Die Emotionen kochen über in Zeil, aber ausschließlich im positiven Sinne. Nach dem verheerenden Großbrand in der Nacht zum Donnerstag fühlen sehr viele Unbeteiligte mit den geschädigten Familien mit, die alles verloren haben und nur noch die Kleider am Leib trugen als sie von der Feuerwehr Zeil gerettet wurden. Ein Welle der Hilfsbereitschaft machte sich breit.
Als Janina und Thomas Weinhold in der Nacht vom dem Brand erfahren, war beiden sofort klar: "Hier müssen wir helfen!". Zwei Bewohner des Brandhauses sind Gründungsmitglieder im Studio "Mainfitness" der Familie Weinhold. Dort gibt es momentan, bedingt durch die Corona-Zwangsschließung, sehr viel Platz. Deshalb nahm Janina Weinhold bereits beim Frühstück die Zügel in die Hand und gründete spontan eine Facebook-Gruppe "Wir helfen Euch", die aktuell über 800 Mitglieder hat. Fortan koordinierte sie hier die verschiedenen Hilfsangebote der Bevölkerung und stellte das Fitnessstudio als Lagerfläche zur Verfügung.
Damit die Welt am nächsten Morgen etwas besser aussieht
"Wenn die Betroffenen die Augen aufmachen, soll die Welt zumindest etwas freundlicher für sie aussehen", sagte Janina Weinhold. In der Tat war die Hilfe der Zeiler Mitbürger und auch Vieler, die in anderen Orten wohnen, überwältigend. Mit Kleidung sind die neun Hausbewohner inzwischen reichlich ausgestattet, so dass hier nichts mehr benötigt wird.
Auch viele Einrichtungsgegenstände und was man sonst noch so braucht, fanden schon den Weg in das Fitnessstudio in der Telefunkenstraße. So bitten Janina und Thomas Weinhold in der Facebook-Gruppe nur noch um gezielte Sachspenden. Dort wird gepostet, was speziell gebraucht wird, so zum Beispiel ein Laptop für eine Schülerin, die in diesem Jahr ihre Abschlussprüfung hat und damit am Distanzunterricht teilnehmen könnte.
Die Spendenbereitschaft war enorm hoch
Auch sehr viele Geschäftsleute aus Zeil und der Umgebung erklärten spontan ihre Spendenbereitschaft. Einige Gastwirte boten kostenloses Essen und Getränke für die Hausbewohner an. Max Göller von der gleichnamigen Brauerei versprach, durch den "Göller Hilfsfonds" den Familien zu helfen. Außerdem seien viele Einkaufsgutscheine gespendet worden, so dass auch die alltäglichen Dinge im Discounter oder der Drogerie abgedeckt seien. Janina und Thomas Weinhold legten noch eins obendrauf: Für jedes Mitglied, dass ihr Studio hat, spenden der Besitzer und seine Frau einen Euro, wobei hier eine stolze Summe zusammenkam.
Bürgermeister Thomas Stadelmann erlebt das Geschehen der Hilfsaktion mit Freude: "Ich freue mich sehr, dass die Zeiler Bürger so zusammenhalten und auch viele Auswärtige dazu beitragen". Die Stadt Zeil hat den Betroffenen unkomplizierte Hilfe angeboten, wenn etwa ein Transportfahrzeug benötigt wird.
Auf einem Spendenkonto sind schon viele Eingänge zu verzeichnen. "Das Geld wird direkt und gerecht unter den drei Familien aufgeteilt, ohne jede Abzüge", sagt Janina Weinhold, die überwältigt ist von der riesengroßen Anteilnahme.
Wohnzimmerkonzert mit Spendenaufruf
Etwas Besonderes haben sich Marina Pechmann aus Ziegelanger und Nox Hirt aus Neuschleichach einfallen lassen. Die Sängerin und der Keyboarder der bekannten Partyband "Volxxliga" gaben am Samstagnachmittag ein Wohnzimmerkonzert, das live auf Facebook und Instagram übertragen wurde. Hier riefen beide dazu auf, das Spendenkonto zu füllen. Alleine auf Instagram hat der Beitrag knapp 1000 Likes. Zusätzlich startete auch der Chef der Hausbewohnerin im Dachgeschoss eine großangelegte Spendenaktion in seinem Betrieb.
Auch die Freiwillige Feuerwehr Zeil wurde mit Spenden bedacht. Die Besitzerin des Hauses überreichte den Floriansjüngern 200 Euro als Dank für die fantastische Arbeit und eine völlig unbeteiligte Person zusätzlich noch einmal 100 Euro. Für Kommandant Tobias Hetterich war sofort klar: "Es freut uns natürlich, dass wir als Feuerwehr Spenden bekommen. Aber in diesem Fall geben wir die 300 Euro an die Familien weiter, die das Geld noch dringender benötigen als der Feuerwehrverein".
