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Landkreis Haßberge
Landkreis Haßberge: Wie Roswitha Fliege Trauernden beim Wandern Kraft schenkt
Roswitha Fliege hilft Menschen, mit ihrer Trauer zurechtzukommen. Was das Besondere an ihrem seelsorgerischen Angebot ist, das verrät die 72-Jährige im Interview.
Roswitha Fliege hilft Trauernden, den Verlust eines geliebten Menschen zu bewältigen. Das Bild zeigt die 72-Jährige beim Anzünden einer Kerze in der Lourdesgrotte am Zeiler Käppele.
Foto: Günther Geiling | Roswitha Fliege hilft Trauernden, den Verlust eines geliebten Menschen zu bewältigen. Das Bild zeigt die 72-Jährige beim Anzünden einer Kerze in der Lourdesgrotte am Zeiler Käppele.
Günther Geiling
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:26 Uhr

Trauer ist eine natürliche Reaktion auf Verlust eines geliebten Menschen. Sie tut weh. Die Wege, die eigene Trauer zu bewältigen, sind individuell. Angebote wie das Trauerwandern wollen helfen, dass die Trauer nicht zur Erstarrung führt. Roswitha Fliege lädt Betroffene seit vielen Jahren regelmäßig Betroffene ein, um mit ihnen neue Wege zu gehen und sich mit anderen Menschen darüber auszutauschen. Wir haben mit ihr über das Trauerwandern gesprochen.

Frage: Wie sind sie  zu dieser ehrenamtlichen Aufgabe gekommen, sich mit trauernden Menschen zu beschäftigen und Trauerwandern anzubieten?

Roswitha Fliege: Als meine Kinder erwachsen waren, regte sich in mir das Bedürfnis, noch einmal etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu tun. Das sollte eine Wertigkeit haben und im sozialen Bereich liegen. Als die Malteser eine Hospizausbildung anboten, wollte ich unbedingt mitmachen. Das war für mich ein innerlicher Anlass und so arbeite ich nun schon 25 Jahre in der Hospizbegleitung. Ebenso organisierte ich "Trauertreffs" mit bis zu zehn Leuten. Das wurde auch sehr gut angenommen. Sie haben sich aber im Laufe der Zeit verflüchtigt und wurden vom "Trauerwandern" abgelöst.

Was ist das Besondere am Trauerwandern gegenüber zahlreichen anderen Angeboten wie Einzelbegleitung, geschlossenen Trauergruppen oder einem Trauercafé?

Fliege: Wandern ist für Menschen in Trauer eine Möglichkeit, mit sich und ihrer Trauer in eine natürliche Bewegung zu kommen. Der Weg durch die Trauer ähnelt nämlich oft auch einer Wanderung. Man kommt mit anderen Trauernden ins Gespräch und erkundet in Gemeinschaft neue Wege. Außerdem begegnet uns in der Natur auch an vielen Stellen das Werden und Vergehen.

Wie muss man sich so eine Trauerwanderung vorstellen?

Fliege: Ganz selbstverständlich ist, dass alle Gespräche vertraulich behandelt werden. Ich beginne die gemeinsame Wanderung gerne mit einem Impuls oder vielleicht sogar einem Trauermärchen, um leichter miteinander ins Gespräch zu kommen. Manchmal bleibt zuerst aber auch Stille. Niemand muss etwas sagen und niemand soll sich unter Druck gesetzt fühlen. Aber dann erzählen die Teilnehmer auch ihre persönliche Geschichte und unterhalten sich untereinander. Trotzdem ist es bei einer Wanderung leichter, zu schweigen und gleichzeitig leichter, mit immer wechselnden Partnern Worte zu wechseln. Ab und zu halten wir auch inne und hören vielleicht einen Text und manchmal halten wir vielleicht auch einen kleinen Stein in der Hand, der symbolisch für den Verstorbenen mit unterwegs war. Außerdem biete ich auch Stationen zum In-Sich-Gehen an. Wir sind etwa eineinhalb Stunden unterwegs und schließen das Wandern mit einer Kaffeerunde ab.

Was möchten sie den Betroffenen mit auf ihren Weg geben?

Fliege: Die Trauerwanderung ist Teil des persönlichen Trauerweges und sie soll auch der gemeinsame Weg sein, der früher oder später zu einem Ziel führt. Manche erzählen immer wieder dasselbe oder weinen. Damit muss man leben und man muss bedenken, dass eine Trauer krankhaft werden kann. Die Wanderer sollten jedoch erkennen, dass das Leben weiter geht, aber in einer anderen Weise. Sie sollten am Ende akzeptieren, dass der Verlust zum Leben gehört und man es nicht mehr ändern kann. Sie sollten ein Gefühl dafür bekommen, dass es passt.

Die Betroffenen, die sich an sie wenden, kommen aus allen Schichten der Gesellschaft. Macht es einen Unterschied, ob es ein Christ ist, der an ein Leben nach dem Tod glaubt, oder ein Atheist?

Fliege: Für Leute, die glauben oder spirituell unterwegs sind, ist eine Begleitung einfacher zu gestalten, weil solche Leute ein Ziel haben, das irgendwohin geht und der Glaube dabei vielleicht Halt gibt. Trotzdem habe ich auch hier viele Menschen erlebt, die mit ihrem Schicksal nicht zufrieden sind oder gar mit Gott hadern. Aber auch Atheisten können ihre Festigkeit haben und glauben, dass sie sich in Atomen oder Natur wiederfinden und alles wieder zurückgeht.

Brauchen sie selbst ab und zu Impulse oder eine Supervision, um für solch schwere Gespräche gerüstet zu sein?

Fliege: Ich begebe mich monatlich in eine Supervision mit einer ausgebildeten Theologin oder Psychologin. Dabei bekomme ich hilfreiche Tipps und vor allem wird die Professionalität des Tuns geschult. Schließlich geht einem manches ganz nah. Und trotzdem muss man über der Sache stehen und auch einmal nein sagen können.

Erhalten sie bisweilen auch Feedback, das ihnen die Kraft gibt, ihr Trauerwandern weiter anzubieten?

Fliege: Erst vor kurzem kam zu mir eine junge Frau und bedankte sich mit den Worten: "Ich hatte das Gefühl, dass ich ernst genommen werde, dass Sie alles stehen gelassen haben, was und wie ich es erzählte, dass Sie mich nicht umkrempeln wollten und dass alle Gespräche unter uns bleiben." Eine andere sagte: "Ich bin ganz froh und warte schon auf den nächsten Termin."

Zur Person

Roswitha Fliege ist 72 Jahre alt. Die gelernte Krankenschwester aus Obertheres arbeitete in der Kurzzeitpflege, bot Gruppenarbeit mit psychisch Kranken an und absolvierte viele Fortbildungen bis hin zur Hospizbegleitung. 
Das nächste Trauerwandern mit Roswitha Fliege findet statt am Samstag, 3. Juli. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Zeiler Käppelle. Anmeldung und Information zur Trauerbegleitung bei Claudia Stadelmann vom Malteser-Hilfsdienst, Tel. (09521) 95 299-00, E-Mail: claudia.stadelmann@malteser.org.
Quelle: gg
 
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