
"Es wäre klug von Ihnen gewesen, echte Reue zu zeigen und ein Geständnis abzulegen", sagte Richter Christoph Gillot in seiner Urteilsbegründung. Dann wäre aufgrund mildernder Umstände das Urteil wahrscheinlich niedriger ausgefallen. So aber erhielten zwei junge afghanische Asylbewerber wegen Ladendiebstahls eine relativ hohe Strafe. Während einer der beiden zu einer Geldstrafe von 900 Euro Geldstrafe verurteilt wurde, muss der andere sogar für eine Woche ins Jugendgefängnis.
Was war geschehen? Wie man aufgrund der Überwachungskamera eines Supermarktes – die Aufnahmen wurden in der Gerichtsverhandlung abgespielt – erkennen konnte, betraten die beiden 19-Jährigen am 12. Februar dieses Jahres den Discounter in Haßfurt. In ihrem Einkaufswagen landeten Kartoffeln, Eier, Nüsse, Äpfel und ziemlich teure Nahrungsergänzungsmittel. Dann gingen beide zu einer Selbst-Scanner-Kasse.
Der Inhaber verständigte die Polizei
Dort zogen sie die Lebensmittel ordnungsgemäß über den Scanner. Die Nahrungsergänzungsmittel – es handelte sich um konzentrierte Proteine – sollen sie dabei aber nicht gescannt haben, so die Anklage. Das bemerkte eine Mitarbeiterin des Marktes. Der Inhaber stellte die beiden mutmaßlichen Diebe und verständigte die Polizei.
Anschließend befragte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe die Angeklagten zu ihrem bisherigen Lebenslauf. Als beide gerade mal 16 Jahre alt waren, kamen in Afghanistan die Taliban an die Macht und sie flohen aus dem Land, berichteten sie. Einer der beiden erzählte, dass sein Vater als Kommandeur einer polizeilichen Einheit von den Taliban getötet worden sei.
Als einziger aus seiner Familie habe er es geschafft, über die Grenze in den Iran und in die Türkei zu gelangen. In vielen Ländern habe er sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen, bevor er über die Balkanroute durch Bulgarien und Serbien vor einem guten Jahr nach Deutschland gekommen sei. Jetzt besuche er – gemeinsam mit seinem Freund – einen Integrationskurs an der Haßfurter Berufsschule.
Einer der Angeklagten arbeitet Vollzeit
Dieser Kurs findet täglich am Vormittag statt. Danach, so erzählte er mit Hilfe eines Dolmetschers weiter, gehe er zum Bahnhof und fahre zu einem Logistikzentrum in der Region, wo er bis 22 Uhr arbeite. Anschließend fahre er wieder mit dem Zug zurück. Für diese Vollzeittätigkeit erhalte er zwischen 1600 und 1800 Euro netto monatlich, erklärte er auf Nachfrage. Von diesem Lohn schicke er etwa 1000 Euro an seine Familie in Afghanistan, damit diese überleben könne.
Wie die Jugendgerichtshilfe regte auch der Staatsanwalt an, aufgrund der schlimmen Fluchterfahrungen das mildere Jugendstrafrecht anzuwenden. Diese Auffassung teilte der Vorsitzende. Um den Jugendlichen aber klarzumachen, dass sie sich an Regeln und Gesetze zu halten haben, verhängte er an denjenigen, der ganztags arbeitet, die Geldstrafe. Der andere, der nur den Kurs besucht, muss für eine Woche ins Gefängnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.