
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Dorf zu Dorf. Kein üblicher Fahrplan, sondern Vorbuchung. Was wie eine unglaubliche Mischung aus Taxi und Busverkehr klingt, soll im Norden des Landkreises Haßberge probeweise Realität sein. Die Redaktion wollte wissen, ob dies tatsächlich so zutrifft.
Nassach ist ein Ortsteil von Aidhausen. "Golddorf" darf sich das Dorf nennen, hat es doch den Preis "Unser Dorf hat Zukunft" 2024 per Bezirksentscheid zugesprochen bekommen. Ermershausen ist die kleinste Gemeinde im Landkreis Haßberge, einst als Rebellendorf bekannt geworden, erhielt sie kürzlich eine Auszeichnung als "Ort der Demokratie".
23 Kilometer Entfernung, aber zwei verschiedene Gebiete
23 Straßenkilometer trennen Nassach und Ermershausen. Wie gut sind sie verkehrstechnisch miteinander verbunden? Hofheim, die ehemalige Kreisstadt, liegt ungefähr in Streckenmitte. Das Versuchskonzept lautete: Abfahrt in Nassach, Besuch der Kirchweih in Ermershausen, Zwischenstopp in Hofheim und am Nachmittag wieder zurück sein im Ausgangsort.
"Callheinz" lautet das Schlüsselwort im Internet. Per Telefon oder App können die entsprechenden Fahrten gebucht werden. Zunächst wird das sogenannte Gebiet abgefragt. Zwei davon ragen in den Landkreis Haßberge hinein: "Schweinfurt Nord Haßberge" und "Östliches Grabfeld und Haßberge". Beeindruckend ist die Feinmaschigkeit des Streckennetzes: Das erstgenannte Gebiet umfasst 223 Haltepunkte und zweite 126.

Nun ergibt es sich, dass Nassach und Ermershausen nicht im gleichen Gebiet liegen. Gebietsübergreifend sind keine Buchungen möglich, doch es gibt die Schnittstelle Hofheim. Daher sind vier Tickets für die Tour erforderlich.
Wer es hat, kann mit dem 49-Euro-Ticket fahren
Mit diesem Wissen kann geplant werden: Circa Abfahrtszeit oder Ankunftszeit? Wieviel Personen? Mit Rollstuhl? Wie soll bezahlt werden: Barzahlung im Bus, Abbuchung im Vorfeld oder über das 49 Euro Ticket? Ein Klick, und die Buchung wird per E-Mail bestätigt. Oder doch nicht die Reise antreten? Stornierung bis zu einer halben Stunde vor Abfahrt sei möglich.

Beeindruckt von der Vielzahl der Alternativen fällt die Wahl auf den letzten Sonntag im Oktober: Abfahrt umd halb zehn Uhr in Nassach Seestraße nach Hofheim, Goßmannsdorfer Straße. Eine zweite Buchung Abfahrt Hofheim nach Ermershausen kurz nach zehn Uhr. Umgehend kommen für beide Buchungen Bestätigungen. Der Tag kommt, die Stunde schlägt, die Reise kann beginnen:
Die Route ist minutengenau getaktet
Der Callheinz-Bus steht bereits am vereinbarten Haltepunkt in Nassach, als der Redakteur eintrifft. Die Schiebetür öffnet sich wie von Geisterhand bewegt. "Herr Aull?" "Ja." Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung. Der Busfahrer erzählt: Er arbeitet im Schichtbetrieb, und hat einen genau vorgegeben Tourenplan. Erstellt wird dieser vorab von der Zentrale in Abhängigkeit tatsächlich erfolgter Buchungen. Callheinz fährt also zielgerichtet nur dorthin, wo jemand tatsächlich abgeholt werden soll. Seine Route sei minutengenau getaktet, und könne auch gut eingehalten werden. Was nicht gehe: Dass der Fahrer auf Bitte der Kundschaft von der vorgegebenen Route abweicht.
An seiner Arbeit habe er Freude: die Autos in Bestzustand, die Strecke wunderschön, die Kundschaft durchaus freundlich. Meist transportiere er Einzelpersonen, aber zuweilen auch Wandergruppen oder Gaststättenbesuchende. Tatsächlich hält Callheinz die Fahrzeit minutengenau ein. Nun heißt es in Hofheim: Warten auf den nächsten Bus.
System meldet auch kleine Verspätungen
Verschnaufpause auf der Mitfahrbank. Schon kommt ein Autofahrer des Wegs: "Eichelsdorf?" "Nein, Ermershausen!" "Schade." Eine Nachricht auf dem Handy: Zwei Minuten Verspätung. Nächste Nachricht: nur noch eine Minute. Callheinz rollt an. Die ausgewählte Route führt über Eichelsdorf, die Busfahrerin zeigt sich fasziniert, wie wunderschön hier Herbstwälder sind. Ein super Job. Warum ich nach Ermershausen wolle? "Kirchweihessen, Autoscooter und Pressebericht." "Aha". Pünktlich in Ermershausen angekommen, schaut sie auf ihren Tourenplan: "In drei Stunden sehen wir uns wieder." Ihr Fahrzeug ist so ausgerüstet, dass ein Rollstuhl hineinpasst. Immer wieder einmal sei jemand mit Rollstuhl zu transportieren, das klappe recht gut.

