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Landkreis Haßberge
Haßfurter Richter spricht 67-Jährige vom Vorwurf der Nachstellung frei
Die Frau war angeklagt, gegen ein Umgangsverbot mit ihrer Enkelin verstoßen zu haben. Trotz des Freispruchs redete ihr Amtsgerichtsdirektor Christoph Gillot ins Gewissen.
Vor dem Amtsgericht Haßfurt musste sich eine Großmutter verantworten. Ihr wurde vorgeworfen, ihrer Enkelin nachgestellt zu haben.
Foto: René Ruprecht | Vor dem Amtsgericht Haßfurt musste sich eine Großmutter verantworten. Ihr wurde vorgeworfen, ihrer Enkelin nachgestellt zu haben.
Manfred Wagner
 |  aktualisiert: 10.02.2024 17:35 Uhr

Bereits in der vergangenen Woche ging es vor dem Amtsgericht in Haßfurt um ein Kontaktverbot für eine 67-jährige Oma zu ihrer zehnjährigen Enkeltochter. Dabei musste sich das Gericht in einer mehr als vierstündigen Verhandlung mit dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft auseinandersetzen, wonach die Frau die vom Familiengericht ausgesprochenen Umgangsverbote wiederholt übertreten habe. Vor dem Hintergrund einer hoffnungslosen familiären Zerrüttung hatte das Familiengericht in Haßfurt zuletzt im November 2019 der Frau untersagt, sich im Umfeld der Grundschule aufzuhalten, in der die Enkelin unterrichtet wird. Ebenso wurde ihr jedweder Kontakt- und Annäherungsversuch verboten.

Enkelin war von Annäherungsversuchen "genervt"

Eine Beschwerde der 67-Jährigen gegen diesen Gerichtsentscheid beim Oberlandesgericht in Bamberg war erfolglos gewesen. Der dort angesiedelte Familiensenat stellte nämlich im November 2020 fest, dass die Familienverhältnisse bereits bei Geburt der Enkeltochter im Jahr 2011 nachhaltig gestört waren. Deshalb, so das Bamberger Gericht, habe es eine sozial-familiäre Bindung zwischen Oma und Enkelkind nie gegeben. Das Mädchen selber habe den Bamberger Juristen gegenüber erklärt, dass es von den Annäherungsversuchen seiner Großmutter "genervt" sei.

Amtsgerichtsdirektor Christoph Gillot verkündete nun das mit Spannung erwartete Urteil. Im Namen des Volkes gab es einen Freispruch. Die Begründung des Richterspruchs hatte es allerdings in sich. Zum einen erklärte der Vorsitzende, dass "in der Vergangenheit eine falsche Weichenstellung" erfolgt sei. Der - formale, aber wichtige - Fehler habe darin bestanden, dass die Eltern des Kindes ihren Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz im eigenen Namen gestellt hatten. Sie hätten diesen aber als Sorgeberechtigte im Namen des minderjährigen Kindes stellen müssen. Erst diese Konstruktion habe zu der Anklage wegen Nachstellung geführt. Und der Gesetzeslaut dieses Paragraphen, so Gillot weiter, sei "in der Praxis untauglich". Dies habe zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber erkannt, weshalb die Vorschrift wahrscheinlich in Kürze verändert werde.

Geschenke von der Oma

Gleichwohl hielt Gillot die in der letzten Woche von der Staatsanwaltschaft vorgetragenen Beschuldigungen, wonach die Seniorin das behördliche Kontaktverbot nicht eingehalten habe, für zutreffend. Die Annäherungsversuche an das Kind bei einem Faschingszug und an einem Markttag sowie das Geburtstagsgeschenk seien erwiesen. Damit habe die völlig "uneinsichtige" Rentnerin beharrlich gegen das Annäherungsverbot verstoßen. Das allerdings reiche nicht für eine Verurteilung, so der Strafrichter.

Vielmehr müsste nach dem Gesetzestext durch das Stalking "die Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt" gewesen sein. "Eine Belästigung, die das durchschnittliche Maß nicht übersteigt, ist nicht ausreichend", lautete die weitere Ausführung. Das Kind selber sei offensichtlich "zerrissen" gewesen, weil einerseits die Oma ihm Geschenke zukommen ließ, andererseits aber die Eltern jedweden Kontakt zu der Großmutter strikt ablehnten. Dabei habe die Abneigung der Enkeltochter gegen die Oma nicht rigoros bestanden, denn immerhin habe das Kind eine von der Großmutter geschenkte Kette getragen.

Eindringliche Warnung des Richters

Schließlich appellierte der Amtsrichter direkt an die Angeklagte, das behördliche Umgangsverbot zu beachten: "Das Kind will gegenwärtig keinen Kontakt zu Ihnen – basta!" sagte er wörtlich. Er nannte es "unglaublich, wie verbohrt" die Frau in dieser Angelegenheit sei. Zu deren Vorwurf, wonach ihre Tochter in der Ehe "manipuliert" sei, betonte er: "Was in der Familie der Tochter passiert, geht Sie überhaupt nichts an!" Abschließend redete er der Freigesprochenen nochmals eindringlich ins Gewissen: "Sie zündeln mit dem Feuer. Wenn Ihr weiteres Verhalten zukünftig doch noch strafrechtlich relevant werden sollte, können Sie im Knast landen!". Da die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen kann, ist es noch nicht rechtskräftig.

 
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