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KREIS HASSBERGE
Rezepte gegen den erwarteten Ärztemangel
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:59 Uhr

Seit gut einem Jahr ist der Landkreis Haßberge eine von 33 „Gesundheitsregionen plus“ in Bayern. Quasi zum Geburtstagsbesuch kam am Mittwochabend die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml nach Haßfurt, zum Gesundheitsforum im Landratsamt. Sie lobte die Mitwirkenden der Gesundheitsregion als „sehr rührig“.

Es mangelt nicht an Ideen

Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml beim Zukunftsforum der „Gesundheitsregion plus“ in Haßfurt.
Foto: Michael Mößlein | Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml beim Zukunftsforum der „Gesundheitsregion plus“ in Haßfurt.

Das Treffen von Verantwortlichen in der medizinischen Versorgung im Haßbergkreis machte jedoch deutlich, dass viel Arbeit ansteht, um die Gesundheitsversorgung, -vorsorge und Pflege in der Region längerfristig sicherzustellen. Immerhin wurde deutlich: Gute Ideen und guter Wille sind vorhanden.

Die Einzelkämpfer sterben aus

Der Abend zeigte an vielen Stellen, was Landrat Wilhelm Schneider eingangs feststellte: Wer sich Gedanken zur künftigen ärztlichen Versorgung macht, muss sich vom überholten Bild des rund um die Uhr als Einzelkämpfer auftretenden Landarztes schnellstmöglich verabschieden. Der Wunsch nach mehr Teamarbeit in den Praxen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Teilzeitmodelle und die Arbeit als angestellter Arzt, der keine eigene Praxis führt, sind längst bei den Haus- und Fachärzten angekommen.

Es geht um Vernetzung

Insoweit gewinnt die Vernetzung von Ärzten in einer Region und deren Austausch an Bedeutung – ein Kerngedanke des Modells „Gesundheitsregion plus“. Landkreise, die hier gute Ideen umsetzen, haben Wettbewerbsvorteile im Ringen um den ärztlichen Nachwuchs. So weit die Theorie.

Stipendien und Zuschüsse zur Niederlassung

In der Praxis versucht die Staatsregierung, die Ansiedlung von Haus- und Fachärzten in Regionen, in denen diese fehlen – oder Engpässe zu erwarten sind –, mit Geld schmackhaft zu machen. So können Studenten, die später als Allgemeinmediziner im ländlichen Raum arbeiten möchten, per Stipendium 300 Euro pro Monat erhalten, berichtete Ministerin Huml. Die Niederlassung von Ärzten in unterversorgten Gemeinden bis 20 000 Einwohnern fördert neben dem Freistaat Bayern auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), mit insgesamt bis zu 132 500 Euro.

Bereich Ebern gilt als überversorgt

Laut Dr. Christian Pfeiffer von der KVB erhielten Ärzte im Planungsbereich Haßfurt seit dem Jahr 2014 326 000 Euro. Damit wurden drei Niederlassungen, vier Praxisfortführungen sowie eine Anstellung eines Arztes gefördert. Der Planungsbereich Haßfurt (Riedbach, Königsberg, Zeil, Ebelsbach und der Landkreis südlich dieser Städte und Gemeinden) gilt mit einem Versorgungsgrad von 98,5 Prozent bei den Hausärzten als ein Bereich mit einer „drohenden Unterversorgung“, was eine Förderung möglich macht. Der Planungsbereich Ebern (Aidhausen, Hofheim, Burgpreppach, Ebern, Kirchlauter, Breitbrunn und die Städte und Gemeinden nördlich davon) wird mit einem Grad von 126,5 Prozent dagegen als hausärztlich „überversorgt“ geführt.

Hautarzt dringend gesucht

Bei den Fachärzten fehlt laut KVB im Landkreis Haßberge dringend ein Hautarzt (Versorgungsgrad: 48,5 Prozent). In Arztsitzen ausgedrückt gibt es hier 1,5 freie Sitze. 2,5 freie Sitze sind es bei den ärztlichen Psychotherapeuten, berichtete Dr. Hildgund Berneburg von der KVB.

Diese für sich genommen nicht besorgniserregenden Zahlen sagen nichts über die Altersstruktur aus. Zieht man diese heran, um die in wenigen Jahren zu erwartende ärztliche Versorgung zu bewerten, sieht die Lage anders aus: Im Haßbergkreis sind rund 60 Prozent der Hausärzte 55 Jahre oder älter, rund 40 Prozent davon sind 60 plus. Bayernweit hat laut Huml jeder dritte Hausarzt die 60 überschritten.