Den Bewohnern standen die Tränen in den Augen
Überwältigt von der vielen Hilfe sind die drei Parteien des Mehrfamilienhauses. Ein Bewohner sprach im Namen aller Mitbewohner in einem Gespräch mit dieser Redaktion seinen herzlichen Dank aus: "Die Tränen stehen uns in den Augen, wenn wir sehen, was die Leute alles für uns auf die Beine gestellt haben. Ich kann kann einfach nur Danke, Danke und nochmals Danke sagen".
In allen drei Wohnungen des Brandhauses waren Haustiere. Die Erdgeschossbewohner konnten ihre Hunde "Boomer" und Candy" gerade noch rechtzeitig ins Freie bringen und brachten sie in einem Auto außerhalb des Gefahrenbereiches unter. Für einige Katzen endete das Feuerdrama leider nicht so glücklich, sie konnten nur noch tot geborgen werden.
Dennoch gibt es auch Positives zu berichten, wie Tobias Hetterich weiß. Seine Mannschaft rettete aus der Wohnung im ersten Obergeschoss lebend eine Katze, im Keller konnten "Jack" und "Mucki" bei bester Gesundheit den Besitzern übergeben werden. Geistesgegenwärtig hat nämlich die Besitzerin ihre beiden Stubentiger in der Brandnacht im Keller untergebracht - in der Hoffnung, dass es dort am sichersten für sie sei.
Massive Schäden am gesamten Gebäude
Das Feuer hatte seinen Ausgangspunkt im Erdgeschoss, berichtet Tobias Hetterich. Von dort aus fraßen sich die Flammen eine Holztreppe im Hausflur hinauf, bis sie schließlich in der obersten Wohnung und im Dachgebälk reichlich Nahrung fanden. Die Wohnung im ersten Obergeschoss war eigentlich vom Feuer selber nicht weiter betroffen, so der Kommandant, aber natürlich gab es auch hier massive Rauchschäden und Wassereinbruch durch die Löscharbeiten.
Ausgestattet mit 28 Pressluftatmern, 40 Lungenautomaten und 43 Vollmasken arbeiteten die verschiedenen Feuerwehren Hand in Hand, lobte der Einsatzleiter. Noch in der Nacht wurden erste leere Atemschutzflaschen zum Atemschutzzentrum nach Knetzgau gefahren, wo sie gewartet und wieder befüllt wurden.
Eine Besonderheit gab es bei der Zeiler Feuerwehr: "Wir hatten drei blutjunge Feuerwehrleute dabei, die ihren ersten Brandeinsatz absolviert haben". Weiter führt Hetterich aus, dass das Trio auf Fahrzeuge verteilt wurde, um mit erfahrenen Kameraden zusammenarbeiten zu können: "Das haben unsere neuen Feuerwehrleute richtig, richtig Klasse gemacht und waren im Nachhinein auch begeistert von der Mannschaft, die kollegial zusammenarbeitet und eine prima Leistung vollbracht hat".
Der erste Einsatz auf der Drehleiter
Einer, der zwar nicht seinen allerersten Einsatz hatte, aber erst seit drei Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr Ebelsbach ist, war Max Benkert. Für den 19-Jährigen war der Zeiler Brand sein erster Ernstfall, bei dem er als Atemschutzträger im Korb der Drehleiter in zwölf Metern Höhe über dem Brandgeschehen schwebte.
Auf der Anfahrt in die Fachwerkstadt wusste Max Benkert noch nicht, was auf ihn zukommen wird. Denn der Ebelsbacher Wehr war nur das Stichwort "Unterstützung bei Wohnhausbrand" bekannt. Vor Ort zeigte sich das ganze Ausmaß und schnell stand fest, dass auch Max Benkert in den Drehleiter-Korb beordert wurde.
Als erfahrener Kamerad gab ihm Dominik Mauer letzte Tipps, bevor es in die Höhe ging. "Ich habe einfach alles außenherum ausgeblendet und mich voll auf meine Arbeit konzentriert", sagte Max Benkert am Tag nach dem Großeinsatz. Hilfreich für den Wirtschaftsinformatiker war der direkte Kontakt zum Drehleiter-Maschinisten Andreas Hoch. Mit Lautsprecher und Mikrofon im Korb konnten so vom Boden aus Hinweise gegeben und das weitere Vorgehen am Dach besprochen werden.
Nach rund 30 Minuten war dann die Atemluft in Benkerts Flasche verbraucht, die er auf dem Rücken trug. Fortan half er dann seinen Feuerwehrkameraden am Boden. Um diese Erfahrung reicher resümiert Max Benkert: "Ich bin begeisterter Feuerwehrler und setze mich gerne zum Wohl der Allgemeinheit ein. Nie würde ich zögern, im Notfall jemanden zu helfen".