Ob verdient oder nicht, er ist zur obersten Symbolfigur des Widerstands gegen Hitler geworden, Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Weil er es war, der die Bombe ins Führerhauptquartier einschmuggelte, die den „Gröfaz“ beseitigen sollte. Und weil sich dieses Attentat viel spannender erzählen, ergo vermarkten lässt, als etwa die Flugblattaktionen der Weißen Rose.
Dabei polarisiert Stauffenberg bis heute. War er nicht allzu lange ein Mitläufer oder gar Profiteur des Dritten Reiches gewesen, der sich erst, als erkennbar war, dass dieses Reich doch nicht so tausendjährig sein würde, entschloss, etwas gegen die Nazi-Diktatur zu unternehmen? Oder doch ein Held, weil er sich zwar spät, aber doch anders als Millionen andere, dazu entschloss, Widerstand gegen das Regime zu leisten? Warum sticht Graf Stauffenberg derart unter den Mitstreitern der Operation Walküre heraus?
Wir können uns nicht einfach in die Menschen von damals hineinversetzen
Es ist nicht leicht, Fragen wie diese zu beantworten. Es ist aber viel schwerer zu erkennen, dass wir heute einfache Antworten auf diese Fragen nicht finden können. Obwohl die Ereignisse keine 100 Jahre zurückliegen, was im Ablauf der Menschheitsgeschichte ein winziger Augenblick ist, ist aus heutiger Perspektive eine Ewigkeit vergangen. Wir glauben, an das Geschehen von damals unsere heutigen Maßstäbe zur Bewertung menschlichen Handelns anlegen zu können. Aber damit denken wir in die Irre. Wer meint, sich einfach in Stauffenberg und seine Zeitgenossen hineinversetzen zu können, täuscht sich. Die meisten von uns haben keine echten Vorstellungen davon, was die Menschen vor 100 Jahren geprägt hat, egal ob sie Arbeiter waren oder Adelige.
Geschichte ist mehr als Auflisten historischer Daten
In Wirklichkeit bedarf es beachtlicher Fähigkeiten, um die Beweggründe der Menschen vergangener Generationen zu analysieren und zu bewerten. Geschichtswissenschaft ist tausendmal mehr als das Auflisten historischer Daten – sie versucht, Handlungsweisen verständlich zu machen, im Guten wie im Bösen. Natürlich dürfen dadurch Verbrechen wie die der Nationalsozialisten nicht relativiert werden.
Es gibt aber auch vieles, was sich der Geschichtswissenschaft zu entziehen und für nachfolgende Generationen verloren scheint. Freilich verdient Stauffenberg ein Gedenken. Im Falle des Kampfs gegen den Nazi-Terror ist das eigentlich Traurige aber: Für all die Mutigen und doch Armseligen, die schon vor oder kurz nach der Machtergreifung Widerstand leisteten, die noch lange vor dem Krieg geschunden und ermordet wurden, interessiert sich heute niemand mehr, schon gar nicht die Filmindustrie.