"Rosl, hast scho ghört, ich mach mich selbständich..."
"Ach, Lubber" - manchmal macht mir mein Lieblingsnachbar ein bisschen Angst -, "Du bist doch schon im Ruhestand. Du kannst alle viere von Dir strecken und es Dir bequem machen. Außerdem: welches Geschäft möchtest Du denn gründen? Du weißt schon, dass Corona noch nicht besiegt ist? Für viele Geschäfte ist die Zeit der Leiden und des Lockdowns noch nicht vorbei. Und da willst Du Dich selbstständig machen?"
"Genau. Eben deswechen. Mei Gewerbe passt genau nei die Zeit."
"Spann mich nicht auf die Folter. Los raus damit. Was hast Du Dir denn wieder ausgedacht? Es kann ja nichts Gescheites sein..."
"Ja, jetzt kannst nuch spottn. Bald werst grün wern im Gsicht, wenn ich die große Kohle eistreich. Ich werd nämlich Tester."
"Wie? Für den Michelinstern? Möchtest Du Dich in Sterne-Restaurants durchfuttern und diese dann bewerten?"
"Ha, des wär aa net schlecht. Aber erschtens ham die seit Jahrzehnten ihr Testesser und außerdem sind ja die meisten Kneipen sowieso nuch gschlossn."
"Aber was möchtest Du dann testen?"
"Ich mach Coronatester."
"Du?"
"Natürlich. Ich hab mir scho des Merkblatt runnergeladn vom Gsundheitsministerium. ,Merkblatt zur Durchführung von Bürgertestungen' hääßt des und da steht alles drin. Da musst nachert a Formular aufklick und dann kannst Dich direkt als private Teststelle anmeld."
"Lubber, Du spinnst. Das ist doch nur für Apotheken und medizinische Einrichtungen. Oder offizielle Stellen. Wie willst Du denn da mitmischen?"
"Doch, kann ich. Ich muss mich nerbloß bein Online-Portal vom Gsundheitsministerium registrier und nachert werd ich als sogenannter Leistungserbringer beauftragt."
"Ach, Lubber, da musst Du bestimmt einen ganzen Berg von Voraussetzungen erfüllen. Das schaffst Du niemals."
"Nix, was mer net umsetz könnert. Ich brauch entsprechend Platz und ich muss an Kurs über Anatomie und Hygiene mach. Des geht bestimmt online, mir ham ja nuch Corona, und schlimmstenfalls muss ich mer an Gsundheitspartner such."
"Lubber, Du siehst mich verwirrt. Und das ist den ganzen Aufwand wert?"
"Also ich hab des in der Zeitung geläsn. Die ham des zusamma mit a poar Fernsehsender amal untersucht. Weil in annera Bundesländer ghit's des ja scho länger. Also, pro Bürgertest kannst 18 Euro verrechen. Des setzt sich zsam aus zwölf Euro für des Testen und sechs Euro fürs Material. Ausgezahlt wird die Kohle über die Kassenärtzliche Vereinigung, die holt sich's aber wieder vom Bund aus Steuermitteln."
"Ich frage nochmal: das soll sich rentieren?"
"Also ich hab scho amal geguggt. Im Internet hab ich 5000 Teststreifen für 13 000 Euro gsenn. Des sind 2,60 Euro pro Test. 18 Euro krieg ich vom Bund, bleiben mir rund 15 Euro bei jedem Test. Wenn ich alle zehn Minuten einen Test mach und des vielleicht acht Stund am Tag, dann hab ich - wenn ich fünf Tag die Woch aufmach - über 14 000 Euro im Monat. Und des zusätzlich zu meiner Rente. Und vielleicht kann ich ja nuch a poar Zentren mehr gründ, wenn mei Konzept einschlägt."
"Ach, Lubber, ich will Dir ja Deine Hoffnungen nicht nehmen, aber wenn mal erst die Herdenimmunität erimpft ist, dürfte Dein Geschäft - falls es funktioniert - sowieso wieder einbrechen. Dann hast Du nämlich Deinen Test-Lockdown..."
