
Die Zahlen schockieren: "Auf dem Weg vom Feld zum Teller wird ein Drittel aller Lebensmittel verschwendet", so schreibt es das Umweltbundesamt auf seiner Website. Gleichzeitig litten weltweit viele Millionen Menschen unter Hunger, auch das Klima würde belastet: "Die Produktion und der Konsum von Lebensmitteln sind in Deutschland für bis zu 30 Prozent aller Umweltauswirkungen verantwortlich."
Doch es gibt nicht nur die eine Seite, die der Verschwendung. Denn in den vergangenen Jahren ist in Teilen der Gesellschaft zunehmend ein Bewusstsein für das Problem entstanden. Was aber geschieht im Landkreis Haßberge mit mit Lebensmitteln, die Kundinnen und Kunden nicht mehr kaufen wollen? Was sagen Tafel, Supermärkte, Bäcker und Entsorgungsbetriebe?
Haßfurter Tafel trägt zur Rettung von Lebensmitteln bei
Ganz der Rettung von Lebensmitteln verschrieben hat sich etwa Ute Ulbrich, Mitgründerin und Leiterin der Tafel in Haßfurt. Sieben Tonnen Lebensmittel monatlich, so ihre Bilanz, setzen die Tafeln im Landkreis Hassberge um. Sie seien keine Vollversorger für Bedürftige, aber im Rahmen einer Ergänzungsversorgung gut aufgestellt. An fünf Tagen in der Woche holten sie Ware ab, neun Stationen steuern sie pro Tour an. Die Anlieferungen seien "stets Überraschungspakete". Kein Tag sei wie der andere, so die 72-Jährige. "Manchmal erhalten wir überdurchschnittlich viel Brot, dann wieder fehlt es vollständig." Die Gesundheit der Kundschaft liege ihr am Herzen: kein Alkohol, Nikoläuse und Osterhasen nur gering dosiert, und keinesfalls verdorbene Ware. Stete Mangelware sei Gemüse.
Mit dem offiziellen Mindeshaltbarkeitsdatum habe sie ihre Probleme, erzählt Ulbrich. Dies führe zu einem Spagat zwischen gesetzlich verordneter Vorsicht und Vernunft, da ein Überschreiten des angegeben Zeitraumes bekanntermaßen nicht automatisch einen Verderb zur Folge habe. Ohne Biotonne gehe es trotzdem nicht, sagt sie. Aber dort lande nur ein geringer Bruchteil der angelieferten Waren.

Nicht ohne Stolz verweist sie auf die 240-Liter-Tonne der Tafel, die in der Regel bei zweiwöchiger Leerung ausreiche. Und Restmüll, schiebt Ulbrich hinterher, falle so gut wie gar nicht an. Auf die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achte sie penibel: "Wenn eine Orange mit gesundheitlich schädlichen Schimmelpilzen versehen ist, wird vorsichtshalber alles entsorgt."
Regionalität in Regalen senkt die Gefahr des Warenverderbs
Gut verzahnt mit der Tafel sieht sich Michael Meyer, Inhaber mehrerer Edeka - Lebensmittelmärkte in Haßfurt und Umgebung. "Die Milchprodukte werden bereits einige Tage vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit aus den Regalen genommen, so erhält die Kundschaft stets frische Ware und die Tafel vertretbare Produkte", erklärt er. Meyer setzt auf Regionalität: "Je kürzer die Transportwege sind und je besser der Kontakt zu den Lieferanten ist, desto weniger droht die Gefahr des Warenverderbs." Der Anteil regionaler Produkte in seinem Märkten, schätzt er, liege bei circa 20 Prozent. Gerne würde er ihn erhöhen, doch dies habe seine Grenzen: "Wer ganzjährig Spargel möchte, muss außerhalb der Saison auf importierte Ware zurückgreifen."
Hierzu äußert sich auch Stefanie Schmitt, Pressesprecherin von Edeka Nordbayern-Sachsen-Thüringen mit Sitz in Rottendorf, östlich von Würzburg: "Wir möchten das beste Nahrungsangebot bieten, und auch Kundschaft, die nicht nachhaltig kauft, wird bedient." Schmitt sieht die Endverbraucherinnen und Endverbraucher in der Verantwortung, deren Kaufverhalten steuere letztendlich das Warenangebot. Zur Vermeidung von überschüssigen Lebensmitteln setze ihr Unternehmen auf "moderne Warenwirtschaftssysteme", mit dem Ziel, Warenflüsse zu optimieren und Überangebote zu vermeiden. Um den Reifeprozess zu verlangsamen, erhalte manches Obst und Gemüse - etwa Orangen oder Avocados - eine Schutzhülle pflanzlichen Ursprungs, zu erkennen an dem Aufdruck "Apeel".
Etwa drei Prozent der Frischeprodukte gehen an die Tafel
In einer seiner Filialen im Haßbergkreis steht Michael Meyer vor einem Wagen mit ausrangierter Ware. Zwischen zwei und drei Prozent seiner eingekauften Frischeprodukte, schätzt er, werden der Tafel zugeführt. Im Restmüll lande weniger als ein Prozent. Stark verbeulte Dosen, zerrissene Kartons und gebrochene Gläser nennt er als Gründe für eine Entsorgung. Eine Biotonne brauche sein Betrieb nicht.
Bäckermeister Michael Oppel aus Untersteinbach schätzt, dass seine Verkaufsquote bei 90 Prozent liegt. Für jede zehnte Backware müsse demnach ein anderweitiger Weg gefunden werden. Am einfachsten zu bewerkstelligen sei dies in seinem Hauptladen, dort könne er beispielsweise Brötchen zu Semmelbrösel weiterverarbeiten, erzählt Oppel. Gerne gibt er auch Ware an die Tafel, "doch nur in ortsnahen Filialen. Das Interesse sinke mit der Entfernung zur Abgabestelle, oder durch Überangebote, "weil in einer Ortschaft mehrere Märkte präsent sind und ihre Backware gemeinsam mit weiteren Lebensmitteln zur Abholung anbieten". Auch eine Abgabe als Futtermittel erscheint ihm sinnvoll, "trotz hoher amtlicher Auflagen".

