Helga Angerer hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. "Runenhex" zu sein ist für die 53-Jährige mehr als nur ein Job, es ist Lebenseinstellung und die Erfüllung ihres Lebenstraumes, wie sie sagt: "Runenhex steht für das, was ich mir über Jahrzehnte selber aufgebaut habe und wofür ich brenne."
Seit 2019 lebt und arbeitet sie in Pfarrweisach. Als sie den "Heilhof" zum ersten Mal gesehen hat, war es um sie geschehen: "Das Haus hat es mir gleich angetan und hier gibt es so viele Kraftorte." Seitdem ist die Runenhex auf dem "Heilhof" in Pfarrweisach zuhause. Hier veranstaltet sie Workshops, arbeitet mit Runen und bewirtet Gäste, die sich hier eine Auszeit nehmen wollen. Die Nachfrage nach den Riten der Germanen ist groß. Als germanische Schamanin vermählt sie Ehepaare, hält Trauerreden oder Namensgebungen ab.
"Runenhex" ist mehr als nur ein Name
"Runen" und "Heil" - was sich aufgrund der nationalsozialistischen Vereinnahmung befremdlich anhört, hat eine lange Tradition in der germanischen Mythologie, die Helga Angerer den Menschen wieder ins Gedächtnis rufen will: "Für die Germanen lag die Vollendung in einem 'heilen' Zuhause. Heil zu sein bedeutet, im Einklang mit der Natur zu sein. Sich zu erden, wie die tiefen Wurzeln eines Baumes, aber auch ausgesöhnt mit der eigenen Familie zu leben, das war ihnen das Wichtigste im Leben."
Ihren Namen "Runenhex" hat sie bewusst gewählt: "Die Menschen sollen die Runen wieder als Teil unserer ältesten Vergangenheit wahrnehmen. Es sind die uralten Zeichen Mittel- und Nordeuropas, die mit dem Weltenbaum-Kult um "Yggdrasil" zusammenhängen. Mit den Nazis hat das nichts zu tun."
Angefangen hat die Runenhex auf den Mittelaltermäkten
Mit den Runensteinen hat alles angefangen, für die sie sofort "ein schnelles, klares Verständnis" hatte. Was zunächst nur ein Hobby war, wurde zur Lebensaufgabe. 2004 hat sie das Runenwerfen zum ersten Mal auf einem Mittelaltermarkt angeboten, ihren Marktstand nannte sie "Runenhex", "so ist der Name entstanden", erzählt sie. Die "Runenhex" wird zum Erfolgsmodell auf den Mittelaltermärkten: "Die Leute haben mir die Bude eingerannt, die waren total begeistert." Die Runen sind aber "keine Wahrsagerei", wie sie sagt, "die Runen vermitteln, wie man die eigenen Stärken und Kräfte nutzen kann, um ein Ziel zu erreichen, aber machen muss der Mensch es selber."
Runenhex zu sein ist für Helga Angerer mehr als nur eine Markt-Attraktion. Für sie bedeutet es im Einklang mit der Natur zu leben, die sie umgibt. Das ist ihr wichtig: "Im Indigenen Schamanismus haben die Menschen eine besondere Verbindung zur Natur in dem Land, in dem sie leben." Es gehe darum, die Kraft der Natur zu entdecken, aber auch zu erhalten: "Der Wald ist ein Teil von uns. Der Mensch ist kein Parasit und der Wald nicht nur eine Energiequelle. Wir sind miteinander verbunden und gleichen uns gegenseitig aus."
In der heutigen Zeit bedeutet das für Angerer auch bewusst und achtsam zu leben: "Sich regional zu ernähren und nachhaltig zu leben gehört auch dazu. Es geht darum, sich bewusst zu überlegen, was man dem eigenen Körper zufügen möchte oder weglassen kann."
Germanische Schamanin zu sein bedeutet selbstbestimmt zu leben
Die Faszination und Verbindung zur Natur war schon in ihrer Kindheit da: "Ich habe schon als Kind die Natur und ihre Energie wahrgenommen." Ein Leben als Vollzeit-Schamanin konnte sie sich aber lange Zeit nicht vorstellen. Stattdessen lebte sie ein konventionelles Leben als Angestellte, Mutter und Ehefrau – wirklich glücklich war sie aber nicht, wie sie sagt: "In der Zeit war ich nicht besonders gesund. Ich hatte Panikattacken und viele Ängste. Das wurde erst besser, als ich wieder angefangen habe, in den Wald zu gehen." Seitdem ist sie tags oder nachts im Wald, das gehöre dazu, wie sie sagt.
Ihr Wissen gibt sie in Workshops und Kursen weiter. Dabei gehe es nicht nur um die Naturverbundenheit und Runenkunde, sondern auch darum, als Frau die eigenen Grenzen zu sprengen: "Es ist mir wichtig, dass Frauen erkennen, welche Macht sie haben. Lässt man sich in gesellschaftliche Konventionen zwängen oder entscheidet man, was man selber will und für richtig hält? Gerade Frauen passen sich gerne an, wollen gefallen und nett sein. In den germanischen Völkern waren Frauen aber mächtig und kraftvoll." In ihren Jahreskursen Hexe oder Hüterin des Landes lernen die Frauen genau das.
Mit der Natur verbunden sein und sich der eigenen Stärke bewusst sein – das gibt Helga Angerer ihren Gästen und Schülerinnen weiter. Was den Menschen in der westlichen Welt fehle, sei das Wissen um die eigenen Vorfahren und das eigene Land. Dabei kann es so einfach sein: "Was gut für das Land und die Natur ist, ist auch gut für uns."
