbeit.
Die einzelnen Regionen Frankens sind sehr unterschiedlich geprägt
Die eine fränkische Tracht jedenfalls gibt es nicht, ebenso wenig, wie es „den Franken“ oder eine einheitliche fränkische Identität gibt. Franken war von jeher kleinteilig; zerklüftet in geistliche und weltliche Fürstentümer und einer Unzahl von reichsritterlichen Herrschaften. Die einzelnen Regionen sind ganz unterschiedlich geprägt, es gibt katholische und protestantische Landstriche und Ortschaften. Diese Unterschiede spiegeln sich auch in der Kleidung wider, beispielsweise bei den Kopfbedeckungen. Und auch Jacken und Mieder waren von Region zu Region, manchmal sogar von Ort zu Ort, anders geschnitten.
Nichts zu tun hat das fränkische Gewand mit dem typischen Dirndl und der Lederhose der oberbayerischen Gebirgstracht. Und schon gar nichts mit den tief dekolltierten, quitschfarbenen Dirndln und dem Pseudo-Holzfällerlook für Oktoberfestpartys. Miederkleid, Schürze, Schultertuch und eine Kopfbedeckung, meist eine Haube oder aber ein Kopftuch, sind im Fränkischen beheimatet. Doch was Farb- und Musterauswahl sowie zusätzliche Ausschmückungen betrifft, herrscht große Vielfalt. Auf den Nassacher Fotos krönt fast jeden Frauenkopf eine Bänderhaube. Aus verschiedenen Häusern im Ort wurden Meierott sechs Exemplare dieser Kopfbedeckung für die Ausstellung zur Verfügung gestellt.
Schon vor wenigen Jahren tauchte bei einer ersten Suchaktion der Mitglieder des Frauenvereins ein ganz besonderer Kopfschmuck auf. Im Hause Schwappacher, in der Torstraße, fanden sich zwei alte Brautkronen. Die sogenannte „Flitterleskrone“ ist ein hohes Gebilde aus Silberdraht, an dem unzählige schillernde Messingplättchen, Glasperlen und kleine künstliche Blüten beweglich aufgehängt sind.
Der Stil der Tracht und der Brautkronen sei vermutlich vom Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha beeinflusst, zu dem Nassach als Exklave des Amtes Königsberg gehörte, sagt Meierott. Die beiden Nassacher Brautkronen wurden im Rahmen einer Sonderausstellung im Bauernmuseum Bamberger Land in Frensdorf gezeigt. „Dank der datierten Hutschachtel weiß man, dass die eine Krone aus dem Jahr 1858 stammt.“
Doch zu den meisten Funden und damit verbundenen Traditionen gebe es kein Wissen mehr, bedauert Meierott. Rat zu ihren Objekten holt sich die 76-Jährige an kompetenter Stelle bei Birgit Jauernig, Leiterin des Bauernmuseums und Trachtenberaterin beim Regierungsbezirkes Oberfranken. „Ich bin gespannt, was sie zum Alter und Verwendungszweck von diesem Mieder weiß“, zeigt Meierott eine samtene Weste mit großem Kragen.
Die Tracht stärkt das Wir-Gefühl im Dorf
Eine Tracht stärke das Wir-Gefühl im Dorf und eine die Menschen, ist Meierott überzeugt. „Aber man muss sich an ortsgebundenen Vorbildern orientieren. Das macht die Individualität eines Dorfes aus.“ Bei einer einheitlichen Tracht für alle in einem großen Gebiet gehe die Identität verloren.
Die gesamte Sammlung zeigt die Ausstellung in der Pfarrscheune, geöffnet am Samstag, 18. und Sonntag, 19. November, jeweils vom 10 bis 18 Uhr. Ausstellungseröffnung mit Vortrag von Jutta Meierott am Freitag, 17. November, 19 Uhr.