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Goßmannsdorf
Kommentar: Wie der Goßmannsdorfer See zu einer Talsperre wurde
Im Sommer einfach mal schwimmen gehen? Die Erfrischung will wohlüberlegt sein, zumindest wenn es nach deutschen Behörden geht. Denn Badesee ist nicht gleich Badesee.
Ist der Goßmannsdorfer See eine Talsperre? Wenn es nach den Behörden geht ist er das, auch wenn er nicht so aussieht.
Foto: Martin Schweiger | Ist der Goßmannsdorfer See eine Talsperre? Wenn es nach den Behörden geht ist er das, auch wenn er nicht so aussieht.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:44 Uhr

Unter dem Begriff "Talsperre" stellen sich die meisten Menschen etwas Großes vor. Irgendwo im Gebirge, mit einer riesigen Mauer, die Wassermassen zurückhält. Kaum jemand hätte da so etwas wie die Längenbachtalsperre vor Augen; bei der handelt es sich nämlich schlicht und einfach um den Goßmannsdorfer See, von Einheimischen gerne "Gossi-See" genannt. Tatsächlich erfüllt der See, der in den 60-er Jahren als Löschteich angelegt wurde, die offiziellen Bedingungen einer Talsperre: Durch ein von Menschen errichtetes Bauwerk wird ein Fließgewässer unterbrochen, das gestaute Wasser bildet den See.

Dass es sich bei dem menschengemachten Bauwerk nicht um eine riesige Staumauer handelt, ist für die Behörden belanglos: Ab diesem Jahr zählt der Gossi-See als Talsperre. Für die Stadt Hofheim hat das eine positive Konsequenz: Noch 2020 hatte Bürgermeister Wolfgang Borst das Baden im See untersagen müssen. Grund: Laut Rechtsprechung haften Kommunen für die Folgen von Badeunfällen in Löschteichen. Bürgermeister und Bürgermeisterinnen können sogar persönlich haftbar gemacht werden. Für Talsperren gilt das hingegen nicht: Wer dort ins Wasser springt, tut das auf eigene Gefahr.

Das Beispiel zeigt, welch lustige Blüten die deutsche Bürokratie treiben kann. Doch das Verwirrspiel geht noch weiter bei der Frage: Was ist eigentlich ein "Badesee"? Hier gibt es verschiedene Definitionen, je nachdem, an welcher Stelle man fragt. Da wären einmal die "EU-Badegewässer". Das sind Seen, an denen regelmäßig die Wasserqualität untersucht wird, weil man davon ausgeht, dass Leute dort gern schwimmen gehen. Sechs davon gibt es im Landkreis Haßberge, einer davon ist auch der Goßmannsdorfer See - und das war er auch in der Zeit, in der Baden hier strengstens verboten war.

Nach einer anderen Definition ist ein Badesee aber nur dann ein richtiger Badesee, wenn er von der Kommune als solcher ausgewiesen ist. Damit übernimmt die Kommune offiziell die Haftung und muss daher auch eine Aufsicht stellen. Nur einen solchen See gibt es im Haßbergkreis, nämlich den Sander Baggersee, wo die Wasserwacht aufpasst.

Für die meisten Bürger dagegen sieht das anders aus: Ein Badesee ist ein See, in dem man baden kann. Eine Talsperre sperrt ein Tal. Aber welche Folgen eine Umwidmung haben kann, hat sich ja auch in der Corona-Krise gezeigt. Beispielsweise mussten Spielzeugläden schließen, doch wenn sich die gleichen Geschäfte zu Babyfachmärkten umdeklarierten, blieben sie geöffnet.

 
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