Einfach nur "Danke!" schreibt Simone Barrientos bei Facebook. Der knappe Kommentar der Bundestagsabgeordneten der Linken aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) ist bemerkenswert, wenn man die Adressatin kennt: Barrientos bedankt sich bei Dorothee Bär, ihres Zeichens Staatsministerin im Bundeskanzleramt und stellvertretende CSU-Parteivorsitzende aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge).
Wenn eine Linken-Politikerin öffentlich eine CSU-Frau lobt, muss etwas passiert sein. Und so ist es. Bär hatte sich zuvor mit der SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli solidarisiert. Die Berliner Landespolitikerin war in einem Artikel des konservativen Magazins "Tichys Einblick" über ihre Ambitionen, Bundestagsabgeordnete zu werden, in frauenverachtender Weise charakterisiert worden. Wörtlich hieß es dort: "Was spricht für Sawsan? (...) Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können in der Spezialdemokratischen Partei der alten Männer."
"In höchstem Maße sexistisch" seien diese Äußerungen, sagte Bär in einem Gespräch mit dem "Handelsblatt" und kündigte gleichzeitig ihre Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung, deren Vorsitzender seit 2014 der "Einblick"-Herausgeber Roland Tichy ist. Nach dem medialen Wirbel erklärte der umstrittene Publizist am Donnerstag, Ende Oktober nicht mehr für das Amt an der Spitze der Stiftung zu kandidieren. Eigenen Angaben zufolge setzt sich die Stiftung im Sinne des früheren Bundeskanzlers Ludwig Erhard (CDU) für die Stärkung und Fortentwicklung der sozialen Marktwirtschaft ein.
Bär zeigt sich derweil erfreut, dass ihre Entscheidung auf so viel Resonanz stieß: "Durchweg positiv" seien die Reaktionen von Politikern und Journalisten gewesen, sagt die Staatsministerin auf Nachfrage dieser Redaktion. Es seien längst nicht nur Frauen gewesen, die ihr Zustimmung signalisiert hätten. Unter anderem kündigten die CDU-Politiker Jens Spahn und Carsten Linnemann an, ihre Mitgliedschaft in der Stiftung wegen Tichy ruhen zu lassen. Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, nannte Tichys Rückzug die "einzig richtige Entscheidung".
Frauen und Männer sollen gemeinsam solidarisch sein
Sexismus sei wie Rassismus und Antisemitismus ein Problem, das die gesamte Gesellschaft betreffe, sagt Dorothee Bär. Gemeinsam sollten Frauen und Männer sich deshalb solidarisch mit den Betroffenen zeigen, "wo immer einzelne mit ihren Äußerungen das Klima vergiften". Auch sie werde regelmäßig in Zuschriften unter der Gürtellinie angegriffen, so die CSU-Politikerin. SPD-Kollegin Chebli aber müsse als Frau mit Migrationshintergrund noch deutlich mehr an Beleidigungen ertragen. Jeder, egal welcher Berufsgruppe oder welcher Partei er angehört, solle Stellung beziehen, wo immer Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden, so Bär weiter.
Die Staatsministerin unterstrich, "derartige Ausfälle" seien mit den Zielen der Erhard-Stiftung "absolut unvereinbar" und schadeten dem Ansehen des Namensgebers. Ludwig Erhards Ansinnen heute sei sicher nicht die Herabwürdigung von Frauen, sondern das Fördern weiblicher Karrieren. Erhard, dessen Familie aus Rannungen im Landkreis Bad Kissingen stammt, war von 1963 bis 1966 deutscher Bundeskanzler und gilt als "Vater" der sozialen Marktwirtschaft. Zu den 75 Mitgliedern der 1967 gegründeten Stiftung gehört neben vielen meist konservativen Politikern, Unternehmern und Journalisten auch der Würzburger Wirtschaftsprofessor Otmar Issing, von 1998 bis 2006 Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank.
Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, unter einem neuen Vorsitz doch noch in der Stiftung weiterzuarbeiten, sagte Bär, sie wolle erst einmal die Mitgliederversammlung im Herbst und die Neuwahl abwarten. Die Werte und Prinzipien Ludwigs Erhards seien ihr sehr wichtig. "Wenn der neue Vorsitz wieder für diese Ziele steht, dann steht meiner Unterstützung nichts im Wege."
Für die Haltung von Dorothee Bär gibt es auch Unterstützung aus ihrem Wahlkreis. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) sagte auf Nachfrage, sie finde die Reaktion gut. Es sei wichtig, dass prominente Frauen in der Politik, die oft Vorbild für andere seien, so deutlich Stellung gegen Sexismus beziehen. Das ermutige, so hofft Rottmann, gerade auch jüngere Frauen sich zu wehren. Sie seien nicht zuletzt in der Kommunalpolitik noch häufig "Alte-Herren-Sprüchen" ausgesetzt und trauten sich nicht, anzüglichen Bemerkungen zu widersprechen.
Chebli: Sexismus nicht länger hinnehmen
Sawsan Chebli bedankte sich via Twitter bei CSU-Kollegin Bär für deren "klare Haltung". Sie schrieb: "Wir dürfen nicht länger Sexismus hinnehmen. Wir brauchen aber auch Männer, die mit uns an einem Strang ziehen."
(Mit Informationen von dpa)
- komisch dass so ein Kommentar die MP-Kontrolle passiert