Simone Nowak, zuständig für den Verbraucherschutz im Landratsamt Haßberge: "Betriebe, die Lebensmittel als Futtermittel für Nutztiere abgeben, müssen bei der Regierung von Oberbayern registriert sein", erklärt sie auf Nachfrage. Um sicherzustellen, dass keine tierischen Bestandteile enthalten sind, hieße das für Bäckereien, sie müssten etwa Schinkenhörnchen aussortieren und anderweitig verwerten oder vernichten. "Ein dünnes Eis", meint Oppel, "doch kein maßgebliches Hindernis." Seine Bäckerei verfüge über eine Gewerbe - Biotonne, in erster Linie zur Entsorgung von unverkauften belegten Brötchen. Zudem kooperiere sein Betrieb mit einem regionalen Entsorgungsfachbetrieb, der Firma Eichhorn Transport- und Entsorgungs-GmbH.
Ein Teil der Lebensmittel landet in der Biogasanlage
"In früheren Zeiten wurden die Lebensmittelreste der Kompostierungsanlage Mariaburghausen zugeführt", berichtet Geschäftsführer Manfred Eichhorn im Gespräch. Ein Problem hierbei sei jedoch der große Anteil von Störstoffen, sprich Verpackungen, gewesen. Heute bediene er die Biogasanlage in Strullendorf. Dort würden jährlich 6,3 Millionen Kilowatt elektrische Energie erzeugt, so Eichhorn. Die Überschusswärme, rund 4,5 Millionen KW, werde von der benachbarten Gärtnerei genutzt.

Auch wenn es sein Geschäft sei und die Ware zumindest noch energetisch verwertet werde, stimme es ihn sehr nachdenklich, "dass wir in einer derartigen Wegwerfgesellschaft leben", bedauert Eichhorn. Den größten Marktanteil an dem Geschäft mit überlagerten Lebensmitteln, schätzt er, habe die auch im Landkreis Hassberge gut aufgestellte Firma Refood. Diese, so steht in ihrem Netzauftritt, sammele in Deutschland jährlich circa 500.000 Tonnen Lebensmittelreste ein. "Aus diesem nachhaltigen Rohstoff entstehen in eigenen Biogasanlagen Strom und Wärme für derzeit knapp 50.000 Haushalte." Dadurch ersetze man Energie aus Atomkraft und Steinkohle.
Brot-Angebot wenn möglich bis zur letzten Minute
Bäckermeister Michael Oppel blickt indes mit etwas Wehmut zurück in vergangene Zeiten. "Als ich in unseren Betrieb 1986 einstieg, wurde dort ausschließlich das zwei Kilogramm schwere Roggenmischbrot gebacken, an Samstagen das Brot vom Vortag verkauft. Das Sortiment ist seitdem auf zwanzig unterschiedliche Brotsorten angestiegen und sollte möglichst vollständig bis zur letzten Minute bevorratet sein". Dieser in der Gesellschaft verankerte Anspruch an Frische und Umfang sei bedenklich, koste sehr viel Geld und Energie, und ungewiss sei, wohin dies noch führe.