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Haßfurt
Hochschulstandort: Haßfurt wird zum Kunststoff-Mekka
Ein Forschungszentrum als Gemeinschaftsprojekt von Stadt, Landkreis Haßberge und FH Würzburg-Schweinfurt entsteht. Im Wintersemester 2023 soll der Betrieb richtig anlaufen.
Hier auf dem Gelände der Berufsschule in Haßfurt, im Bereich der ehemaligen Bauabteilung (Gebäude D), wird ein Kunststoffkompetenzzentrum entstehen - vorausgesetzt das Bayerische Wissenschaftsministerium stimmt zu.
Foto: Jonas Keck | Hier auf dem Gelände der Berufsschule in Haßfurt, im Bereich der ehemaligen Bauabteilung (Gebäude D), wird ein Kunststoffkompetenzzentrum entstehen - vorausgesetzt das Bayerische Wissenschaftsministerium stimmt zu.
Martin Sage
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:39 Uhr

Verläuft alles nach Plan, dann werden sich ab Wintersemester 2023/24 die ersten Studentinnen und Studenten in Haßfurt im Rahmen von Bachelor- oder Masterarbeiten mit allen möglichen Aspekten von Kunststoffrohren und den sie aufbauenden Materialien befassen. Etwa mit der Erhöhung der Haltbarkeit der Rohre, mit ihrer Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen, mit dem Recycling am Lebensende oder mit "smart pipes",  mit intelligenten Rohren, die zum Beispiel selbstständig das Wasser abschalten, wenn die Badewanne überzulaufen droht.

Seit Montagnachmittag steht fest: Der Landkreis und die Kreisstadt bekommen - vorbehaltlich der Zustimmung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst - mit dem Kunststoffkompetenzzentrum eine wichtige Forschungseinrichtung, die exakt auf ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt zugeschnitten ist: Und zwar auf die Produktentwicklung und Produktion von Rohren, Schächten, Kabelschutzsystemen und Systemkomponenten aus Kunststoff für die Industrie, Automotive, Hoch- und Tiefbau, Medizintechnik und viele Bereiche mehr - einschließlich des dazugehörigen Maschinenbaus. Gut zehn Unternehmen im Kreisgebiet haben sich in diesem Segment als Global Player positioniert, darunter die Fränkischen Rohrwerke in Königsberg, Unicor in Haßfurt oder Valeo in Ebern.

Haßbergkreis: Jeder vierte feste Job in der Kunststoffindustrie

Nicht nur diese Unternehmen hätten ein großes Interesse daran, ihre Marktposition zu halten oder zu stärken, sondern auch der Landkreis, betonte Landrat Wilhelm Schneider (CSU) am Montag in Haßfurt. Denn gut ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Landkreis arbeitet in dieser Branche. Da will die Region mit einer Forschungseinrichtung der heimischen Industrie bei verschiedensten Entwicklungsaufgaben unter die Arme greifen und mit dafür Sorge tragen, dass genügend Fachkräfte aus- und weitergebildet werden.

Landrat Wilhelm Schneider verrät, wohin das 'Kunststoffkompetenzzentrum' kommt. Auf das Areal der Berufsschule in Haßfurt und zwar in die ehemalige Bauabteilung ('Gebäude D').
Foto: Martin Sage | Landrat Wilhelm Schneider verrät, wohin das "Kunststoffkompetenzzentrum" kommt. Auf das Areal der Berufsschule in Haßfurt und zwar in die ehemalige Bauabteilung ("Gebäude D").

Und dafür nehmen der Landkreis und die Kreisstadt viel Geld in die Hand:  Am Montag machten in der Haßfurter Stadthalle der Kreistag Haßberge und der Stadtrat Haßfurt in einer gemeinsamen Sitzung jeweils einstimmig und mit großer Begeisterung den Weg frei für die von den beiden Kommunen zu stemmende Finanzierung des Projekts. Als da wären: eine auf fünf Jahre befristete Stiftungsprofessur, für die 130 000 Euro im Jahr anfällt (hier stehen Beteiligung von IHK, Handwerkskammer und örtlichen Kreditinstituten in Aussicht). Im Erfolgsfall übernimmt der Freistaat nach fünf Jahren die Personalkosten für die Professur. Und als Löwenanteil: die Bereitstellung der Räumlichkeiten. Der Standort für das Kunststoffkompetenzzentrum steht bereits fest, es ist jenes Gebäude innerhalb des Berufsschulareals, in dem bislang die Bauabteilung ("Gebäude D) untergebracht war. Sanierung und Umgestaltung für die neuen Zwecke sollen 5 bis 6 Millionen Euro verschlingen, wirklich belastbar seien diese Zahlen aber noch nicht, betonte der Landrat.

