"An der unfallträchtigen Einmündung an der Prappacher Straße zum Gewerbegebiet Ost kam es abermals zu einem schweren Verkehrsunfall. Eine 26-jährige Frau befuhr die Kreisstraße HAS 10 aus Richtung Ebern kommend und wollte nach links in die Straße ,Godelstatt' einbiegen. Hierbei übersah sie einen Audi, der vorfahrtsberechtigt in die entgegengesetzte Richtung fuhr. Es kam zu einem Frontalzusammenstoß, in dessen Folge der Peugeot der Frau entgegen der Fahrtrichtung zum Stehen kam. Die Fahrerin wurde dank der Front- und Seitenairbags in ihrem Wagen nur leicht verletzt. Der 79-jährige Audi-Fahrer zog sich schwere Verletzungen zu. Beide Beteiligten, die jeweils alleine in ihren Fahrzeugen saßen, wurden durch den Rettungsdienst in ein Krankenhaus eingeliefert."
Gegenverkehr einfach übersehen?
So beschreibt der Zeitungsbericht einen Unfall, der sich am 30. Oktober an der Einmündung der Entlastungsstraße aus der "Godelstatt" in die Prappacher Straße zugetragen hat. Doch das ist kein Einzelfall. Schon am 26. November kracht es hier wieder. Zwei Autos prallen frontal ineinander. Die 54 Jahre alte Lenkerin eines VW Passat wollte geradeaus an der Einmündung vorbei in Richtung Ebern fahren. Aus der Gegenrichtung kam ihr ein schwarzer BMW entgegen. Dessen 24 Jahre alte Fahrerin wollte nach links in das Gewerbegebiet "Godelstatt" abbiegen. Dabei übersah sie vermutlich den entgegenkommenden Passat. Die beiden Fahrzeuge haben nur noch Schrottwert.
Hauptkommissar Stefan Scherrer, Verkehrssachbearbeiter der Polizeiinspektion Haßfurt, steht wie viele andere Experten zunächst vor einem Rätsel. Die Straße ist kerzengerade und über Hunderte Meter leicht einzusehen. Warum ereignen sich ausgerechnet hier immer wieder schwere Unfälle, oft nach dem gleichen – wie oben geschilderten – Strickmuster? Seit Eröffnung der Straße im Sommer 2018 habe es – neben mehreren Zwischenfällen mit Wildtieren – dreizehn größere Unfälle gegeben. Die schlimme Bilanz des Geschehens weist drei Schwerverletzte und einen Schaden in Höhe von rund 120 000 Euro aus.
Von diesen dreizehn Unfällen ereigneten sich nur zwei aufgrund von Vorfahrtsverletzungen. Die anderen resultierten aus erschreckend übereinstimmenden Unachtsamkeiten. "Wir haben uns natürlich Gedanken gemacht, warum diese Unfälle passieren. Warum es diese Unachtsamkeit der Fahrer beim Linksabbiegen gibt", so Scherrer. In einem Fall hatte der Fahrer eines landwirtschaftlichen Gespanns die Geschwindigkeiten der jeweiligen Fahrzeuge falsch eingeschätzt, ein weiterer Unfall geschah auf ähnliche Weise. "Aber bei den anderen elf wissen wir nicht warum." Die diensttuenden Streifen seien deshalb auch angewiesen, bei einem Unfall an dieser Stelle die Beteiligten nach dem Geschehen genau zu befragen, woran es gelegen habe.
Nichtsdestotrotz habe man handeln müssen, so der Hauptkommissar. Deshalb seien Sofortmaßnahmen eingeleitet und von der Tiefbauverwaltung des Landkreises Haßberge auch umgesetzt worden. "Letzte Woche haben wir die Rechtsabbiegerspur weggenommen." Was zunächst etwas verwirrend klingt, hat durchaus einen logischen Hintergrund, erklärt der Verkehrsexperte. Wenn ein Autofahrer künftig nur noch direkt von der Hauptfahrbahn aus in die Godelstatt abiegen kann, muss er die Geschwindigkeit stark reduzieren – und sein Hintermann genauso. Das senkt etwaige Unfallfolgen aufgrund des geringeren Tempos schon einmal erheblich. Zudem werde so die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer gesteigert, was präventiv wirke.
