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BIRKENFELD
Schaf gerissen: War's das Werk eines hungrigen Wolfs?
Verdacht: Im Birkenfelder Schlosspark lag ein gerissenes Schaf im Gras. Für die Besitzerin war der Täter ein Wolf. Die Polizei spricht von einem streunenden Hund. Jetzt untersucht das Landesamt für Umwelt den Fall.
Das zweite Kamerun-Schaf im Schlosspark hat den nächtlichen Vorfall unbeschadet überstanden.
Foto: Michael Mößlein | Das zweite Kamerun-Schaf im Schlosspark hat den nächtlichen Vorfall unbeschadet überstanden.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 29.02.2024 15:30 Uhr

Hat ein Wolf im Landkreis Haßberge eine erste blutige Spur hinterlassen? Mirjam Gräfin zu Ortenburg ist davon überzeugt. Eines ihrer beiden Kamerun-Schafe lag vergangenen Freitag, 22. September, morgens tot im Park hinter ihrem Schloss in Birkenfeld.

An dem übel zugerichteten Kadaver erkannte sie Bissspuren, die in ihren Augen deutlich auf einen Wolf verweisen. Sie hat den Vorfall sofort der Polizeiinspektion (PI) Ebern gemeldet. Doch dort, so hat sie das Gefühl, wollte man von einem möglichen Wolf einfach nichts wissen.

„Ich habe lange in Afrika gelebt und kenne die Spuren, die Tiere bei ihren Opfern hinterlassen, wenn sie diese töten“, sagt zu Ortenburg. Die Bisse, die sie an ihrem gerissenen Schaf entdeckt hat, ließen auf eine Kiefer-Spannweite von gut 20 Zentimeter rückschließen, sie umfassten den kompletten Hals. Am Genick des Schafes war zu erkennen, wo zwei dolchartige Zähne sich in den Körper gebohrt haben. Den schrecklichsten Anblick bot der Rumpf des Schafes: Dieser lag aufgeklappt im Gras, die Eingeweide fehlten.

Massive Bissspuren sprechen für Wolf

Tatort des nächtlichen Geschehens war der grasbewachsene Park, direkt hinter dem Schloss, keine 40 Meter vom Schloss entfernt. Dieses begrenzt den Park auf einer Seite. Zur vorbeiführenden Straße Richtung Ermershausen hin ist ein Zaun, ein weiterer steht am anderen Ende des Parks, dem Schloss gegenüber. Zum Osten hin, wo Felder und Wald liegen, ist kein Zaun, sondern ein Bach. Von dort, vermutet die Besitzerin, dürfte der Eindringling in den Park gelangt sein.

Mieter, die im Schloss wohnen, hatten den Kadaver des Schafes morgens im Park gesehen. Eine Mitarbeiterin der Schlossherrin schaute nach und entdeckte das getötete Tier.

Zu Ortenburg informierte gleich die PI Ebern. Diese schickte eine Streife. Die beiden Beamten fotografierten den Kadaver und nahmen den Fall auf, berichtet die Besitzerin des Schafs. Vor Ort sollen die Polizisten die Vermutung geäußert haben, dass wohl ein streunender Hund, oder eventuell ein Luchs oder Marter, das Schaf getötet hat. Zu Ortenburg kann diese Vermutungen nicht nachvollziehen. Die massiven Bissspuren sprechen für sie für einen Wolf als Täter.

"Es gibt keine Hinweise auf Wölfe"

Siegbert Weinkauf, stellvertretender Leiter der PI Ebern, ist da anderer Meinung. Die Polizei gehe davon aus, dass ein streunender Hund das Schaf gerissen hat. Entsprechend beließ es die Polizei bei einem „hausinternen Vermerk“, ohne dass der Fall einer anderen Behörde weitergemeldet wurde. Warum die Polizei sich in diesem Fall sicher ist, dass es sich um keinen Wolf handelt, begründet er wie folgt: „Es gibt bis dato keine Hinweise auf Wölfe bei uns.“ Jäger oder Förster müssten als Erste Spuren von Wölfen entdecken – und dies würde der Polizei auf jeden Fall bekannt, meint der stellvertretende PI-Leiter.

Mirjam Gräfin zu Ortenburg steht im Park hinter dem Schloss in Birkenfeld an der Stelle, an der am 22. September morgens ein mutmaßlich von einem Wolf gerissenes Schaf lag.
Foto: Michael Mößlein | Mirjam Gräfin zu Ortenburg steht im Park hinter dem Schloss in Birkenfeld an der Stelle, an der am 22. September morgens ein mutmaßlich von einem Wolf gerissenes Schaf lag.

Ob im Birkenfelder Schlosspark ein Wolf zugeschlagen hat, oder nicht, lässt sich zweifelsfrei womöglich nie bestimmen. Denn den Kadaver des Schafs hat die Besitzerin mittlerweile auf Anraten der Polizei entsorgt. Die Möglichkeit, dass ein Fachmann die Bisswunden begutachtet, oder Speichelreste genetisch untersuchen lässt, ist damit zunichtegemacht.

Bislang, so berichtet Winfried Seufert vom Sachgebiet Naturschutz und Wasserrecht am Landratsamt Haßberge, gab es im Haßbergkreis keine offiziellen Wolfssichtungen. Für ihn stellt sich allerdings nicht die Frage, ob in den Haßbergen oder im Steigerwald irgendwann einmal ein Wolf gesichtet wird, sondern es gehe allein um die Frage, wann dies soweit ist. Dass ein Wolf tatsächlich so nahe an eine menschliche Siedlung herankommt, wie es in Birkenfeld der Fall wäre, hält Seufert für nicht sehr wahrscheinlich.

