"Ich werde als Verbrecherin hingestellt und meiner Grundrechte beraubt. Ich bin das Opfer eines Komplotts," behauptete die Angeklagte (67) in ihrem letzten Wort. Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hat sie sich der Nachstellung schuldig gemacht. In der mehr als vierstündigen Verhandlung ging es darum, ob die Frau die vom Familiengericht ausgesprochenen Kontaktverbote zu ihrer jetzt zehnjährigen Enkeltochter eingehalten hat oder nicht. Die Urteilsverkündung erfolgt allerdings erst in der nächsten Woche.
Die Gesetzeslage ist nicht ganz einfach. "Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient." So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Was aber, wenn es wie im vorliegenden Fall zu Streitigkeiten zwischen den Eltern und einem Großelternteil kommt?
Kindeswohl hat Priorität
In der Regel können Eltern einem Opa oder einer Oma nicht einfach willkürlich den Umgang mit ihrem Kind verbieten – im ernsten Streitfall ist dann das zuständige Familiengericht gefragt. Oberste Richtschnur bei der Entscheidung des Gerichts ist das "Wohl des Kindes". Um dieses "Wohl" zu ermitteln, macht sich das jeweilige Jugendamt beispielsweise durch Gespräche mit allen Beteiligten oder durch Hausbesuche ein Bild von der Lage und erstellt dann ein entsprechendes Gutachten dazu.
Die Wurzeln des Familienstreits liegen weit in der Vergangenheit. Kurz, nachdem 2009 die einzige, heute 32-jährige Tochter der Angeklagten heiratete, kam es zu dem tiefen Zerwürfnis. Im Zeugenstand sprach die Tochter davon, dass ihre Mutter – die sie nur als "diese Frau" bezeichnete – nie ihre Ehe und ihren Mann akzeptiert habe. Egal ob im Umfeld ihres Hauses, der Schule, bei der Arbeitsstelle oder im Schwimmbad, überall würden sie und ihr Kind von der Großmutter quasi beschattet.
Gegen Auflagen verstoßen
Auch habe die Seniorin schon beim Pfarrer, beim Bürgermeister und beim Landrat angerufen und vorgesprochen und ihren Verdacht geäußert, dass ihr Mann die Familie misshandeln würde. Tatsächlich bezeichnete die Seniorin die Verbindung als "Zwangsehe". Auch vor Gericht meinte sie, dass ihre Tochter in der Ehe "manipuliert" und "hörig" sei. Heute will die Tochter absolut nichts mehr mit ihrer Mutter zu tun haben. "Ich will nur noch meine Ruhe vor dieser Frau", sagte sie wörtlich.
Bereits 2012 befasste sich der Familiensenat des Bamberger Oberlandesgerichts mit der Sache. Es wurde damals festgelegt, dass sich die Seniorin nicht mehr als 100 Meter dem Haus nähern darf, in dem ihre Tochter mit der Familie lebt. Den Familienmitgliedern selber durfte sie sich laut damaligem Beschluss nicht mehr als 20 Metern nähern. Nach Überzeugung des Haßfurter Familiengerichts verstieß die Frau in der Folgezeit gegen diese Auflagen, weshalb im Mai 2016 ein Ordnungsgeld von 1000 Euro gegen sie verhängt wurde.
Weitergehende Kontaktverbote erließ das Familiengericht im November 2019. Danach wurde der Oma untersagt, sich im Umfeld der Grundschule aufzuhalten, wo die Enkelin unterrichtet wird. Ebenso wurde ihr jedweder Kontakt- und Annäherungsversuch verboten.
Enkelin ist genervt
Gegen diesen Gerichtsentscheid legte die 67-Jährige mit Hilfe eines Anwalts Beschwerde beim Familiensenat des Oberlandesgerichts in Bamberg ein. Allerdings ohne Erfolg, denn der Senat stellte im November 2020 fest, dass die Familienverhältnisse bereits bei der Geburt der Enkeltochter im Jahr 2011 hoffnungslos zerrüttet gewesen seien. Eine sozial-familiäre Bindung zwischen Oma und Enkelkind habe es von daher nie gegeben. Zudem wurde das Mädchen selber gehört. Die Schülerin erklärte dabei dem Familiengericht, dass sie "genervt" und manchmal auch ängstlich sei, wenn die Oma mit ihrem Auto bei der Schule stehe.
Konkret warf der Staatsanwalt der Beschuldigten aus dem Maintal vor, im Jahr 2017 beim Faschingszug, an Pfingsten und bei einem Markttag das Kind angesprochen zu haben. Auch in den nachfolgenden Jahren wäre sie oft mit ihrem Auto morgens kurz vor Schulbeginn und nachmittags bei Schulschluss in der Nähe der Grundschule gesehen worden. Zudem hätte sie 2020 dem Mädchen ein Geburtstagsgeschenk zukommen lassen.
Beamte quasi "missbraucht"
Im letzten Jahr an Ostern schließlich ging sie zur Polizei und ließ durch die Beamten – die im Corona-Lockdown keinen Verdacht schöpften und die vorangegangenen Gerichtsbeschlüsse nicht kannten – ein Geschenk bei der Familie abgeben, das jedoch erzürnt zurückgewiesen wurde.
In seinem Plädoyer hielt der Staatsanwalt der Angeschuldigten zugute, dass sie zeitlebens nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war. Die Taten seien zwar ein "Ausdruck der Verzweiflung" gewesen, aber zweifellos habe sie sich schuldig gemacht. Er forderte eine hohe Geldstrafe von 130 Tagessätzen à 30 Euro, also insgesamt 3900 Euro. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch für seine Mandantin. Amtsgerichtsdirektor Christoph Gillot, der das Verfahren leitete, will das Urteil am kommenden Dienstag, 25. Mai, um 10 Uhr verkünden.
Ironie aus. Ich kenne diese Macht des Alterstarrsinns. Das macht das Leben zur Hölle.