Kein weißer Fleck in der Hochschullandschaft mehr

Für Schneider - und genauso für Haßfurts Bürgermeister Günther Werner (Wählergemeinschaft Haßfurt) ist das Forschungszentrum auch deshalb ein großer Erfolg, weil der östlichste Landkreis Unterfrankens zuletzt als einziger in der Hochschullandschaft ein weißer Fleck war. Studenten müssen den Landkreis verlassen und kehren nach dem Studium gar nicht mehr oder erst relativ spät wieder in die Heimat zurück. Was nicht nur an der Attraktivität der großen Städte liegt, sondern auch am zu geringen Arbeitsplatzangebot auf dem dünn besiedelten Land.

"Wegen der schönen Landschaft kommen keine Studenten in den Landkreis", stellte jedenfalls Marco Siller fest, der als Diplomingenieur bei den Fränkischen Rohrwerken maßgeblich am Konzept für das Forschungszentrum gearbeitet hat. Es seien vielmehr die Hochschulen mit ihren verschiedenen Studiengängen, die die jungen Leute anziehen, klärte Siller auf. "Wir müssen Flagge zeigen, dass wir das Kunststoff-Mekka in Deutschland und Europa sind", wünschte sich Siller von allen Beteiligten - und dazu gehöre die entsprechende Forschungs- und Hochschulkompetenz, die es bislang im weiten Umkreis nicht gebe. Auch Landrat Schneider hatte festgestellt, dass gerade die für die heimischen Unternehmen wichtige Wellrohr-Herstellung in der Ausbildung von Technikern und Ingenieuren nur am Rande gestreift werde - die Mitarbeiter die Spezialkenntnisse also erst in den Betrieben lernen müssten. 

Hochschulpräsident: Es wird gut laufen

Prof. Robert Grebner, Präsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS), stellte heraus, dass sein Haus voll hinter dem Technologietransferzentrum in Haßfurt stehe. "Wir gehen davon aus, dass es gut laufen wird", sagte Grebner. Prof. Volker Herrmann, der an der FHWS den Studiengang "Kunststoff- und Elastomertechnik" leitet, versprach den Unternehmen von der Haßfurter Einrichtung Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen und potentielle künftige Mitarbeiter. Umgekehrt freute sich Herrmann aus Hochschulsicht über "den Einzug praxisrelevanter Themen in Forschung und Lehre".

Prof. Volker Herrmann von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt zeigt, was das Kunststoffkompetenzzentrum seiner Meinung nach alles alles braucht: Darunter zwei komplette Produktionslinien für Glatt- und Wellrohre
Foto: Martin Sage | Prof. Volker Herrmann von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt zeigt, was das Kunststoffkompetenzzentrum seiner Meinung nach alles alles braucht: Darunter zwei komplette Produktionslinien für Glatt- und Wellrohre

Herrmann zufolge soll das Zentrum über zwei vollständige Produktionslinien für Glattrohre und Wellrohre verfügen, über eine Recycling-Anlage für Kunststoffrohre und Produktionsabfälle, über Prüf- und Messlabore, Besprechungsräume und Lager. Er sprach hier von Investitionen in Höhe von rund fünf Millionen Euro und von Personalkosten in den ersten fünf Jahren von rund 3,2 Millionen Euro. Neben der Stiftungsprofessur sind vier Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, zwei Stellen im Labor und zwei Jobs in der Verwaltung angedacht. Jedes Jahr könnten hier etwa 60 Studenten aufschlagen, später würden weitere Hochschullehrer hinzukommen.

Das im Enstehen begriffene Haßfurter Kunststoffkompetenzzentrum (sein Name steht noch nicht endgültig fest) darf nicht verwechselt werden mit dem seit 2005 bestehenden Süddeutschen Kunststoffzentrum (SKZ) in Lengfeld. In Deutschland bestehen bereits Kunststoffkompetenzzentren, etwa in Merseburg und Lübeck, die aber andere Schwerpunkte gesetzt haben.

 

Liebe Leserinnen und Leser, 
in unserer ersten Online-Fassung dieses Beitrags über das Kunststoffkompetenzzentrum haben wir als Gebäude für das Zentrum irrtümlicherweise das IT-Lernzentrum abgebildet. In Wirklichkeit wird das Forschungszentrum in der ehemaligen Bauabteilung eingerichtet (siehe oben). Die Redaktion bedauert diesen Fehler.

 
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