Noch vor einigen Jahrzehnten sahen Wunschzettel zu Weihnachten in vielen Familien recht ähnlich aus: Der Bub wünscht sich eine Eisenbahn, das Mädchen ein Puppenhaus, oder, wenn beides schon vorhanden ist, neues Zubehör dafür. Doch was ist aus diesen Klassikern geworden? Gibt es noch immer Kinder, für die sie unter dem Weihnachtsbaum liegen, oder sind Eisenbahnen und Puppenhäuser nur noch etwas für Sammler und Liebhaber?
"Der Markt ist breiter geworden", sagt Georg Hofmann. "Früher hat es noch nicht die beliebten Alternativen von Lego oder Playmobil gegeben", meint der Spielwarenhändler, der den Markt lange Zeit verfolgt hat. Durch die großen Marken hat sich nicht nur die Zahl an Produkten erheblich erweitert. Durch die "große Marketing-Power" der Spielwaren-Giganten stünden die rustikalen Klassiker nicht mehr so stark im Fokus.
"Das Pupppenhaus ist fast auf null", sagt Hofmann. Zumindest das klassische Puppenhaus aus Holz. Ansonsten würde dieses Marktsegment mittlerweile auch von Herstellern wie Playmobil abgedeckt, erzählt der Spielwarenhändler, der ein Geschäft in Haßfurt und eines in Hofheim hat, letzteres soll allerdings bald schließen. Die alten Puppenhäuser aus Holz gebe es kaum noch. "Viele Firmen haben sich verabschiedet", sagt Hofmann.
Zwar gebe es mittlerweile immer mehr Kunden, die sich wieder Holzspielsachen wie früher wünschen. "Aber die Anbieter sind nicht mehr da." Gerade wenn außerdem der Wunsch nach in Europa gefertigten Produkten da ist, wären diese recht teuer. Viele Läden können sie daher nicht ins Sortiment nehmen: Bei zu wenigen potenziellen Kunden wäre das Risiko für den Händler zu groß.
Ein weiteres Problem im Spielwarenhandel sei die Konkurrenz durch das Internet. Viel kann mittlerweile bestellt werden, immer weniger wird im Einzelhandel gekauft. Einen klassischen Bereich, den es früher in vielen Spielwarenläden gab, hat Hofmann mittlerweile komplett aufgegeben: die Modelleisenbahn. "Es wird immer weniger", sagt er. Dieses früher weit verbreitete Hobby werde vor allem von Generation zu Generation weitergegeben; doch auch das gelinge oft nicht mehr.
Das Hobby wird nicht aussterben
Optimistischer ist dagegen Rudolf Böhlein. "Keiner braucht sich Sorgen zu machen, dass das Hobby ausstirbt", meint der Modellbahnhändler. Zwar sieht auch er, dass die breite Masse an Händlern verloren geht. Während früher viele Spielwarenläden eine Eisenbahnabteilung hatten, gibt es heute fast nur noch spezialisierte Fachgeschäfte, überwiegend in größeren Städten mit einem gewissen Einzugsgebiet. Diese werden sich aber dann auch halten können, ist Böhlein überzeugt. "Die Nachfrage ist ungebrochen", sagt er. Zwar gehe die Menge etwas zurück, "aber solange es die echte Eisenbahn gibt, wird es auch das Hobby geben".
Böhlein ist der Inhaber von Eisenbahn Dörfler in Nürnberg. Seitdem es im Landkreis Haßberge keinen Modellbahnladen mehr gibt, ist seine Filiale in Hallstadt bei Bamberg für viele Eisenbahnfreunde als der Region die nächste Adresse. Auch er bestätigt, dass die elektrische Eisenbahn ein Hobby ist, das in den meisten Fällen von einer Generation an die folgende weitergegeben wird. Wer also keine eisenbahnbegeisterten Eltern oder Großeltern hat, komme nur selten mit dieser Leidenschaft in Kontakt. "Die Eisenbahn kauft immer der Vater oder der Opa; das Kind hat ja kein Geld", sagt Böhlein.
In den Lebensläufen vieler Modellbahner gebe es eine längere Pause. Meist gehe die erste Eisenbahn-Phase bis zu einem Alter von 14 bis 16 Jahren. "Dann werden andere Dinge interessant, die Freundin, das Auto", sagt Böhlein. Aber der Grundstein sei gelegt und oft komme dann die Leidenschaft im Erwachsenenalter zurück.