Es zählt nicht nur die Abi-Note

Deshalb setze Bayern darauf, der Allgemeinmedizin als Disziplin im Medizin-Studium mehr Gewicht zu verleihen. Zum einen habe Bayern die Zahl der Medizin-Studienplätze erweitert und möchte Abiturienten den Zugang erleichtern, indem neben der Abi-Note soziale Kompetenzen stärker bei der Auswahl der Studienplatzbewerber berücksichtigt werden.

Bonus für Allgemeinmediziner

Zudem werde laut der Gesundheitsministerin geprüft, inwieweit es möglich ist, eine gewisse Zahl von Medizin-Studienplätzen für Studenten zu reservieren, die später auf jeden Fall als Allgemeinmediziner arbeiten werden.

Und der Freistaat verfolge weiter das Ziel an der Uni Würzburg einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin zu installieren – als vierten in Bayern –, doch dies gestalte sich schwierig, meinte sie an die Adresse von Christian Pfeiffer gerichtet, der als unterfränkischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands die Ministerin aufgefordert hatte, diese Sache mit mehr Nachdruck zu verfolgen.

Zahl der angehenden Allgemeinmediziner steigt

Nicht zuletzt die im Vergleich zu Kliniken flexibleren Arbeitszeiten

als selbstständiger oder angestellter Hausarzt haben laut Dr. Thomas Ewert vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit dafür gesorgt, dass die Zahl der Medizinstudenten, die später als Allgemeinmediziner arbeiten möchten, in den vergangenen Jahren gestiegen ist.

Ehepaar Fritzenkötter bereut Prxisgründung nicht

Dr. Carolin Fritzenkötter (38) ist eine Ärztin, die ihren Job an einer Klinik aufgegeben hat, um auf dem flachen Land zu arbeiten. Mit ihrem Mann, Dr. Matthias Fritzenkötter, hat sie vor zweieinhalb Jahren die Hausarztpraxis von Dr. Leo Memmel in Haßfurt übernommen. Dank der Förderungen hätten sie „nahezu schuldenfrei“ mit der eigenen Praxis starten können, berichtete sie den Anwesenden. Die bürokratischen Hürden des LGL hierzu seien gering gewesen – im Gegensatz zu Anforderungen der Bayerischen Landesärztekammer.

Auf dem Land ist der Arzt noch wer

Wünschenswert wären aus ihrer Sicht mehr kommunale Hilfen für Ärzte, beispielsweise bei der Suche und Bereitstellung geeigneter Praxisräume mit ausreichend Parkplätzen. Vorzüge sind für sie als Hausärztin und Mutter dreier kleiner Kinder die relativ frei einzuteilenden Arbeitszeiten in der Praxis im Gegensatz zu einer Klinik-Stelle, der Wegfall von Nachtschichten und die Möglichkeit, viel Büroarbeit von zuhause aus zu erledigen. Und noch etwas trägt für sie zum Wohlgefühl bei: „Auf dem Land genießt der Arzt noch Ansehen.“

Wunsch an die Kommunalpolitik

In vier Arbeitsgruppen sammelten die Teilnehmer des Zukunftsforums Lösungsansätze und analysierten Stärken und Schwächen des Landkreises, die Tina Lenhart als Geschäftsstellenleiterin der „Gesundheitsregion plus“ weiterverfolgen kann. So wurde an die Adresse der Kommunalpolitik der Wunsch geäußert, Ärzten, die sich niederlassen möchten, neben einer guten Infrastruktur (Nahverkehrsanbindungen, Kinderbetreuung, Praxisräume), ein Willkommensgefühl zu vermitteln.

Ausbildungsprogramm für angehende Mediziner

Um Nachwuchsmediziner zu gewinnen, könnte das Haßfurter Krankenhaus zum Lehrkrankenhaus werden und der Haßbergkreis könnte bei Abiturienten und Medizinstudenten für den Job als Hausarzt in der Region werben, lauteten weitere Vorschläge. Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser könnten bei Ausbildungsangeboten für angehende Mediziner zusammenarbeiten und beispielsweise komplette Programm-Pakete anbieten – ein Projekt, an dessen Umsetzung mehrere Ärzte aus dem Landkreis mitarbeiten möchten.

 
 
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