Fachmänner nötig 

Um die Frage „Wolf oder Hund“ sicher zu beurteilen, ist laut Seufert das Grundwissen eines Fachmanns nötig. Ob dazu die Fotos des Kadavers, die die Polizei gemacht hat, ausreichen, bezweifelt Seufert. Deshalb bedauert er, dass der Schafskadaver nicht mehr vorhanden ist.

Wenn es um Vorfälle mit sogenannten großen Beutegreifern – Wolf, Luchs, Bär – geht, ist das Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg die zuständige Behörde im Freistaat, die sich im Fall von betroffenen Nutztieren auch um die Schadensregulierung kümmert.

Das LfU rät betroffenen Besitzern auf seiner Webseite im Internet, bei Verdachtsfällen das zuständige Landratsamt oder die Polizei zu verständigen, oder sich direkt ans LfU zu wenden. Insoweit hat die Schafbesitzerin in Birkenfeld richtig gehandelt, indem sie die Polizei informiert hat.

Die Polizei verständige das LfU überlicherweise, wenn ein Wolfsverdacht auftaucht, ist dazu aber nicht verpflichtet, erklärt eine Sprecherin des LfU auf Nachfrage dieser Redaktion. Im Fall Birkenfeld hat die Polizei dem LfU nicht Bescheid gegeben, doch sei der Fall dort dennoch bekannt und werde geprüft, so die Sprecherin weiter. Normalerweise schickt das LfU Experten auch vor Ort, um nachzuforschen. Doch ohne Kadaver dürfte sich dies in diesem Fall schwierig gestalten.

Das LfU veröffentlicht im Internet in einem Monitoring die Orte, an denen Wölfe in Bayern gesichtet wurden, in drei Kategorien: C1 umfasst die Fälle von harten Nachweisen, wenn Wölfe lebend gefangen oder tot gefunden wurden oder genetische Nachweise vorliegen.

Kategorie C2 sind bestätigte Hinweise, etwa wenn erfahrene Personen Ereignisse wie Risse oder Spuren bestätigen. C3 umfasst unbestätigte Hinweise, die sich nicht prüfen lassen.

Erste Wolfsrudel erwartet

Nach Angaben des LfU gab es in diesem Jahr in Bayern bereits 14 C1-Sichtungen von streunenden Wölfen, zuletzt Anfang August in Neumarkt in der Oberpfalz und Mitte Juli bei Bayreuth. Im Juni gab es im Spessart bestätigte Sichtungen. Auch im Raum Gerolzhofen soll es im Frühjahr Sichtungen gegeben haben, die das LfU allerdings nicht aufführt. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der gesicherten C1-Sichtungen bei fünf, im Jahr 2015 bei vier, 2014 bei drei und 2011 bei zwei. Die Tendenz geht also eindeutig nach oben, bestätigt eine Sprecherin des LfU.

Das Auftreten von Wölfen ist laut des Experten Ulrich Wotschikowsky „nicht aufzuhalten“ und „nicht überraschend“. Aktuell handle es sich bei den Wolfssichtungen in Unterfranken wohl um einzelne, doch in fünf Jahren erwarte er erste Wolfsrudel, etwa im Spessart oder im Steigerwald, erklärte er im Sommer in einem Interview mit der Main-Post.

In Birkenfeld habe die Nachricht vom möglichen Riss des Schafes durch einen Wolf schnell die Runde gemacht, berichtet zu Ortenburg, die weit davon entfernt ist, wegen des Vorfalls in Panik zu verfallen. Es gehe ihr nur darum, klarzustellen, dass es höchstwahrscheinlich ein Wolf war, der sich nachts in ihren Park geschlichen hat – und eben kein streunender Hund, schon deshalb nicht, weil sie selbst drei große Hunde auf dem Grundstück hat, die seit dem Vorfall laut ihrer Besitzerin verschüchtert sind. Kreisförmige Laufspuren im Gras sind für sie weitere Indizien für ihre These vom Wolf, ebenso die Aussage eines Mitarbeiters, der aus seiner Heimat Polen Wolfsspuren kennt und sich in diesem Fall sofort sicher gewesen sei: Das war ein Wolf!

Wölfe können problemlos 50 bis 70 Kilometer pro Tag zurücklegen, bestätigt die Sprecherin des LfU. Die Tiere gelten aber als scheu und meiden Menschen. Wer einem Wolf dennoch begegnet, braucht keine Angst zu haben, sollte aber ein paar Regeln einhalten (siehe Infobox).

 

Was tun bei einer Begegnung mit einem Wolf?

Der Wolf reagiert auf den Anblick von Menschen vorsichtig, aber er ergreift nicht immer sofort die Flucht. Oft zieht sich das Tier langsam und gelassen zurück. Falls es doch zu einer Begegnung kommt, rät das Landesamt für Umwelt dazu, folgende Regeln zu beachten:

• Haben Sie Respekt vor dem Tier.

• Laufen Sie nicht weg. Wenn Sie mehr Abstand möchten, ziehen Sie sich langsam zurück.

• Falls Sie einen Hund dabei haben, sollten Sie diesen in jedem Fall anleinen und nahe bei sich behalten. • Wenn Ihnen der Wolf zu nahe erscheint, machen Sie auf sich aufmerksam. Sprechen Sie laut, gestikulieren Sie oder machen Sie sich anderweitig deutlich bemerkbar.

• Laufen Sie dem Wolf auf keinen Fall hinterher.

• Füttern Sie niemals Wölfe – die Tiere lernen sonst sehr schnell, menschliche Anwesenheit mit Futter zu verbinden und suchen dann eventuell aktiv die Nähe von Menschen. Quelle: LfU

 
 
 
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