
Der Haßfurter CSU-Stadtrat Jürgen Kehrlein erntet für seine jüngsten Aussagen, in denen er vermeintlich die Demokratie in Deutschland infrage stellte, heftige Kritik – nicht nur vom politischen Gegner, sondern auch aus den Reihen der eigenen Partei.
So erklärte der Vorsitzende der Haßfurter CSU, Christian Schneider, am Freitag auf Nachfrage: "Ich werde Jürgen Kehrlein nahelegen, aus der Partei auszutreten. Wer dieses Gedankengut teilt, hat in der CSU nichts verloren", sagt Schneider. Es sei nicht die erste Entgleisung dieser Art gewesen. "Und ich glaube nicht, dass es so dahergeredet war, das ist das Schlimme."
Der Vorfall zeigt, dass ein Bruch droht zwischen der CSU-Stadtratsfraktion und dem Ortsverband der Partei.
Emotionale Debatte in der jüngsten Stadtratssitzung
Christian Schneider bezieht sich mit seiner Kritik auf die vergangene Stadtratssitzung, in der er selbst aber nicht anwesend war. Darin hatte sein Parteikollege die Erteilung der Baugenehmigung für die Haßfurter Flüchtlingsunterkunft durch das Landratsamt und gegen den Willen des Bauausschusses als undemokratisch bezeichnet. Der Zweite Bürgermeister Norbert Geier (WG) konterte daraufhin und erklärte: "Wir sind in einer Demokratie!", was Kehrlein mit einem entschiedenen "Nein!" kommentierte. Schneider erklärt, er habe über anwesende Parteifreunde von dem Vorfall erfahren. Mit Kehrlein gesprochen habe er Stand Freitagmittag noch nicht.
Entsprechend entrüstet reagiert der auf die Forderung seines Parteikollegen. "Ich habe nicht vor, aus der CSU auszutreten", so der 60-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. Über Christian Schneider verliert Jürgen Kehrlein kein gutes Wort. Zitierfähig davon ist nichts.
Gleichzeitig rudert Kehrlein zurück: "Mir tut es leid, dass ich mich missverständlich ausgedrückt habe", relativiert er seine Aussagen aus der jüngsten Sitzung. "Selbstverständlich leben wir hier in einer Demokratie." Kehrlein bleibt bei seiner Kritik an der Flüchtlingspolitik, insbesondere aber am Genehmigungsprozess für die Unterkunft in Haßfurt: Die Abstimmung des Stadtrats sei "sinnlos, wenn unsere Entscheidung am Ende eh keinen Ausschlag gibt", sagt er. "Dieses Affentheater stiehlt mir die Zeit, das hat mich verärgert."
Haßfurter SPD-Chef übt scharfe Kritik auf Instagram und Facebook
Inzwischen hat auch der politische Gegner das Thema für sich entdeckt. So erklärten die Haßfurter Sozialdemokraten am Freitag in einer Stellungnahme: "Wer die Demokratie im Kleinen, wie im Stadtrat, nicht akzeptiert, stellt auch die Demokratie im Großen infrage." Und Stephan Schneider, SPD-Ortsvorsitzender, forderte wohl indirekt so etwas wie den Rücktritt Kehrleins als Volksvertreter: "Wer an der Demokratie zweifelt, hat im Stadtrat von Haßfurt nichts verloren", schrieb er am Donnerstag auf den sozialen Netzwerken Instagram und Facebook.
Doch Jürgen Kehrlein bekommt auch Rückendeckung: Für Volker Ortloff, den Fraktionsvorsitzenden der CSU im Haßfurter Stadtrat, ist die Debatte vor allem politisches Gepolter. Ganz viel Lärm scheint dabei aus der eigenen Partei zu kommen. So wirft Ortloff Christian Schneider "schlechten Stil" vor. "Da nutzt einer die Möglichkeit, einem anderem eine auszuwischen und ihn öffentlich zu düpieren", sagt er. Und das, ohne vorher das Gespräch gesucht zu haben.
Tatsächlich werden in der CSU sowohl Schneider als auch Kehrlein Ambitionen bei der nächsten Haßfurter Bürgermeisterwahl in zwei Jahren nachgesagt. Womöglich hat das innerparteiliche Geschacher um die Kandidatur schon jetzt begonnen.
Gäääähn.