Zwei Brote essen wir, das dritte landet in der Biogasanlage. So sagt es die Statistik, zumindest sinngemäß. Das ist ein moralischer Offenbarungseid, dem wir dringend gegensteuern müssen. Die Politik ist gefordert, genauso wie der Handel und die Endverbraucher. In der Abfallberatung spricht man von einer Hierarchie: Vermeidung ist hier das oberste Ziel, danach folgt die Verwertung, und erst am Schluss die fachgerechte Entsorgung.
Einen guten Weg der Verwertung geht die Alpenrepublik Österreich. Dort ist gesetzlich definiert, dass Müll niemandem gehört. Wenn sich also Lebensmittel in Abfalltonnen befinden, können sich Interessierte unbehelligt bedienen. Unsere Politik stellt diesen Schritt derzeit noch unter Strafe. In Frankreich ist es Supermärkten bei Geldstrafe untersagt, intakte Lebensmittel in die Mülltonne zu werfen. Wir rühmen uns damit, hieraus regenerative Energien zu erzeugen.
Gute Ideen und Ansätze scheitern mitunter an der Realität
In Deutschland haben in den letzten Jahrzehnten die Tafeln an Zuspruch gewonnen, Containern ist in manchen gesellschaftlichen Kreisen salonfähig geworden, und per App kann jedermann Lebensmittel anbieten, die "zu gut für die Tonne" sind. In Coburg steht eine sogenannte Foodsharing-Telefonzelle. Jedermann kann dort Lebensmittel hineinstellen oder auch unentgeltlich entnehmen.
Es sind Maßnahmen, die dem Müllaufkommen gegensteuern. Doch gleichzeitig nimmt die Angebotsvielfalt zu und damit das Aufkommen von Lebensmittelresten. Hierzu ein Beispiel: Die Bäckerei Oppel, so berichtet deren Inhaber Michael Oppel, produzierte vor dreißig Jahren eine Sorte Brot. Heute sind es zwanzig. Und wenn kurz vor Ladenschluss eine Brotsorte fehle, sei das Gejammere der Kundschaft groß.
Angebotsvielfalt wird auf die Spitze getrieben
Gerne bezeichnen wir uns als hochzivilisiert, doch unser aktueller Umgang mit Nahrungsmitteln zeugt von etwas anderem: "Liebe Deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, wird uns in die Wiege gelegt – aber dass dieser, der Nächste, für seine Arbeit nicht fair entlohnt wird, nehmen wir zumeist schulterzuckend in Kauf. "Milch, Butter und Käse stammt von glücklichen Kühen", bekommen wir vorgegaukelt – doch ein artgerechtes Leben sprechen wir Nutztieren nicht zu. Wir überfischen unsere Meere, laugen unsere Ackerböden aus. Der Lebensmittelhandel kann dank internationaler Verflechtungen die Angebotsvielfalt auf die Spitze treiben, hat jedoch ein Drittel Müll stets im Beipack. Es sind Wege in eine Sackgasse.
Am sinnvollsten jedoch ist die Vermeidung, und auch diese hat gangbare Angebote: Demnächst öffnet die Verbrauchermesse Kulinea in Zeil wieder ihre Tore, und bietet regionale, saisonale und teilweise biologisch erzeugte Ware an. Der Griff zu diesen Lebensmitteln ist ein Gewinn für alle: Wir wissen, wo sie herkommen, können davon ausgehen, dass der Preis fair und dass sich der resultierende Müll in Grenzen hält. Dieser Griff sagt "Ja" zum Leben aller an der Nahrungskette beteiligten Menschen. Ein Ja zur regionalen Landwirtschaft ist somit auch ein Ja zum eigenen Wohlbefinden. Dieser Griff hat Zukunft.