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Kreis Haßberge
Haßbergkreis: Rettung für Rehkitze kommt jetzt aus der Luft
Unzählige Rehkitze geraten bei der Heuernte in Mähwerke. Wie die Tierschutzinitiative Haßberge für Abhilfe sorgen will und warum ausgerechnet Regen dabei helfen kann.
Ein junges Rehkitz versteckt sich auf einer Wiese. Doch die Sicherheit trügt: Bei der Mahd fallen die jungen Tiere sehr oft den Mähwerken zum Opfer.
Foto: Karin Kraus | Ein junges Rehkitz versteckt sich auf einer Wiese. Doch die Sicherheit trügt: Bei der Mahd fallen die jungen Tiere sehr oft den Mähwerken zum Opfer.
Matthias Lewin
 |  aktualisiert: 15.02.2024 16:40 Uhr

Wenn man sich die gewaltigen Ausmaße moderner Mähwerke anschaut, kann man sich ausmalen, was das bis zu zehn Meter breite Schneidwerk mit einem Tier macht, das in die Fänge dieser Maschine gerät. Jedes Jahr werden unzählige Tiere auf diese grausame Art und Weise zu Ernte-Opfern. Schätzungen des Deutschen Tierschutzbundes gehen von bis zu 500 000 Wildtieren aus, die so ums Leben kommen. Auch für die Landwirte ist das oftmals ein einschneidendes Erlebnis: "Es ist wirklich schrecklich, wenn man ein Kitz erwischt. Das ist uns auch schon passiert, obwohl wir normalerweise den Jagdpächter anrufen, damit er zur Suche mit einem Hund durch das Feld geht", sagt Bio-Landwirtin Claudia Dünninger aus Goßmannsdorf. Die Tierschutzinitiative Haßberge hat sich nun zum Ziel gesetzt, diese Unfälle soweit es möglich ist, zu minimieren. Helfen soll dabei Hightech aus der Luft.

Ende April bis Anfang Juni wird auf den Feldern die Silo- und Heuernte eingebracht, eine mörderische Zeit für die Jungtiere. Denn zu dieser Zeit sind Rehkitze noch sehr klein und auf ihre Mutter angewiesen. Die Ricken sind dann oft unterwegs auf Nahrungssuche, die Kitze werden im hohen Gras allein zurückgelassen und sind absolut hilflos. Instinktiv ducken sie sich bei drohender Gefahr tief ins Gras, der Fluchtreflex ist bei den Jungtieren noch nicht ausgebildet. Vom Traktor aus ist es nahezu unmöglich, die Tiere zu entdecken, selbst wenn die Äcker mit mehreren Personen kontrolliert werden, sind die Kitze oft unsichtbar.

Wärmebildkamera

Die Tierschützer aus dem Maintal wollen die jungen Tiere nun aus der Luft aufspüren. Mittels eines hochwertigen Multikopters - im Volksjargong "Drohne" genannt - werden Felder abgeflogen. Der kleine, mit modernster Computertechnik ausgestattete Flieger hat eine professionelle, hochauflösende Wärmebildkamera an Bord. Damit können kleinste Wärmequellen erkannt und lokalisiert werden. 

Drohnenpilot Matthias Jung (links) und Britta Merkel, Vorsitzende der Tierschutzinitiative Haßberge, hoffen darauf, dass die Drohne zahlreichen Rehkitzen und anderen Wildtieren das Leben rettet.
Foto: Matthias Lewin | Drohnenpilot Matthias Jung (links) und Britta Merkel, Vorsitzende der Tierschutzinitiative Haßberge, hoffen darauf, dass die Drohne zahlreichen Rehkitzen und anderen Wildtieren das Leben rettet.

