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WÜRZBURG
SKZ zeigt, was mit Kunststoff möglich ist
Auf der grünen Wiese: Das Süddeutsche Kunststoffzentrum SKZ hat seit zehn Jahren seinen Standort am Friedrich-Bergius-Ring.
Foto: SKZ | Auf der grünen Wiese: Das Süddeutsche Kunststoffzentrum SKZ hat seit zehn Jahren seinen Standort am Friedrich-Bergius-Ring.
Pat Christ
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:57 Uhr

Es gibt Kinder, deren Köpfchen bei der Geburt stark verformt sind. Es ist an einer Seite abgeflacht oder arg lang gezogen. Mit speziellen Helmen, „Kopforthesen“ genannt, wird die Verformung korrigiert. Solche Orthesen will das Süddeutsche Kunststoff-Zentrum (SKZ) in Würzburg künftig herstellen. „Erste Probeversuche sind äußerst vielversprechend“, sagt Martin Bastian, Professor für das Fachgebiet „Technologie polymerer Werkstoffe“ an der Universität Würzburg und Direktor des SKZ.

Die Kopforthesen werden aus einem Verbundwerkstoff bestehen. Allerdings sollen sie nicht mit Spritzgießtechnik, dem klassischen Verfahren in der Kunststoffproduktion, fabriziert werden. „Wir möchten sie mit Hilfe von 3D-Druck herstellen“, sagt Bastian. Und zwar mit einer speziellen Druckmaschine, die in diesem Jahr im Technologiezentrum des SKZ in Betrieb genommen wurde. Der Drucker zeichnet sich durch hohe Geschwindigkeit und extrem hohe Präzision aus. „Sowohl Soft- als auch Hardware wurden von uns selbst entwickelt“, sagt SKZ-Chef Martin Bastian. In diesem Herbst erst präsentierten die SKZ-Tüftler die Maschine auf der Kunststoffmesse in Friedrichshafen.

„Inzwischen platzen wir schon wieder aus allen Nähten.“
Professor Dr. Martin Bastian Direktor des SKZ

Seit genau zehn Jahren gibt es das SKZ-Technologiezentrum am Würzburger Friedrich-Bergius-Ring. Rund 15 Millionen Euro wurden während der zweijährigen Realisierungszeit in die Forschungs- und Entwicklungsstätte investiert. Mit knapp 45 Prozent der Investitionskosten unterstützte der Freistaat das Zentrum. Laut Institutsdirektor Martin Bastian war die Einrichtung von Beginn an so attraktiv, dass sie Fachkräfte aus der ganzen Welt anzog und bis heute anzieht: „Unsere Anlagentechnik zum Beispiel ist weltweit einzigartig.“

Über 250 Kunststofftechniker, Physiker, Chemiker, Maschinenbauer und Wirtschaftswissenschaftler sind heute im Technologiezentrum beschäftigt – etwa doppelt so viele wie zum Zeitpunkt der Eröffnung. Aus Frankreich, Kroatien, Pakistan und Indien kommen Spezialisten nach Würzburg, um in einem der über 30 Labore in multiprofessionellen Teams tätig zu sein. Zu forschen gibt es rund um das Thema Kunststoff eine ganze Menge, sagt Bastian: „Weshalb wir inzwischen schon wieder aus allen Nähten platzen.“

Für 2016 ist deshalb eine Erweiterung geplant: „Wir wollen unser Zentrum um eine Modellfabrik ergänzen.“ Viele innovative Produkte wurden in den vergangenen zehn Jahren im Technologiezentrum entwickelt. Vor wenigen Jahren konnte zum Beispiel ein Thermografieverfahren erfolgreich am Markt platziert werden. Dieses Analyseverfahren ermöglicht direkt im Herstellungsprozess die komplette Kontrolle der Produktion. Das hilft, Fehler zu vermeiden und Kosten durch Ausschuss zu senken.

Die im SKZ entwickelten antimikrobiellen Kunststoffe ermöglichen es Kliniken, mit weniger Reinigungsaufwand zu mehr Hygiene zu kommen. Die Kunststoffe sind von sich aus in der Lage, Keime etwa auf Türklinken zu reduzieren. Ein weiteres Themengebiet im SKZ stellen Verbundwerkstoffe dar. Kunststoff, so Bastian, lässt sich mit fast allen anderen Materialien verbinden: Mit Glas, Metall, Holz oder auch nachwachsenden Rohstoffen.

Ein SKZ-Mitarbeiter ist soeben damit beschäftigt, kleine cremefarbene Spielzeugpferdchen herzustellen. „Die bestehen zu über 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen“, erläutert der Institutsdirektor. Ein bekannter Spielwarenhersteller aus der Nähe von Stuttgart beauftragte das SKZ, ein Kunststoffmaterial mit sehr geringem Ölanteil herzustellen. Der Auftrag passt gut ins Forschungsportfolio, sucht das Würzburger Institut doch seit langem nach Wegen, den Verbrauch der endlichen Ressource Öl bei der Herstellung von „Polymeren“, wie Kunststoffe in der Fachsprache heißen, zu reduzieren.

Zu den wichtigsten Themen neben der Erforschung neuer Verbundmaterialien auf Kunststoffbasis gehört der 3D-Druck. Dabei arbeiten die Teams des SKZ nicht nur mit Würzburgs Medizinern zusammen. Auch zur Blindeninstitutsstiftung gibt es Kontakte: „Ist es doch mit Hilfe des 3D-Drucks einfach möglich, Tastmodelle für blinde Menschen anzufertigen.“

Aber auch komplizierte Elemente wie ein vollkommen bewegliches Getriebe sind mit Hilfe einer Lasersinteranlage in einem einzigen Produktionsschritt herstellbar. Mit traditionellen Methoden wäre die Produktion am Stück gar nicht möglich. Ein weiteres wichtiges Forschungsprojekt betrifft Prüfmethoden zur Feststellung der Langlebigkeit eines Produkts. „Trinkwasserrohre müssen zum Beispiel 100 Jahre lang halten“, sagt Institutsdirektor Bastian. Ob ein Material über die entsprechende Dauerhaftigkeit verfügt, wurde bisher in einem zweijährigen Prüfverfahren getestet.

Nun sind zwei Jahre viel zu lang für ein Unternehmen, das eine Innovation vor seinen Konkurrenten auf den Markt bringen möchte. Das Team des SKZ-Technologiezentrums prüft deshalb gerade Methoden, die eine wesentlich raschere Langlebigkeitsuntersuchung ermöglichen.

Bild aus einem der Praxislehrgänge, die das SKZ neben den Forschungstätigkeiten in der Technika durchführen.
Foto: SKZ | Bild aus einem der Praxislehrgänge, die das SKZ neben den Forschungstätigkeiten in der Technika durchführen.
SKZ Technologiezentrum       -  Entwickler in Sachen Kunststoff: Im Technikum entwickeln die Mitarbeiter des SKZ neue Verfahren und Anwendungen.
Foto: SKZ | Entwickler in Sachen Kunststoff: Im Technikum entwickeln die Mitarbeiter des SKZ neue Verfahren und Anwendungen.
 
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