Weil sie im November letzten Jahres in einem Supermarkt in Ebelsbach ein Päckchen Kaugummi im Wert von 79 Cent mitgehen ließ, landete eine heute 19-Jährige vor dem Amtsgericht. Dass die "Pippifax"-Sache überhaupt in öffentlicher Sitzung verhandelt wurde, lag vor allem daran, dass die junge Dame schon zweimal vorher ebenfalls wegen Diebstahls vor einem Richter stand.
In der aktuellen Verhandlung ging es allerdings in erster Linie um die prekäre Situation, in der die Angeklagte steckt. Da sie selber aktiv darauf hinarbeitet, ihre Drogenprobleme mittels einer Langzeittherapie in den Griff zu kriegen, verzichtete das Jugendgericht auf eine Verurteilung.
Auf die Frage des Richters Christoph Gillot, ob sie sich zur Sache äußern wolle, gestand die zierliche Heranwachsende die Tat, indem sie halbherzig meinte: "Ich habe vergessen, den Kaugummi aus meiner Tasche herauszunehmen." Die Juristen schenkten dieser Einlassung keinen Glauben, sondern werteten diese Aussage als Geständnis.
Zerrüttete familiäre Verhältnisse
Da es sich um eine Verhandlung vor dem Jugendgericht handelte, beleuchtete die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe ausführlich den bisherigen persönlichen, schulischen und beruflichen Werdegang der Beschuldigten. Aufgewachsen im Steigerwald, litt das Mädchen schwer unter den innerfamiliären Spannungen und Brüchen.
Insbesondere die Trennung ihrer Eltern machte ihr schwer zu schaffen. Sie verblieb bei ihrer Mutter, die allerdings unter massiven gesundheitlichen Problemen leidet. Die Beziehung zwischen den Elternteilen ist dermaßen zerrüttet, dass die Mutter ihren Ex-Mann sogar bei der Polizei wegen angeblichen Kindesmissbrauchs anzeigte. Ein Vorwurf, der sich allerdings nicht bestätigte.
Drogen und ein zweifelhafter Freundeskreis
Nachdem das Mädchen die Mittelschule mit einem normalen Abschluss beendet hatte, besuchte sie danach eine hauswirtschaftliche Berufsfachschule. Da sie dort überhaupt nicht zurechtkam, schloss sie zur Berufsfindung eine BVJ-Maßnahme (Berufsvorbereitungsjahr) an. Doch auch hier kam es aufgrund von massiven Fehlzeiten zum Abbruch, denn zwischenzeitlich war sie in psychisch labiler Verfassung in einem zweifelhaften Freundeskreis gelandet, in dem mehr oder weniger regelmäßig illegale Drogen konsumiert wurden.
Hier kam die Angeklagte mit verschiedensten Drogen wie Cannabis oder Speed in Kontakt. Am schlimmsten aber sei die Begegnung mit dem Methamphetamin Crystal Meth gewesen. "Nachdem ich das ein einziges Mal genommen habe, wäre ich fast daran gestorben", berichtete die junge Dame mit leiser Stimme. Crystal Meth ist eine sehr potente und gefährliche Droge und auch der einmalige Konsum birgt erhebliche Risiken für die körperliche und geistige Gesundheit. Vor allem die Suchtgefahr ist massiv, denn Crystal Meth hat ein hohes Abhängigkeitspotenzial. Sogar nach einmaligem Konsum kann ein kaum kontrollierbares Verlangen auftreten.
Stationäre Langzeittherapie soll helfen
Die Angeklagte schilderte weiter, dass sie über Tage nichts mehr essen und trinken konnte. In dieser verzweifelten Situation wies sie ihr Hausarzt Anfang Juni dieses Jahres in die psychiatrische Klinik in Werneck (Lkr. Schweinfurt) ein. Dort blieb sie drei Wochen, bevor sie entlassen wurde.
Jetzt bemüht sich die junge Frau aktiv darum, eine stationäre Langzeittherapie anzutreten. Da die Kostenübernahme dafür bereits vorliegt, verzichtete das Jugendgericht auf eine Verurteilung. Der Vorsitzende schrieb der Heranwachsenden aber folgendes ins Stammbuch: "Sie müssen die Therapie nicht nur anfangen, sondern bei schwierigen Phasen auch durchhalten. Sonst landen Sie wieder bei den Drogen und danach auch wieder hier vor Gericht!"