Wenn es um Rechtssicherheit geht, dann ist der "gesunde Menschenverstand" kein Argument. Bitte, liebe Anwälte, Richter und Staatsanwälte, verstehen sie das nicht falsch: Sie machen einen wichtigen Job und es geht hier nicht darum, der Justiz zu unterstellen, sie hätte nichts mit Menschenverstand zu tun. Aber es kommt halt doch immer wieder vor, dass eine Beschreibung, Benamung oder Beschilderung durchaus verständlich, aber dennoch juristisch angreifbar ist.
Als beispielsweise wegen des Coronavirus die Maskenpflicht eingeführt wurde, aber nicht genug Masken lieferbar waren, haben ein paar Leute ihre Begeisterung fürs Nähen entdeckt und für ein paar Euro selbstgemachte Masken verkauft – und dabei oft auf die harte Tour erfahren, dass man diese auf keinen Fall als "Mundschutz" bezeichnen darf, da alles, was mit "Schutz" zu tun hat, ein geschützter Begriff ist.
Dass niemand bei "Tante Helgas selbstgenähtem Mundschutz", auf dessen Verkauf ein handgeschriebener Zettel im Fenster hinweist, an ein medizinisches Produkt denkt, das irgendwelche EU-Standards erfüllt, ist jedem klar. Trotzdem: Rein rechtlich betrachtet hat Tante Helga mit einer falschen Produktbezeichnung Kunden in die Irre geführt. Wenn das vor Gericht geht, ist "Die Leute wissen schon, wie es gemeint ist" eine schlechte Antwort.
Auch die Stadt Haßfurt hat kürzlich die Erfahrung gemacht, dass der Menschenverstand nicht unbedingt juristisch haltbar ist: Am Großparkplatz am Bahnhof mussten die Schilder versetzt werden, die auf die Parkscheinpflicht hinweisen. Denn auch wenn jeder Autofahrer wusste, was sie bedeuten: Einem Leserbriefschreiber mit Rechtskenntnis (Man könnte auch sagen: Einschlägig vorbelastet mit Wissen) war aufgefallen, dass sie, streng nach dem Buchstaben des Gesetzes, an der falschen Stelle standen.
Für Städte und Gemeinden kann das durchaus ein Problem sein: Einerseits will die Verwaltung, dass die Beschilderung eindeutig und rechtssicher ist, andererseits soll nicht alles mit Verkehrszeichen zugeklatscht werden, bis dann ein Verkehrsteilnehmer vor lauter Bäumen den Wald... nein, vor lauter Schildern den Schilderwald nicht mehr sieht.
Wie eine Änderung der Beschilderung für Verwirrung sorgen kann, zeigt auch der Anruf eines Lesers. Dieser wies die Redaktion auf die aus seiner Sicht skandalöse Entscheidung der Stadt hin, an dem schmalen Weg, der direkt vor dem neuen Amtsgericht beginnt, die Beschilderung zu ändern. Früher war das ein Fuß- und Radweg, jetzt hängt da auf einmal ein Schild, auf dem nur noch das Fußweg-Symbol zu sehen ist. Heißt das jetzt, dass Radfahrer künftig im Kreisverkehr auf der stark befahrenen Staatsstraße fahren müssen, wo sie sich selbst gefährden und die Autofahrer behindern?
Nein, das heißt es nicht, wie ein Gespräch mit Bürgermeister Günther Werner und ein kurzer Blick auf das betreffende Schild zeigen. Denn unter dem Schild hängt, deutlich sichtbar, ein weiteres Schild mit der Aufschrift: Fahrräder frei. Radfahrer dürfen – und sollen – den Weg also weiterhin benutzen. Was die geänderte Beschilderung dann soll? Laut Bürgermeister heißt das einfach, dass Radler jetzt mehr Rücksicht auf Fußgänger nehmen müssen.
Schilder, die zu mehr Rücksicht im Straßenverkehr führen sollen? Oh Gott, welch ein Skandal...