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Bamberg
Im Drogenrausch die Stieftochter missbraucht: Warum der 47-jährige Angeklagte trotzdem keine Haftstrafe erhielt
Der Fall von sexuellem Missbrauch wurde am Landgericht Bamberg verhandelt – und gewährte tiefe Einblicke in die Psyche eines Drogenabhängigen.
Die Außenfassade des Landgerichts Bamberg. Am Donnerstag wurde dort ein Fall von sexuellem Missbrauch verhandelt. (Symbolbild)
Foto: Daniel Karmann, dpa | Die Außenfassade des Landgerichts Bamberg. Am Donnerstag wurde dort ein Fall von sexuellem Missbrauch verhandelt. (Symbolbild)
Martin Schweiger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:17 Uhr

Weil er seine 13-jährige Stieftochter sexuell missbraucht hat, hat das Landgericht Bamberg am Donnerstag einen 47-jährigen Mann aus dem Landkreis Haßberge in eine Fachklinik geschickt, wo er sich einer Entziehungskur unterziehen muss.

Bei einem nächtlichen Besuch im Kinderzimmer seiner Stieftochter hatte der drogenabhängige Angeklagte diese sexuell missbraucht. Es ging ihm aber nach Überzeugung des Gerichts dabei wohl nicht um die eigene Erregung. Vielmehr habe er in einem durch Drogen hervorgerufenen Verfolgungswahn im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt. Die Große Jugendkammer am Landgericht sah daher davon ab, den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe zu verurteilen.

Blutprobe belegt den Drogenkonsum des Mannes

Ein Blick auf die Ereignisse: Kurz nach zwei Uhr nachts begibt sich der Mann in der Tatnacht in das Zimmer des 13-jährigen Mädchens. Dort kommt es zu Berührungen, aber nicht zu gewaltsamen Aktionen oder zu eindeutigen sexuellen Handlungen, wie es später vor Gericht heißt. Als der 47-Jährige aus dem Kinderzimmer geht, kann die 13-Jährige die Türe verschließen. Sie springt aus dem Fenster und läuft zu einer Freundin, der sie den Vorfall schildert, woraufhin die Polizei zu Hilfe gerufen wird.

Eine Blutprobe wird später belegen, dass der 47-Jährige Methamphetamin und Marihuana konsumiert hat. Zu den Vorwürfen äußert er sich weder vor der Polizei noch vor dem Ermittlungsrichter. Auch in Untersuchungshaft in der JVA Bamberg hüllt er sich in Schweigen.

Erst dem psychiatrischen Gutachter erzählt er Monate nach der Tat seine Geschichte. Es sei ihm nicht um sexuelle Dinge gegangen, sondern darum "die Anderen" aus der Reserve zu locken. Seine Stieftochter sei Teil einer Verschwörung, um ihn ins Gefängnis zu bringen. Schließlich habe er so viele wertvolle Informationen.

Verfolgungswahn wegen Crystal-Meth-Konsum

Seit zwei Jahrzehnten nimmt der Mann immer wieder Crystal Meth. Auch kurz vor seinem nächtlichen Übergriff hat er die Droge geraucht, wie es vor Gericht heißt. Das Rauschgift erzeugt bei ihm offenbar einen psychotischen Zustand. Die Folgen: Verfolgungs- und Größenwahn. Dann denkt er, der russische Geheimdienst sei hinter ihm her. Er glaubt, in seiner Wohnung und im Keller Abhörwanzen gefunden zu haben. Man habe ihm einen Mikrochip implantiert, um ihn unter Kontrolle zu haben. Der 47-Jährige meint sogar, man wolle ihn aus dem Weg räumen. Die Wesensveränderung habe einige Wochen vor dem Übergriff im Kinderzimmer eingesetzt, heißt es vor Gericht.

Es ist nicht die erste psychotische Episode

Vor 14 Jahren hat der Mann schon einmal eine solch psychotische Episode erlebt. Damals glaubt er, seine Freundin sei von russischen Agenten mit Ammoniak vergiftet worden. Seiner Meinung nach übrigens nicht der erste Todesfall dieser Art einer ihm nahestehenden Person. Auch sein Vater sei 1983 ein Opfer des sowjetischen Militärs geworden. Mit dem toten Vater unterhält sich der Mann immer wieder.

Dann wieder denkt er, die feindlichen Spione hätten dafür gesorgt, dass er seinen Arbeitsplatz verloren habe. Auch seinen Führerschein verliert er. Da hatten jedoch keine dunklen Mächte ihre Finger im Spiel. Dreimal erwischt ihn die Polizei mit Alkohol und Drogen im Blut am Steuer.

Gericht sieht keinen sexuellen Hintergrund

Am Ende verurteilte die Jugendschutzkammer den Mann am Donnerstag wegen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes, eines sexuellen Übergriffs und des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zu einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Allerdings auf Bewährung. Der Vorsitzende Richter Markus Reznik sah einen Zusammenhang zwischen Crystal Meth, den psychotischen Zuständen und den Straftaten, aber keinen sexuellen Hintergrund.

Die Kriminalpolizei Schweinfurt hatte keinerlei Hinweise auf pädophile Neigungen, kinderpornographisches Material oder frühere Sexualstraftaten ausfindig machen können, wie es vor Gericht hieß. Zudem ist der Mann nicht vorbestraft, seine Ehefrau und Mutter der Stieftochter hält zu ihm, und seine Arbeitsstelle wird er nach der Therapie wohl auch wieder antreten können.

Nun muss der Mann sich in den nächsten Monaten in eine Fachklinik begeben, um dort vom Rauschgift loszukommen. Danach wird er sich in ambulante Behandlung begeben, um die Wahrscheinlichkeit von Rückfällen zu verringern. Bis dahin und in den nächsten fünf Jahren muss er die Finger von Drogen, nicht verschriebenen Medikamenten und Alkohol lassen.

 
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