In Deutschland regiert eine Kanzlerin und die Vorsitzenden der großen Parteien sind mit wenigen Ausnahmen weiblich. Auf den ersten Blick scheint es so, als wäre die Bundesrepublik auf einem guten Weg, was die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in der Politik angeht. Wer genauer hinsieht, wird jedoch schnell bemerken, dass die Politik auf allen Ebenen immer noch eine Männerdomäne ist. Das gilt nicht nur für den Bundestag. Auch im Landkreis Haßberge zeigt die Kommunalwahl deutlich, dass eine Trendwende bisher noch nicht in Sicht ist.
Ob in den Gemeinde- und Stadträten, dem Kreistag oder den Rathäusern – Frauen sind in sämtlichen Gremien und politischen Ämtern unterrepräsentiert. Europaweit stehen etwa 15 Prozent der Kommunen unter der Führung einer Bürgermeisterin, so das Ergebnis einer Studie des Rats der Gemeinden und Regionen Europas aus dem Jahr 2019. Der Landkreis Haßberge unterbietet diesen Wert mit vier Prozent deutlich. Gertrud Bühl (Freie Wähler), die noch bis Mai Bürgermeisterin in Breitbrunn ist, war in den vergangenen sechs Jahren im Landkreis die einzige Frau an der Spitze einer Gemeinde.
Vorurteile gegenüber Frauen
Verantwortlich für diesen Zustand sei unter anderem die Einstellung in der Bevölkerung, sagt Heidi Müller-Gärtner (CSU), die in Maroldsweisach gegen Amtsinhaber Wolfram Thein (SPD) angetreten war und mit 46,95 Prozent unterlag. Innerhalb der Partei habe sie vollste Unterstützung erhalten, doch gerade manche Frauen der älteren Generation hätten immer mal wieder kleine Seitenhiebe ausgeteilt.
"Das waren solche Sätze wie 'Schafft denn das Mädel das?'", sagt Müller-Gärtner, die seit 2012 im Gemeinderat und ab Mai auch im Kreistag sitzt. Es sei nicht mehr die Masse, aber einzelne hätten doch noch Vorurteile gegenüber Frauen in der Politik, sagt sie. Im Wahlkampf habe sie auch immer wieder erklärt, wie sie und ihr Mann Haushalt und Kinder künftig koordinieren würden, damit sie genügend Zeit für das Bürgermeisteramt hätte. "Von einem Mann würde das niemand erwarten", meint Müller-Gärtner. Trotzdem sei sie optimistisch, dass in den kommenden Jahren eine Trendwende bevorsteht: "Die junge Generation ist da einfach anders."
Nur fünf Bürgermeister-Kandidatinnen
Die Kommunalwahl hat am Geschlechterverhältnis in den Rathäusern wenig geändert. Unter den 44 Bewerbern um einen Bürgermeisterposten waren insgesamt nur sieben weibliche. Das war immerhin eine Frau mehr als bei der Wahl 2014. Die Mehrheit der Kandidatinnen konnte sich jedoch nicht gegen ihre Mitbewerber durchsetzen. Breitbrunn könnte deshalb auch in den folgenden Jahren die einzige Kommune unter weiblicher Führung bleiben.
Dort haben 70,4 Prozent der Wähler für die parteilose Ruth Frank gestimmt, die keinen Konkurrenten um das Amt des Rathauschefs hatte. Lediglich in Stettfeld steht bisher noch nicht fest, ob künftig ein Mann oder eine Frau den Posten einnehmen wird. Dort gehen am 29. März Amtsinhaber Alfons Hartlieb (CSU) und Herausforderin Diana Galefske (Stettfelder Dorfgemeinschaft) in die Stichwahl.
Sie habe aus der Bevölkerung viel Zuspruch bekommen, sagt Ruth Frank. Und auch im Umgang mit ihren männlichen Bürgermeister-Kollegen habe sie wenig Bedenken. "Das liegt aber auch daran, dass ich eine beliebte Vorgängerin habe", sagt Frank. Die 51-Jährige ist selbst mit ihrer Kanditatur zum ersten Mal politisch aktiv geworden. Vorher habe ihre Familie immer den Vorrang gehabt. "Da war Politik nicht mein Ding", sagt sie. Außerdem hätten manche Frauen Bedenken, mit der Politik eine sehr männlich geprägte Bühne zu betreten, sagt die künftige Bürgermeisterin.
Ungleichgewicht in Gemeinderäten
Aber nicht nur in den Rathäusern, auch in den Gemeinde- und Stadträten sind deutlich weniger Frauen als Männer. In der laufenden Wahlperiode kamen im Landkreis auf insgesamt 307 männliche Ratsmitglieder nur 75 weibliche. Auch diesmal ist in fast allen Kommunalparlamenten mindestens etwa zwei Drittel der Besetzung männlich. Im Maroldsweisacher Gemeinderat kommen auf zwölf Männer vier Frauen. "Wir hätten gerne noch mehr Frauen auf unserer Liste gehabt", sagt Müller-Gärtner. Doch oft scheitere es daran, dass Frauen sich nicht zutrauen, für den Gemeinderat zu kandidieren. "Dabei ist doch eine gute Mischung aus Männern und Frauen wichtig", sagt sie.
Extrembeispiel der vergangenen Jahre war der Burgpreppacher Gemeinderat. Dort war unter den zwölf Ratsmitgliedern keine einzige Frau. Das hat sich mit der Wahl nun geändert. Die Wähler haben dort mit Marion Fleischmann-Hilton und Karina Hofmann gleich zwei weibliche Kandidaten der Gemeinsamen Liste Burgpreppach in den Gemeindrat gewählt. Ein allgemeiner Trend zu mehr Frauen in den Kommunalparlamenten ist jedoch nicht erkennbar. Im Haßfurter Stadtrat etwa kommen auch in den künftigen sechs Jahren vier Frauen auf 20 Männer, in Zeil sind es fünf weibliche Räte und damit sogar eine Frau weniger als zuvor.
18 Frauen im Kreistag
Im Kreistag hat sich das Verhältnis leicht zugunsten der weiblichen Mitglieder verschoben. Dort sind aber immer noch mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen vertreten. Von den 60 Kreisräten sind künftig 18 weiblich. In der laufenden Wahlperiode waren es 14. Die niedrigeste Frauenquote unter den Fraktionen haben die SPD mit einer Frau und 8 Männern im Kreistag und die ÖDP, die drei männliche aber keine weiblichen Mandatsträger im Gremium hat.
Ein ausgewogenes Verhältnis sehe anders aus, findet auch Birgit Bayer. Die Riedbacherin sitzt selbst schon seit sechs Jahren im Kreistag und trat 2014 für die Freien Wähler als Landratskandidatin an. Auch sie wünscht sich mehr Frauen in der Kommunalpolitik, die ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen: "Wir haben eine andere Sicht auf die Dinge, andere Herangehensweisen und ein anderes Problembewusstsein."
Im Projekt "Politik braucht Frauen" hat sie sich vor einigen Jahren gezielt für die Förderung politisch interessierter Frauen eingesetzt. Im Rahmen der Aktion unterstützten und begleiteten erfahrene Lokalpolitikerinnen als Mentorinnen politische Einsteigerinnen auf ihrem Weg. Es habe in den letzten Jahren auch schon eine Veränderung gegeben, sagt die ehemalige Riedbacher Bürgermeisterin, diese Veränderung gehe jedoch nur sehr langsam vonstatten.