
Das Klima ist gut zurzeit, zumindest im politischen Sinne für die Grünen. In diesem Jahr ist die Partei bundesweit um mehr als 10 000 Mitglieder auf jetzt rund 90 000 gewachsen – ein Rekordhoch, das auch vielen jungen Neumitgliedern zu verdanken ist. Das Wachstum beflügelt, auch im Landkreis Haßberge. Hatte es dort lange Zeit mit den Knetzgauern nur einen einzigen grünen Ortsverband gegeben, gesellte sich im Juni in Theres ein weiterer dazu. Seit Freitag hat nun auch der nördliche Landkreis einen grünen Ableger: Acht Gründungsmitglieder bezeugten im Gasthof Frankenstuben die Geburt des Bündnis 90/Die Grünen-Ortsverbandes Ebern.
„Dass so viele kommen, hätte ich nicht geglaubt“, zeigte sich Grünen/EAL-Stadtrat Klaus Schineller, auf dessen Initiative die Neugründung zustande kam, beeindruckt. Zwei weitere Mitglieder konnten gleich an diesem Abend gewonnen werden, ein starker Beginn, der auch belegte: „Grün“ ist man im Eberner Raum schon lange. Ihre Heimat fanden die Anhänger einer umweltfreundlichen Politik bislang in der „Eberner Alternativen Liste“ (EAL), 2007 gegründet aus dem Widerstand gegen die Rotaparkpläne des damaligen Stadtrates für das ehemalige Bundeswehrgelände, das heute mit einem blühenden Gewerbegebiet und einer beispiellosen Biodiversität punktet.
Die EAL wird es auch weiterhin noch geben, bekräftigte Klaus Schineller; einige der EAL-Mitglieder traten nun auch den Grünen bei, andere, wie EAL-Gründungsmitglied Kurt Langer, bleiben parteilos. Unterstützen wolle er den Grünen-Ortsverband aber dennoch nach Kräften, so Langer, der der Gründungsversammlung ebenso beiwohnte wie Klaus Mandery, Vorsitzender des Instituts für Biodiversitätsinformation (IfBI) in Ebern und BN-Kreisvorsitzender.
Gefühlt 1000 Jahre alt
Grüne Themen beschäftigen vor allem auch die Jugend, die dafür nicht nur mit Demonstrationen und anderen Aktionen aktiv wird. Auch in Ebern waren es Jugendliche, die den Anstoß zur Gründung eines eigenen Grünen-Ortsverbandes gegeben hatten. So berichtet es Klaus Schineller: Er sei in letzter Zeit verstärkt von jungen Leute angesprochen worden, die mit den drei Buchstaben „EAL“ nichts anzufangen wüssten. „Wir kennen euch nicht, und wenn, dann seid ihr ja gefühlt 1000 Jahre alt“, habe man ihm gesagt. „Und ich habe mal nachgerechnet: Das kommt hin“, schmunzelt Schineller.
Ihn beeindrucke das nachhaltige Engagement der jungen Leute. „Bei den Demos haben alle geglaubt, dass die in ein paar Wochen verschwinden, aber die Jugend hat‘s allen gezeigt“, sagt er anerkennend. Diese jungen engagierten Menschen hofft man nun durch die Gründung eines Grünen-Ortsverbands zu erreichen. Einer davon ist Leo Ruppert, der dem jungen Ortsverband noch am Freitag beitrat. Der Eberner Gymnasiast war mit seiner Nachfrage bei Schineller maßgeblich für die Gründung mitverantwortlich und zeigt sich nun „gespannt, was daraus wird“.
Acht Gründungsmitglieder
Nötig gewesen wären drei Gründungsmitglieder (so wie jüngst in Theres), zur Wahl des ersten Ortsvorstandes schritten in Ebern dann stolze acht. Einstimmig zur Sprecherin gewählt wurde Anne Schneider. Die Heubacherin, in Ebern bekannt als langjährige EDV-Dozentin und Betreiberin eines Reittherapiezentrums, ist seit vielen Jahren beim Bund Naturschutz aktiv. Bei der Wahl des Sprechers setzte sich Klaus Schineller mit 5:3 Stimmen gegen Bernd Bullnheimer durch.
Der 52-jährige Maschinenschlosser und Bio-Landwirt aus Bischwind hofft nun auf weiteres Gedeihen der „grünen Sache“, ob mit weiteren Stadtratssitzen oder gar einer Grünen Jugend in Ebern. Den Vorstand komplettiert EAL-Gründungsmitglied Alexander Hippeli. Der Eberner ist auch als BN-Geschäftsstellenleiter in Ebern bekannt.