Spieler und Sammler
Die Kundschaft des Modellbahnhändlers setze sich vor allem aus Sammlern und Spielern zusammen. "Die Sammler kommen das ganze Jahr über. Die Umsatzspitze an Weihnachten kommt daher, dass dann die Spieler dazukommen", berichtet Böhlein. "Die Modellbahn als klassisches Spielzeug gibt es nach wie vor." Der Klassiker unter den Geschenken für Kinder sei eine Startpackung: ein Schienenkreis, eine Lok, ein paar Waggons und die Grundausstattung an Technik, die man benötigt, um den Zug fahren zu lassen.
Doch welche Art von Zügen interessiert die Kinder eigentlich? Die Begeisterung für alte Dampflokomotiven sei weiterhin ungebrochen, berichtet Böhlein. "Aber Kinder stehen auch auf den ICE", sagt er. Beliebt seien ebenfalls moderne Elektrolokomotiven mit Doppelstock-Wagen, für die Kinder also "das, womit sie in die Schule fahren".
Einer der größten Modellbahn-Hersteller hat in diesem Jahr eine ungewöhnliche Startpackung herausgebracht: Zur Neuverfilmung von "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" gab es ein Modell der Lokomotive "Emma". Nach Gesprächen mit seinen Kunden geht Böhlein davon aus, dass etwa die Hälfte der gekauften "Emma"-Modelle an Kinder verschenkt wurde. Die andere Hälfte ging an erwachsene Eisenbahnfreunde sowie Fans des Kinderbuchs von Michael Ende und dessen klassischer Verfilmung durch die Augsburger Puppenkiste.
Sorgen, dass Eisenbahngeschäfte aussterben könnten, weil die Kunden lieber im Internet bestellen, macht sich Böhlein nicht. "Dafür ist dieses Hobby viel zu komplex und beratungsintensiv", meint er. Wer in einen Laden kommt, habe noch immer die Beratung und die Gewissheit, einen Ansprechpartner zu haben, wenn Reparaturen an der feinen Technik notwendig werden sollten.
Schätze im Keller und auf dem Dachboden
Ein weiterer Klassiker unter den Spielsachen zu Weihnachten ist neben der Eisenbahn und dem Puppenhaus der Kaufladen. Hier berichtet Spielwarenhändler Georg Hofmann, dass der Laden selbst nur noch selten verkauft werde. "Den hat oft der Opa gekauft und dann wurde er weitervererbt." Wonach es dagegen noch Nachfrage gebe, sei das Zubehör. "Aber der Run ist geringer geworden", erzählt er.
Einen Klassiker, den es in Hofmanns Geschäft schon lange nicht mehr zu kaufen gibt, hat seine Frau Christine noch bei sich zuhause: eine alte Puppenstube, die sie für ein Foto auch einmal mit in den Laden gebracht hat. Zwei liebevoll eingerichtete Räume, ein Schlafzimmer und eine Küche, mit allerlei Möbel und Zubehör, von Kochgeräten bis zum Nachttopf.
So findet sich noch so mancher Schatz aus früheren Zeiten auf Dachböden, in Kellern oder in Vitrinen. Denn der eine oder andere Erwachsene hat noch lieb gewonnene Spielsachen aus seiner Kindheit aufgehoben. Eine davon ist Ute Hußlein, die in Uchenhofen lebt. 1989 bekam sie im Kindergartenalter von ihren Eltern zu Weihnachten ein Puppenhaus geschenkt. Gebaut hatten es ihre Eltern selbst. "Am Anfang waren nur die Grundmöbel drin, dann hab ich zu Weihnachten immer was dazugekriegt", erzählt Hußlein. Und das Puppenhaus hat einige Spielereien zu bieten: funktionierende Lampen, eine tickende Uhr an der Wand und sogar ein kleiner Herd, der sich anschüren lässt, so dass die Kochplatten warm werden.
Zahlreiche Spielereien gibt es auch auf der Modellbahnanlage von Heinrich Ringer in dessen Haus in Wülflingen. Dort fahren nicht nur die Züge: An einer Wassermühle dreht sich das Mühlrad, auf einem Rummelplatz laufen mehrere Fahrgeschäfte. Seine mehr als 100 Lokomotiven hat er über viele Jahre auf Eisenbahn-Tauschbörsen erstanden. Was gerade keinen Platz auf der Anlage hat, steht in Schaukästen. Über Jahrzehnte ist die Anlage gewachsen und auch auf seinen Sohn Klaus ist die Leidenschaft übergesprungen. Auch dessen Kinder haben schon viel Zeit mit Opas Eisenbahn verbracht.