Die Erinnerung an die jüdische Geschichte der eigenen Heimat ist gerade im Landkreis Haßberge sehr lebendig: Vorträge, Projekte und zahlreiche Orte der Erinnerung weisen auf jüdische Familien, ihren Glauben und ihre Kultur hin. Bemerkenswert ist, dass nun gleich zwei Schülerprojekte aus dem Kreis mit dem Simon-Snopkowski-Preis ausgezeichnet wurden – einem Preis, den die Gesellschaft für jüdische Kultur und Tradition alle zwei Jahre vergibt.
Wichtige Persönlichkeiten
„Es war sehr aufregend“, erzählt Daniel Heß. „Und wir haben sehr wichtige Persönlichkeiten kennengelernt.“ Heß ist Lehrer für Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Ethik am Friedrich-Rückert-Gymnasium in Ebern. 16 Schüler waren in seinem Projektseminar im Fach Geschichte. Gemeinsam gestalteten sie die Wanderausstellung „Vergissmeinnicht – Das Schicksal von jüdischen Kindern aus den ehemaligen Landkreisen Haßfurt, Hofheim und Ebern in der Zeit des Nationalsozialismus“, die mittlerweile sogar schon in den USA und in Portugal zu sehen war.
Acht Schüler begleiteten Heß am Donnerstag zur Preisverleihung nach München. Im prächtigen Cuvilliés-Theater, konnten sie ihren 2. Preis entgegennehmen. Die Laudatio auf sie hielt Professor Michael Brenner, Inhaber des Lehrstuhls für jüdische Geschichte und Kultur an der LMU München.
Mit dem Simon-Snopkowski-Preis werden Projektarbeiten honoriert, „die sich der Erforschung der jüdischen Geschichte und des Holocaust vor allem in Bayern widmen“, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem bayerischen Kultusministerium. Benannt ist der Preis nach dem 2001 verstorbenen Arzt und Holocaust-Überlebenden Simon Snopkowski, dessen Eltern und Geschwister in der Nazi-Zeit ermordet worden waren. Später war er Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und gehörte als Spitzenvertreter der Juden im Freistaat dem Bayerischen Senat an.
Zwei Preisträger aus einem Kreis
Dass bei drei Preisen sowie einem Sonderpreis und einem Ehrenpreis, die bayernweit vergeben werden, gleich zwei der ausgezeichneten Projekte aus dem Landkreis Haßberge stammen, spricht für eine intensive Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte in dieser Region: Das Haßfurter Regiomontanus-Gymnasium erhielt den 1. Preis für das internationale Projekt zur jüdischen Geschichte Europas „Local traces of Jewish life in Europe“. In diesem erforschten 100 Schüler aus fünf verschiedenen europäischen Ländern zusammen mit ihren Lehrern die jüdische Geschichte und Kultur. Beteiligt waren neben den deutschen Jugendlichen auch Schüler aus Griechenland, Portugal, Rumänien und Polen. Laudator für die Preisträger war der Sohn des Ehepaars Snopkowski.
Ebenfalls ausgezeichnet wurde das Gabrieli-Gymnasium Eichstätt für die Ausstellung „Hoffnung – Das Erbe von Emilie und Oskar Schindler“. Der Sonderpreis ging an das Gymnasium Höchstadt an der Aisch für sieben Seminararbeiten zum Thema „Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart“, den Ehrenpreis erhielt der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck „für seine herausragenden Verdienste um die konsequente Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und für seinen Einsatz für die stetige Erinnerung an deren Opfer“. In seiner Dankesrede ging er auch auf die jungen Leute ein, die zusammen mit ihm geehrt wurden, berichtet der Eberner Lehrer Rudolf Hein, der seinen Kollegen Daniel Heß zu der Preisverleihung begleitete. Gauck bezeichnete die Schüler als „Signal der Ermutigung“. Die Deutschen könnten ja eines besonders gut, nämlich „ängstlich aus der Wäsche gucken“, zitiert Hein das frühere Staatsoberhaupt. Weiter habe Gauck aufgefordert, sich von den Preisträgern anregen zu lassen, „die mit großer Intensität“ sich nicht gefürchtet haben, die Augen für Schicksale zu öffnen, die uns eigentlich Angst machen müssten“.
Joachim Gauck nahm sich viel Zeit
Gerade an das Zusammentreffen mit Gauck beim anschließenden Empfang hat Daniel Heß besonders gute Erinnerungen. „Er hat sich viel Zeit genommen“, erzählt der Eberner Lehrer. Ohnehin seien die Schüler und Lehrer bei der Preisverleihung in München sehr leicht mit bedeutenden Persönlichkeiten ins Gespräch gekommen. „Wir mussten nicht auf die Leute zugehen – sie sind auf uns zugegangen“, freut sich Heß im Gespräch mit dieser Redaktion. Das Ambiente bei der Preisverleihung sei toll gewesen, doch das beste sei erst hinterher gekommen: „Die Gespräche waren unglaublich.“ Neben dem ehemaligen Bundespräsidenten Gauck waren es unter anderem Sandra Simovich, die Leiterin des Generalkonsulates des Staates Israel in München, oder Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Auch die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die den Preis 2014 erhalten hatte, war unter den Gästen der Veranstaltung. Daniel Heß sieht es als großen Gewinn, „dass man von ihnen wahrgenommen wird.“ Dabei spreche er auch im Namen seiner Schüler.
Intensive Erfahrungen
Wie intensiv die Erfahrungen waren, die die Schüler in ihren Projekten machten, verdeutlichte die Rede, die der Haßfurter Schüler Andreas Scherbach bei der Preisverleihung hielt: „Vor allem der Besuch von Auschwitz machte mir die schrecklichen Ausmaße der systematischen und grausamen Verfolgung und Ermordung von Juden bewusst. Besonders beeindruckt haben mich im Projekt die Gespräche mit Angehörigen von Holocaustopfern, Überlebenden und Zeitzeugen.“
Die Bedeutung der ausgezeichneten Projekte betonte der bayerische Kultusminister Bernd Sibler in seiner Rede zur Preisverleihung: „Indem sich junge Menschen mit der jüdischen Geschichte und dem Holocaust auseinandersetzen, halten sie die Erinnerung an diese furchtbare Zeit wach. Damit schaffen sie auch die Voraussetzungen, dass derart Schreckliches nicht wieder passieren kann. Sie gestalten unsere Zukunft – mit Mut, Zivilcourage und Toleranz.“