Die Tierschutzinitiative setzt für ihre Kontrollflüge sogar zwei Drohnen parallel ein. "Die große Drohne fliegt auf 70 Meter Höhe und scannt dabei einen Bereich von 40 x 60 Metern", erklärt Matthias Jung, der seit sieben Jahren den Drohnenführerschein hat und den Tierschützern ehrenamtlich als Drohnenpilot hilft. Wenn die Drohne ein Objekt lokalisiert, kommt eine weitere Drohne, gesteuert von einem zweiten Piloten, hinzu. Die fliegt nur wenige Meter über dem Boden, steuert das entdeckte Ziel an und sendet den Helfern genauere Daten auf eine Smart-Watch. Die Helfer, allesamt freiwillige Mitarbeiter der Tierschutzinitiative, laufen dann in das Feld hinein und bringen das Tier an den Feldrand in Sicherheit. Erst wenn das Feld freigegeben ist, setzt der Landwirt sein Mähwerk in Gang.

Effektiv und schnell

"Mit den Drohnen sind wir in der Lage, uns schnell einen Überblick zu verschaffen und in Zusammenarbeit mit den Landwirten kurz vor dem Mähen ein großes Gebiet effektiv abzudecken", glauben Jung und Britta Merkel, die Vorsitzende der Tierschutzinitiative Haßberge, das so viele Jungtiere gerettet werden können. "Wir als Tierschutzinitiative wollen unseren Beitrag dazu leisten, nicht nur einigen dieser liebenswerten Geschöpfe das Leben zu retten, sondern auch den Landwirten dieses einschneidende Erlebnis ersparen", ist Britta Merkel überzeugt, dass es für die Landwirte ebenfalls schlimm ist, wenn sie ein Rehkitz oder ein anderes Wildtier überfahren.

Soweit die Theorie. In der Praxis allerdings müssen zahlreiche Genehmigungen eingeholt werden. Da im Landkreis Haßberge zahlreiche Naturschutzzonen existieren, ist die Untere Naturschutzbehörde zuständig und muss letztlich je nach Schutz-Status die betreffenden Äcker zum Überflug freigeben. Matthias Jung geht aber davon aus, dass die Behörde die entsprechenden Genehmigungen ausstellt. Die notwendige Genehmigung des Luftfahrtbundesamtes Nordbayern hat Jung bereits erhalten.

Als Pilotprojekt haben sich die Tierschützer die Äcker von Josef Schierling ausgesucht. Der Bio-Landwirt aus Oberschwappach war sofort einverstanden, seine Felder zur Verfügung zu stellen. In nur acht Minuten können Matthias Jung und seine "Co-Piloten" mit ihren Drohnen zehn Hektar Wiese untersuchen – wenn kein Tier gefunden wird. Wird ein Rehkitz entdeckt, dauert es entsprechend länger.

Regen verzögert die Ernte

Ein Handicap allerdings haben die Tierschützer noch vor der Brust: Die Zeit. Auch der Drohnenhersteller hat bedingt durch die Corona-Pandemie Lieferschwierigkeiten. Zwar sind die Drohnen diesen Montag geliefert worden, die Wärmebildkamera allerdings lässt noch auf sich warten. Helfen könnte dabei ausgerechnet das Wetter. Regnet es kräftig, verzögert sich die Ernte um ein bis zwei Wochen. Und bis dahin, so hoffen Merkel und Jung, sollte die Kamera eingetroffen sein.

Die Drohnen und die Kameras kosten allerdings auch eine schöne Stange Geld. Um die 7000 Euro muss die Tierschutzinitiative für die technische Hilfe aufbringen, eine Förderung gibt es nicht. Deshalb haben die Tierschützer einen Spendenaufruf gestartet.  "Wenn wir das jämmerliche Sterben von nur einigen Kitzen pro Jahr verhindern können, ist uns das den Anschaffungspreis mehr als wert", sagt Britta Merkel. "Egal in welcher Höhe Ihr uns helft – wir sind für jeden einzelnen Euro dankbar, denn jeder Euro bringt uns einen Schritt weiter zum Ziel", lässt sie sich auf der Homepage der Initiative zitieren.

 
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