Aus der Autoscooterfahrt wird nichts, um die Mittagszeit ist auf dem Rummelplatz noch Grabesstille. Doch im Wirtshaus geht es rund: "Nicht reserviert? Schlecht!" Beim Wirtsvater ist dann doch noch ein Plätzchen frei, die Zeit vergeht wie im Flug.
Unumstößliche Regel: Ohne Buchung keine Fahrt
Pünktlich wie die Sonnenuhr ist Callheinz wieder zur Stelle. Freundliches Zuwinken zwischen Fahrerin und Fahrgast bereits aus der Ferne. "Wie war die Scooterfahrt?" Was nicht gehe, ergänzt die Busfahrerin auf der Rückfahrt zu dem Konzept von Callheinz sei, jemanden mitzunehmen, der noch keine Buchung getätigt hat. Voranmeldung sei unabdingbar.
In Hofheim sind 90 Minuten Pause eingeplant. Zeit für ein Besuch im Cafe Maja. Inhaber Christian Wittmann berichtet von Gästen, die begeistert seien von Callheinz. "Kein Problem mehr, von Hofheim aus in einem vernünftigen Zeitrahmen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Schweinfurt zum Arzt zu fahren, oder einfach zum Bummeln." Oder auch als Alternative zu dem "Elterntaxi", beispielsweise bei privatem Musikunterricht.

Früher sei er Taxifahrer gewesen, berichtet der nächste Callheinz-Fahrer, doch dieser Job sei unvergleichlich besser. Auch er ist pünktlich zur Stelle, ebenfalls freundlich und aufmerksam. Eines will der Redakteur noch wissen: Wie geht es weiter, wenn der Kunde nicht zur Stelle ist? Das passiert, aber selten, meint er. Drei Minuten Wartezeit seien drin, oft löse ein Anruf das Problem. "Eine Kundin stand am verkehrten Friedhof". Doch man habe zueinander gefunden. Auf der Website von Callheinz heißt es dazu: "Stornierst du deine Fahrt 60 Minuten vor Fahrtbeginn wird dir der Fahrtpreis zurückerstattet. Wird die Zeit unterschritten, wird der Fahrpreis nicht erstattet. Sollte eine Barzahlung erfolgen, behalten wir uns nach regelmäßigen Vorkommnissen vor, den Account zu sperren.“
Und das ist das Fazit des Reporters
Um 15 Uhr heißt es Abschied nehmen in Nassach. Der Reporter hat sich bei einer dort wohnenden Freundin zum Kaffeeplausch eingeladen und zieht Bilanz: Wenn auch die Bedienung der App etwas gewöhnungsbedürftig ist und die Sache mit den zwei Gebieten irritierend, so ist Callheinz doch eine hervorragende Einrichtung: So schnell, zuverlässig und preisgünstig in ländlichem Gebiet per öffentlicher Nahverkehr umher zu kommen, ist sehr beeindruckend. Und dass das 49 Euro Ticket gilt, ist super. Einzelkarte zwischen 4,20 und 4,40 Euro ist auch ok.
Schön wäre es, wenn der Landkreis Haßberge ebenso durchflochten wäre mit Haltestellen wie die Landkreise Schweinfurt und Rhön-Grabfeld. Aber was hilft jammern: Demnächst machen wir im Freundeskreis eine Wandertour, mit Callheinz hin, und auf Schusters Rappen zurück.
Danke Herr Aull, dem ist nichts hinzuzufügen.