Dazu wurde "zunächst eine provisorische Verkehrsführung mittels Baustellen-Baken eingerichtet", so der Leiter der Tiefbauverwaltung, Alfons Schanz, in einer Verlautbarung an die Redaktion, "die sobald wie möglich in eine mittelfristige Lösung umgebaut wird". Und weiter heißt es in der Verlautbarung der Behörde: "Die Unfallkommission, bestehend aus Vertretern der Polizei, Verkehrsbehörde und Straßenbaubehörde, wird die weitere Entwicklung beobachten und die Situation nach einigen Monaten neu bewerten."
Vorfahrt geändert
Die Maßnahmen beschränken sich aber nicht nur auf die Wegnahme der Rechtsabbiegerspur. Auch die Vorfahrtsregelung wurde geändert. Bislang habe der Rechtsabbieger aus Richtung Haßfurt warten müssen, während der Linksabbieger aus Richtung Ebern vorfahrtsberechtigt war. Dies habe man so eingerichtet, erläutert der Verkehrsexperte der Haßfurter Polizei, um aus Richtung Ebern keine zu lange Warteschlange zu provozieren. Bei einer Untersuchung der Verkehrsströme habe sich jedoch herausgestellt, dass den Linksabbiegern durchaus dieses Warten zugemutet werden könne, ohne den Verkehrsfluss zu beeinträchtigen.
Um dafür zu sorgen, dass die hinter einem nach rechts abbiegenden Auto fahrenden Verkehrsteilnehmer nicht einfach seitlich an diesem vorbeifahren, sondern – wie geplant – ihre Geschwindigkeit reduzieren und gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit erhöhen, werden auf dem Mittelstreifen der Fahrbahn in diesem Bereich sogenannte "Bischofsmützen" installiert, die den Fahrer auf dem rechten Weg halten sollen.
Geschwindigkeitsbeschränkung hilft nicht
Das laut Stefan Scherrer häufig in die Diskussion geworfene Schlagwort einer Geschwindigkeitsbegrenzung greife hier nicht, denn aufgrund der geringen Entfernung des Kreisverkehrs zur Godelstatt-Abzweigung seien hier nur sehr wenige Fahrzeuge in der Lage, eine hohe Geschwindigkeit zu erreichen. Es gäbe viele Gründe, die als Erklärung für das Unfallgeschehen dienen könnten, wie Nebel oder tiefstehende Sonne. Das alles, so Scherrer, träfe aber hier nicht zu. Es handele sich ausschließlich um persönliche Fehler der Autofahrer.
Das ewige Thema Kreisverkehr
Natürlich verhehlt der Verkehrsexperte aber auch nicht, dass die "Polizei sich gefreut hätte", wenn damals hier ein Kreisverkehr installiert worden wäre. Aber das sei wohl aus finanziellen Gründen verworfen worden. Der Hauptkommissar rennt mit dieser Feststellung natürlich beim Haßfurter Bürgermeister offene Türen ein. Der gilt ja gemeinhin als großer Befürworter von Kreisellösungen.
Aber das ist Schnee von gestern, Günther Werner winkt ab. Damals sei seine Idee eines Kreisverkehrs verworfen worden, damit der fließende Verkehr aus und in Richtung Ebern nicht behindert würde. Nun zeige sich allerdings, dass der überwiegende Teil der Verkehrsteilnehmer aus Richtung Haßfurt nach rechts Richtung Godelstatt abbiege. Es habe jetzt etwas geschehen müssen. Er habe deshalb nach dem jüngsten Unfall – in Übereinkunft mit dem Stadtrat – die Initiative ergriffen und sei nun zunächst einmal froh, dass die Tiefbauverwaltung des Landkreises reagiert habe. "Aber wir brauchen dauerhafte Lösungen, die zukünftig Unfälle verhindern", macht der Bürgermeister klar, dass das "Provisorium nicht mehr als eine vorläufige Maßnahme" sein könne.