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Knetzgau: Kunstschlosser Günther Hellmuth und seine besondere Weltkugel
Der Handwerksmeister hat einen Globus aus Eisenstäben gefertigt. Zu kaufen gibt es das mannshohe und 160 Kilo schwere Objekt nicht. Es soll vor allem seinem Enkel dienen.
Die Hand am Äquator: Günther Hellmuth und sein aus Eisenstäben gefertigter Globus, der im Vordergrund Nord- und Südamerika in olympischem Rot zeigt. 
Foto: Martin Sage | Die Hand am Äquator: Günther Hellmuth und sein aus Eisenstäben gefertigter Globus, der im Vordergrund Nord- und Südamerika in olympischem Rot zeigt. 
Martin Sage
 |  aktualisiert: 10.02.2024 06:10 Uhr

Opa, wo liegt Spanien? Und wo ist Österreich? Der Knetzgauer Günther Hellmuth hat einen nun wirklich nicht alltäglichen Weg gewählt, um seinem Enkelkind die Welt zu erklären: Er hat die Weltkugel nachgebaut. Und zwar mit den Materialien und Werkzeugen, mit denen er seit über 60 Jahren seinen Beruf ausübt: Hellmuth ist Schlossermeister. Und so ist auch sein jüngstes Objekt eine Eisenkonstruktion - und eine gewaltige, da mannshohe, obendrein.

Die ganze Welt - und daneben der Eiffelturm

1,22 Meter im Durchmesser misst sein Globus, das entspricht dem gewählten Maßstab von 1:10 000 000, und zusammen mit dem Sockel bringt die Weltkugel gut 160 Kilogramm auf die Waage: eindeutig zu groß und zu schwer für jeden Schreibtisch. Deshalb befindet sich der Heimatplanet in Miniatur im Schaugarten der Kunstschlosserei Hellmuth im Schopfenweg 11 gut verankert in festem Erdboden. Nur ein paar Schritte weit entfernt von seinem vorletzten Werk, dem Eiffelturm, den der 78-Jährige hundertfach verkleinert nachgebaut hat.

Hier, im Schaugarten, können Besucher all das bestaunen, was der Kunstschlosserei in den vergangenen Jahrzehnten ihren Erfolg beschert hat: Von Rosenbögen oder Rankgittern, Obelisken oder Staudenhaltern bis hin zu großen Pavillons - überall erblickt das Auge exklusive Gegenstände aus Eisen für den Garten, gebogen, geschmiedet oder geschweißt nebenan in der Werkstatt, die mit den Jahren und dem Erfolg immer größer wurde.

Der Meister in seiner Werkstatt: Günther Hellmuth macht hier das, was er abertausende Male in seinem Leben getan hat - er schneidet einen Eisenstab zurecht. 
Foto: Martin Sage | Der Meister in seiner Werkstatt: Günther Hellmuth macht hier das, was er abertausende Male in seinem Leben getan hat - er schneidet einen Eisenstab zurecht. 

Wer nun glaubt, Hellmuth wolle für sein Geschäft die Werbetrommel rühren, der täuscht sich. Bis vor wenigen Jahren bot die Schlosserei noch zehn feste Arbeitsplätze, und im Laufe der Jahre hatte der Chef über 40 Lehrlinge ausgebildet. Doch inzwischen ist Hellmuth der einzige an Esse, am Schmiedehammer oder einer der zahlreichen Biegemaschinen. "Ich habe meinen Beruf zum Hobby gemacht", sagt der 78-Jährige. Das bedeutet: Er fertigt noch für einige wenige Stammkunden "kleinere Teile", mehr nicht. Alles andere, wie Globus und Eifelturm, macht ihm einfach nur Spaß - ist aber absolut unverkäuflich.

Ein ehrlicher Preis für die Weltkugel würde allerdings auch ohne Materialkosten ziemlich hoch ausfallen, wenn man bedenkt, dass der Meister über 100 Arbeitsstunden investiert hat: Um aus Eisenstäben Längengrade zu biegen und damit das Grundgerüst des Globus zu formen, das er mit einem Äquator aus Bandeisen stabilisiert hat. Am meisten hat Hellmuth das Gestalten der Kontinente und Länder abverlangt.

