
Es ist eine dunkle Zeitreise zurück ins Jahr 1617, die Besucherinnen und Besucher im Dokumentationszentrum Hexenturm in Zeil seit vergangenem Donnerstag erleben können. Seit kurzem gibt es dort ein Hörspiel, das über das Schicksal von Rochus Hofmann und seinen beiden Töchtern berichtet. Hofmann wurde damals bezichtigt, eine Hexe zu sein, und landete zusammen mit seinen Töchtern auf dem Scheiterhaufen. Fünf Szenen seines Lebensweges wurden nun auf die Räume und Themenbereiche des Museums abgestimmt. Sie lassen sich mit dem Handy zielgerecht anhören.
"Stellen Sie sich vor, sie leben hier in Zeil, im frühen 17. Jahrhundert", sagt Monika Schraut, verantwortlich für Idee, Organisation, Gestaltung und den Text des Projekts. Rochus Hofmann hat zwei Töchter, Margareta und Kunigunda. Die Familie ist gesellschaftlich anerkannt. Rochus verdient sein Geld mit Waldarbeit, die Töchter führen ihm den Haushalt. Ihr Leben verläuft unbeschwert, bis Rochus bezichtigt wird, eine Hexe zu sein, erklärt sie. Drei andere Personen haben seinen Namen in der peinlichen Befragung, also einer Befragung unter Pein, genannt.

Die nun folgende Folter war so grausam, dass Rochus alles tat, um dem ein Ende herbeizuführen. Er "gestand" Hexe zu sein, und auch, dass auch seine beiden Töchter dem einschlägigen Tanz beigewohnt hätten, berichtet Schraut. Es folgte der Befehl an den Stadtschreiber: "Seine sämtlichen Güter werden eingezogen und zugunsten ihrer fürstlichen Gnaden von Bamberg verkauft. Bis zur Vollstreckung der Todesstrafe durch Brannt: Ab ins Loch".
Ein verhängnisvolles Schicksal
Mehrere Rädchen, erklärt Schraut, griffen bei dem Schicksalsweg dieser drei Personen verhängnisvoll ineinander. Eine obrigkeitsgläubige Bevölkerung, eine korrupte Juristerei und ein politischer Nährboden, der dem Irrsinn den Weg ebnete. Bevor die Familie den Tod auf dem Scheiterhaufen fand, hinterließ Rochus seine Initialen in der Sandsteinmauer des Turms. Unfern davon stehen im Stein die Buchstaben JHS (Jesus Heiland Seligmacher) und das Jahr 1617.

"Damit", erklärt Monika Schraut, die die Idee hierzu hatte und auch für den Text verantwortlich zeichnet, "können wir aus einem Namen eine Persönlichkeit werden lassen, deren Schicksal uns auch heute noch emotional berührt." Denn es sei zeitlos und könne daher jederzeit und überall, wenn auch unter geänderten Vorzeichen, so geschehen.
Denn: Geschichte wiederholt sich. Schraut gehe es nicht nur darum, aus der Geschichte zu lernen – sondern auch, daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Das Hörspiel sei ein Medium, welches mehrere Sinne anspricht und sich daher eignet, über das emotionale Mitfühlen individuelle Verhaltensmuster zu prägen.
Lernen aus der Geschichte: Toleranz versus Ausgrenzung
Der Zeiler Hexenturm zeigt aber nicht nur die lokale Spurensuche der Vergangenheit, sondern verfolgt laut eigenen Angaben auch ein pädagogisches Programm: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Ausgrenzung und ihren Mechanismen, die auch heute noch vergleichbar ablaufen. "Wie funktioniert Ausgrenzung, welche Folgen hat sie und wie kann man ihr begegnen?", heißt es beispielsweise auf der Webseite des Dokuzentrums.

Im Dokuzentrum werden deshalb Ideen für einen Alltag mit mehr Toleranz, Akzeptanz und Weltoffenheit erarbeitet. Erfolgsdokument dafür sind die Einträge, die in der "Box der Menschlichkeit" gesammelt werden. Hier finden sich Aufschriebe mit den Gedanken und Erkenntnissen von Besucherinnen und Besuchern, wie beispielsweise: "Im Namen der Toleranz sollten wir das Recht beanspruchen, die Intoleranz nicht zu tolerieren."
Zeit für eine Wende
"Zeil ist überall", könnte eine weitere Erkenntnis des Museums im Hexenturm sein. Und "Zeil ist jederzeit", ergänzt der Zeiler Altbürgermeister Christoph Winkler, einer der Sprecher des Hörspiels, sinngemäß. Mit genügend Verstand ließe sich eine Wende herbeiführen. "Zeil war ein Impuls für ein Leben in einer besseren Welt", könnte dann eine rückblickende Erkenntnis zukünftiger Generationen sein. Dies zumindest erhoffen sich die Macherinnen und Macher des Hörspiels, die viel Herzblut in das Projekt gesteckt haben.
"Gekostet hat es eine Menge Zeit, viel Geist, schöne Stunden und kein Geld" erklärt Monika Schraut stolz. In dem dreißigminütigen Hörspiel spricht sie die Rahmenerzählung. Weiterhin als Sprecherinnen und Sprecher beteiligten sich Johanna Winkelmann, Petra Hohenberger, Detlef Winkelmann, Christoph Winkler, Torsten Pickel und Thomas Reitelbach. Reitelbach kümmerte sich außerdem um den technischen Support, die historischen Recherchen oblagen dem Heimatforscher Alois Umlauf. Die Musik stammt von Steffi Zachmeier mit der Gruppe "Fränkische Straßenmusikanten".