Warum hat ein 53-Jähriger in Unterschleichach (Lkr. Haßberge) am Neujahrsmorgen 2016 mit einer Waffe geschossen und dabei die elfjährige Janina tödlich am Kopf getroffen? Wer gehofft hatte, der von großem Medieninteresse begleitete erste Verhandlungstag am Montag vor dem Landgericht Bamberg würde diese Frage klären, wurde enttäuscht. Der Angeklagte, dem die Staatsanwaltschaft Mord vorwirft, antwortete nur mehrmals: „Weiß ich nicht.“
Oberstaatsanwalt Otto Heyder nahm ihm dies nicht ab und appellierte an ihn, dazu beizutragen, die Tat komplett aufzuklären. Vergebens. Da half auch der Hinweis des Vorsitzenden Richters der zweiten Strafkammer des Schwurgerichts, Manfred Schmidt, nichts, der deutlich machte, dass im Saal Angehörige sitzen – darunter als Nebenkläger Janinas Eltern, „die sehr gelitten haben“ und wissen möchten, weshalb das Kind sterben musste.
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Drei, vier Mal „in Richtung Wald“
So bleibt als Erklärungsansatz nur der Vorwurf aus der Anklage, wonach der 53-Jährige aus Frust über seine Lebenssituation geschossen hat, weil er unter Krankheiten und unter der Trennung von seinem jugendlichen Sohn litt, der bei seiner Mutter lebt, die sich vor mehreren Jahren vom Angeklagten getrennt hat. Dies, und der Ärger über den Lärm der Silvesterböller, hat den Mann laut Staatsanwaltschaft veranlasst, gegen 1 Uhr in den Keller zu gehen, aus einem Waffenschrank einen Kleinkaliberrevolver zu nehmen, diesen zu laden, um versteckt vom Garten aus gezielt auf eine Gruppe von zwei Frauen und vier Kindern auf der Straße vor seinem Anwesen zu schießen.
Der 53-Jährige, der als Kraftfahrer bei der Justizvollzugsanstalt Ebrach (Lkr. Bamberg) arbeitete und dort am 13. Januar festgenommen wurde, bestreitet in einer von seinem Pflichtverteidiger Thomas Drehsen (Bamberg) verlesenen Erklärung, bewusst auf Menschen geschossen zu haben. Er habe drei, vier Mal „in Richtung Wald“ abgedrückt. Sein Mandant bedauere zutiefst, was geschehen ist, erklärte der Rechtsanwalt. Er warf ein, der 53-Jährige könnte die Tat womöglich psychisch verdrängen. Bekannt wurde während der Verhandlung, dass der Mann seit drei Jahren wegen Depressionen psychiatrisch behandelt wird und Schmerzmedikamente, Schlafmittel und Antidepressiva einnimmt.
Falls der Angeklagte zugeben würde, aus Wut geschossen zu haben, dann sei dies nachvollziehbar, sagte Richter Schmidt. Schüsse in den Wald wären dagegen völlig sinnlos gewesen. Vor und nach der Tat attestierte der Richter dem Angeklagten rationale Handlungen. So ölte er den Revolver gleich im Anschluss, legte ihn zurück in den Waffenschrank und ließ die Hülsen von fünf abgefeuerten Patronen im Aschekasten seines Holzofens verschwinden, wo Polizisten sie erst nach seinem Geständnis fanden.
Fünf Verhandlungstage vor Weihnachten
Auf die Spur waren die Ermittler dem Angeklagten nur gekommen, weil Zeugen gesehen hatten, wie sich in der Tatnacht ein Rollo am Haus des Angeklagten bewegt hatte. Dieser hatte jedoch ausgesagt, dass er den Jahreswechsel auf dem Sofa komplett verschlafen hätte und erst vormittags aufwachte, als die Polizei klingelte. Dieser Widerspruch sowie der frisch geölte Revolver, den Polizisten wie alle übrigen registrierten Schusswaffen im Ort eingesammelt hatten, führten zu seiner Festnahme.
Wie belastend der Prozess für die Eltern Janinas sein muss, zeigte das Abspielen des aufgenommenen Notrufs aus der Nacht während der Verhandlung. Die Eltern verließen hierzu den Saal. Die Anwesenden hörten, wie verzweifelt Zeugen und Ersthelfer um das Leben der Elfjährigen kämpften. Dass das Mädchen Opfer eines womöglich gezielten Schusses wurde, ahnte da kein Beteiligter. Dies versicherten alle gehörten Zeugen.
An fünf Verhandlungstagen möchte das Gericht vor Weihnachten sieben Sachverständige und 27 Zeugen vernehmen. Das Urteil könnte am 22. Dezember fallen.