49 Ortsverbände in Unterfranken
49 Ortsverbände sind es damit nun in Unterfranken, was auch Grünen-Bezirksvorsitzende Simone Artz (Würzburg) begrüßt. „Die Haßberge sind riesengroß, da ist es wichtig, dass es nicht nur den Kreisverband, sondern auch Ortsverbände direkt vor Ort gibt“, sagt sie. „Wir kommen der 50 ganz nah“, freut sich auch Volkhard Warmdt, Geschäftsführer der Grünen in Unterfranken, der die Wahl in Ebern leitete. „Auch für mich ist das eine ungewöhnliche Entwicklung“, gesteht der Schweinfurter MdL Paul Knoblach: „Es gibt heute überall Parteien, die ihre Ortsverbände zusammenlegen, weil es nicht mehr reicht, und wir gründen neue.“
„Mit der Gründung eines Ortsverbandes Ebern beschreiten wir konsequent weiter den Weg der Erneuerung“, sagt schließlich der Zeiler Grünen-Kreisrat und Kreisvorstand Harald Kuhn. Ebern sei schon immer eine „Hochburg“ gewesen, in der „im Umweltschutz Zeichen gesetzt wurden“, lobt er. Nun kehre auch politisch „ein Stück Normalität“ ein, was gerade auch regional wichtig sei: „Der CO2-neutrale Landkreis ist keine Utopie, sondern ein Gebot der Stunde“, so Kuhn. Ein Klimawandel gewissermaßen in der gesellschaftlichen Meinung, der auch für Ebern gilt. „Man wollte uns früher in die Hecken werfen und die Hecken anzünden“, berichtet Klaus Mandery über die Zeiten der Flurbereinigung. Heute schätze man die Experten-Meinung viel höher ein.
Einsamer Grüner im Stadtrat
Auch der erste EAL-Stadtrat, der ab 2008 mit Oliver Kröner als Einzelkämpfer ökologische Interessen im Eberner Stadtrat vertrat, hatte einst einen sehr schweren Stand im Gremium. Kröner trat zur Wahl 2014 aus beruflichen und familiären Gründen nicht noch einmal an; seinen Platz am Ratstisch übernahm Klaus Schineller, der im aktuellen Gremium zwar eine positivere Einstellung gegenüber den „grünen“ Belangen feststellt, sich aber für die kommende Wahlperiode noch sehnlichst personelle Unterstützung wünscht. „Ich habe mich manchmal als ,Grüner‘ schon recht einsam gefühlt“, gesteht er.
Bereits 2008 war die EAL als Wählergemeinschaft auf einer Liste mit Bündnis 90/Die Grünen angetreten, die Namenswahl für 2020 ist dagegen noch offen. Es gebe sowohl die Ansicht, mit einer explizit „Grünen“-Liste für mehr frischen Wind und geneigte Wähler zu sorgen, für „EAL/Grüne“ wie bisher bestehe jedoch ebenfalls Zuspruch, heißt es. Fest steht, dass es genügend Engagierte geben wird, die sich auf dieser Liste zur Wahl stellen wollen.
Kreistagsliste füllt sich
Das gilt offenbar auch für die Kreistagsliste. „Früher mussten wir die Plätze dreifach belegen, weil zu wenig Kandidaten da waren, heute sieht‘s besser aus“, sagt Grünen-Kreisrat Harald Kuhn aus Zeil. 60 Plätze stehen auf der Kreistagsliste zur Verfügung, einige werden wohl auch von Ebernern besetzt werden. Da sich die Grünen als feministische Partei verstehen, ist eine alternierende Belegung nicht nur Ehrensache, sondern Pflicht. Nachdem sich aber auch hier oftmals mehr Männer als Frauen berufen fühlen, sind die Kreis-Grünen noch auf der Suche nach weiblichen Kandidaten. Die Absage von Oliver Kunkel als Landrats-Kandidat bedauert der Kreisvorstand zwar, von einem neuen Kandidaten sieht man derzeit aber ab.
Jetzt ist Oberaurach an der Reihe
Kaum ist der dritte Grünen-Ortsverband in den Haßbergen gegründet, steht die Gründung des vierten bevor: Am 22. Oktober soll es dann in Oberaurach soweit sein.