Diethard Sahlender bringt es auf den Punkt: "Der Prozess der Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Wir müssen die Leute dafür fitmachen." Digitalisierung, das Zauberwort unserer Zeit. Und obwohl diese in allen Lebens - und Arbeitsbereichen inzwischen eine tragende Rolle spielt, ist Digitalisierung für viele Menschen noch ein Buch mit sieben Siegeln, für manche gar ein rotes Tuch. Das muss aber nicht sein. Deshalb richtet die Stadt Haßfurt derzeit ein sogenanntes Stadtlabor ein. Hier wird allen Bürgern geholfen, wenn im Zusammenhang mit eben dieser Digitalisierung etwas nicht verstanden wird, Fragen auftauchen oder gar neue Ideen entwickelt werden.
Die Kreisstadt hat es sogar geschafft, in dieser Disziplin eine der ersten Modellkommunen in ganz Deutschland zu werden. Das Projekt wird vom Bundes-Innenministerium gefördert. Alleine die Stadt Haßfurt bekommt einen siebenstelligen Betrag dafür überwiesen, dass sie sich Gedanken macht, wie man den Bürger auf dem Weg in die digitale Welt mitnehmen kann. Und das Mittel zum Zweck ist das Stadtlabor.
Vier Leute sind inzwischen bei der Stadt Haßfurt nur damit beschäftigt, dem Bürger die digitale Welt zu erklären. Chefin der kleinen Abteilung ist Madlen Müller-Wuttke, mit zum Team gehören Diethard Sahlender und ganz neu Fabrice Hecht und Korbinian Kundmüller.
Wegen Corona erstmal Dienstag und Donnerstag
Geplant war das alles natürlich ganz anders und genauso natürlich hat Corona auch hier den Vorstellungen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Vorgesehen war von Anfang an eine Bürgerbeteiligungs-Plattform, in der sich alle Menschen, nicht nur Haßfurter, über die Geheimnisse der digitalen Welt informieren können.
Da hat nun die Pandemie dazwischengefunkt, Veranstaltungen vor Ort sind kaum möglich. Dennoch plant das Team, ab 20. April zumindest an zwei Tagen in der Woche - immer dienstags und donnerstags jeweils von 10 bis 17 Uhr - im Stadtlabor mit einem Zwei-Mann-Team Fragen von Besuchern zu beantworten. Das besagte Stadtlabor ist mitten in der Innenstadt der Kreisstadt untergebracht- in der Hauptstraße 7. Alteingesessene Haßfurter werden sich an das frühere Haushaltswarengeschäft Wagenhäuser erinnern.
Die feierliche Eröffnung des Stadtlabors ist für einen besonders passenden Tag vorgesehen. Am 18. Juni ist der offizielle Digitaltag in Deutschland, der bietet sich ja für einen solchen Anlass regelrecht an. Da noch niemand wissen kann, wie sich zu dem Zeitpunkt die Pandemie entwickelt haben wird, ist für die Eröffnung auch ein Plan B vorgesehen, der dann rein virtuell ablaufen würde.
Eines der digitalen Vorzeigeprojekte ist auf jeden Fall ein hochdetailliertes Modell der Ritterkapelle. Studenten der Hochschule Würzburg-Schweinfurt sind gerade dabei, von dem Haßfurter Wahrzeichen mit Tausenden von Foto- und Drohnenaufnahmen ein dreidimensionales Abbild des Innen- und Außenbereiches zu erstellen. Nach Fertigstellung können Besucher das Modell in verschiedensten digitalen Umgebungen verwenden – etwa auf dem Smartphone, auf einer Website oder bei virtuellen Rundgängen, was zum Teil auch heute schon unter www.smartcityhassfurt.de möglich ist.
Alle Bereiche "smarter" gestalten
"Experimentierort und Begegnungsstätte für Digitalisierungsfragen und Ideen für alle Bürger", das will das Stadtlabor in seinem Selbstverständnis sein. Und natürlich führen die Planungen auch in eine Zeit nach Corona. Deshalb wurde das Stadtlabor auch für Workshops, Ausstellungen, Seminare und Vortragsveranstaltungen konzipiert, die im Untergeschoss stattfinden können. Dabei stellt sich die Frage, so Madlen Müller-Wuttke, welche Handlungsfelder gibt es schon innerhalb der Stadt zum Beispiel in den Bereichen Klima, Umwelt, Gesundheit, Soziales oder Wirtschaft, die mit Hilfe der Digitalisierung "smarter" gestaltet werden können.
Das Stadtlabor, vielmehr seine Protagonisten, bleibt aber nicht stur in der Mauern des Anwesens in der Hauptstraße. Die Informationen sollen sich auch nicht in Online-Auftritten erschöpfen. Das Stadtlabor geht vor Ort hinaus "direkt in die Stadtteile", so Diethard Sahlender. "Wir suchen uns eine Woche aus und bieten den Leuten an", sich an sogenannten Pop-up-Ständen und Stores zu informieren, herauszufinden, was sich hinter dem geheimnisvollen Begriff "Smart City" verbirgt.
Für viele Menschen sei die Digitalisierung, obwohl jeden Tag in aller Munde, noch ein Buch mit sieben Siegeln. Dabei, so Madlen Müller-Wuttke, soll "Digitalisierung unterstützen - nicht ersetzen, sondern ergänzen". Die Digitalisierung präge bereits heute die Art, wie die Menschen leben, kommunizieren, arbeiten und konsumieren. In Zukunft biete sie gerade auch Kommunen enorme Chancen, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, nachhaltig zu wachsen und Innovationen voranzutreiben.
Offizieller Start am 20. April
Um das Thema noch weiter in die Bevölkerung zu bringen, geht das Team auch in Schulen, veranstaltet Schülerwettbewerbe. Und obwohl das Stadtlabor ja noch gar nicht richtig geöffnet hat, nähmen die vorbeiflanierenden Bürger das Angebot hinter dem Schaufenster bereits zur Kenntnis. "Und es sind auch schon einige reingekommen und haben Fragen gestellt", erzählt Müller-Wuttke. Richtig losgehen soll es aber natürlich ab dem 20. April.
Wichtig für alle Bürger im Landkreis Haßberge: Dieses Angebot ist nicht auf die Haßfurter beschränkt. Die Kreisstadt ist ja bekanntlich als Smart Green City eine von der Bundesregierung geförderte Modellstadt, die ihre Erfahrungen auch an andere Kommunen bundesweit weitergibt. "Das heißt, wir wollen den Landkreis und andere Interessengruppen mit einbeziehen und sind auch Ansprechpartner im Landkreis", erklärt die Haßfurter Digitalchefin.
Hauptaufgabe: Bewusstsein schaffen
"Der Prozess der Digitalisierung geht nicht von heute auf morgen", ist sich Madlen Müller Wuttke im Klaren, "deshalb ist eine unserer Hauptaufgaben, ein Bewusstsein zu schaffen, welche Möglichkeiten man hat, die auch andere nutzen können." Und für alle Bürger, die nicht möchten, dass die Zukunft an ihnen vorüberrauscht, hat sie schmunzelnd einen Ratschlag bereit: "Einfach mal ins Stadtlabor kommen und Fragen stellen."
Dann kann sich der Landkreisbewohner die Zeit des sinnlosen Wartens auf ein funktionierendes öffentliches Verkehrssystem mit noch weniger sinnigem Daddeln auf Laptop oder Handy totschlagen.