Länder- und Kontinentgrenzen auf Butterbrotpapier übertragen

Die Umrisse von Australien, Brasilien oder China hat er - maßstabsgerecht - von Weltkarten oder Landkarten auf Butterbrotpapier übertragen. Und nach den so entstandenen Linien und Kurven dann die politischen oder Land-Meer-Grenzen mit Eisenstäben nachgebogen, also nachgezogen. Schließlich musste er die Landmassen auf das Längengrad-Grundgerüst schweißen. 150 Länder sind identifizierbar, geografisch Versierte wissen, dass der Heimatplanet über 190 Nationen zählt - aber wer die Erde zehn Millionen mal verkleinert darstellt, kann nicht jeden "Zwergstaat" abbilden, erst recht nicht, wenn er das als Schmied oder Schlosser tut.

Ein Ausflug nach Paris muss nicht sein, schon gar nicht in Corona-Zeiten: Den Eiffelturm gibt es auch im Schaugarten der Kunstschlosserei Hellmuth zu sehen, allerdings nur im Maßstab 1:100. 
Foto: Martin Sage | Ein Ausflug nach Paris muss nicht sein, schon gar nicht in Corona-Zeiten: Den Eiffelturm gibt es auch im Schaugarten der Kunstschlosserei Hellmuth zu sehen, allerdings nur im Maßstab 1:100. 

Und fertig war der Globus? Nicht ganz. Günther Hellmuth machte die Erdkugel drehbar und stellte zudem - wie in Wirklichkeit - ihre Erdachse um 23,5 Grad schief. Zu guter Letzt kam dem Kunstschlossermeister ein olympischer Gedanke: Sein Werk nur aus schwarzem Eisen wäre ihm etwas trist und unübersichtlich vorgekommen. So entschied er sich dafür, die Kontinente gemäß der olympischen Ringe einzufärben: Blau für Europa, Gelb für Asien, Rot für Amerika, Grün für Australien. Das Schwarz für Afrika indes hat er etwas mit Gold aufgehübscht.

Eine Weltkarte hilft bei der Orientierung auf dem Globus

Aber nicht nur die Farbgebung erleichtert die Orientierung. Günter Hellmuth hat als Hilfe für jeden Betrachter eine Weltkarte neben dem Globus aufgestellt - unter Glas und eingefasst in eine schöne Eisenkonstruktion, versteht sich. Und sogar mit Klappdeckel darüber, gegen das Ausbleichen bei gleißendem Sonnenlicht oder allzu starke Niederschläge.

Vom Nordpol zum Südpol ist jeder Längengrad auf dem Hellmuth'schen Globus gut zwei Meter lang, der "Bauchumfang", der Äquator, misst das doppelte. 40 000 Kilometer lang ist der echte Äquator. Er verläuft durch Ecuador, Kolumbien, Brasilien, Gabun, beide Kongos, Uganda, Kenia, Somalia und Indonesien. Alles Länder, die Günther Hellmuth wegen seines intensiven Berufslebens nie bereisen konnte. Er war in Österreich, in Spanien, "ansonsten bin ich nicht weit herumgekommen". Jetzt, wo der Beruf nur noch Hobby ist, zieht es ihn auch nicht in die weite Ferne. "Wir fahren viel Rad", sagte er über die Urlaube mit seiner Frau etwa am Fünf-Flüsse-Radweg.

Durchblick durch Längengrade und Kontinente: Kunstschlosser Günther Hellmuth hat seine Erdkugel auch geschmiedet, um seinem Enkelkind die Welt zu erklären. 
Foto: Martin Sage | Durchblick durch Längengrade und Kontinente: Kunstschlosser Günther Hellmuth hat seine Erdkugel auch geschmiedet, um seinem Enkelkind die Welt zu erklären. 

Ein Land, das seiner Branche heftige Konkurrenz und vielen Betrieben den Garaus gemacht hat, ist auf seinem Globus gelb und groß: China. Der asiatische Riese hat den Kunstschmiedemarkt überschwemmt mit Preisen, zu denen Handwerk in Deutschland nicht mal produzieren kann. Gartenmöbel, Pavillons, Rankhilfen - es gibt nichts, was heute nicht aus Fernost käme und im Baumarkt zu haben wäre. Günther Hellmuth mag froh sein, dass seine Schlosserei bis zuletzt gut lief - und sie für ihn heute nur noch Liebhaberei ist. 

Aber es scheint auch klar, dass - wenn er sein Werkzeug eines Tages ganz aus der Hand legt - wieder ein Stück einst so geschätzter deutscher Handwerkskunst verloren geht.

 
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