Weil er im Januar vergangenen Jahres ein Dokument in einer Haßfurter Anwaltskanzlei nicht erhielt, beging ein 34-Jähriger aus dem Landkreis Haßberge gleich mehrere Straftaten. Er filmte mit seinem Handy das Gespräch mit seinem Anwalt gegen dessen Willen. Die Situation gipfelte in einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem herbeigerufenen Polizeibeamten, der eine Platzwunde erlitt, und der anschließenden Flucht des Angeklagten. Der Mann lief wenig später im Haßfurter Stadtgebiet einer Polizeistreife in die Arme, während sich der verletzte Beamte, der den Mann verfolgt hatte, auf einer Treppe auch noch das linke Knie verdrehte. Der Ordnungshüter musste operiert werden und war fast zwei Monate dienstunfähig.
Anklage fordert Geldstrafe ohne Bewährung
Am Freitag nun verurteilte Amtsrichter Christopher Gillot den nicht vorbestraften Angeklagten am zweiten Verhandlungstag zu einer Geldstrafe in Höhe von 130 Tagessätzen zu 30 Euro, also 3900 Euro, auf Bewährung. Als Auflage muss der Angeklagte 1000 Euro Schmerzensgeld an den geschädigten Polizeibeamten zahlen. Die Anklagevertreterin hatte zuvor eine Geldstrafe in Höhe von 3900 Euro gefordert – ohne Bewährung.
Verteidiger Willy Marquardt plädierte auf eine Geldstrafe in Höhe von 1600 Euro. Seinem Mandanten sei nicht bewusst gewesen, dass er sich durch die Handyaufnahme strafbar macht, argumentierte er. Zudem habe sein Mandant nicht gezielt auf den Polizeibeamten eingeschlagen. Er habe nur um sich geschlagen, um zu flüchten und sein Handy behalten zu können. Der Angeklagte, ein gebürtiger Nigerianer, lebe seit 2015 in Deutschland, sei gut integriert und kümmere sich als Alleinerziehender um seine beiden kleinen Kinder. Man solle daher "die Kirche im Dorf lassen", meinte der Verteidiger.
Angeklagter in schwieriger Situation
Und das tat der Vorsitzende, indem er mit seinem Urteil unter den beiden Anträgen blieb. Er habe ausnahmsweise eine Geldstrafe auf Bewährung verhängt, da besondere Umstände vorlägen. Der Angeklagte habe das gewünschte Sorgerechts-Dokument aus nachvollziehbaren Gründen gebraucht und befinde sich in einer schwierigen Situation. Zudem habe er sich vor Gericht für seinen Fehltritt entschuldigt, argumentierte Gillot. Dennoch seien polizeiliche Anordnungen einzuhalten, schrieb er dem Verurteilten hinter die Ohren. Die Polizeibeamten hätten mit einer Engelsgeduld und vom rechtlichen Standpunkt aus richtig gehandelt.
Vergleich mit getötetem US-Amerikaner George Floyd
Die Aussetzung der Geldstrafe zur Bewährung sei fast daran gescheitert, dass der Angeklagte dem geschädigten Polizeibeamten Rassismus vorgeworfen hatte. Er werde nur so schlecht behandelt, weil er eine dunkle Hautfarbe habe, hatte er dem Beamten damals vorgeworfen. "Da schrillen bei mir die Alarmglocken. Ich kann mir bei uns einen Fall 'George Floyd' nicht vorstellen", sagte der Vorsitzende und nahm damit Bezug auf eine Aussage des Angeklagten am ersten Verhandlungstag. Demnach habe der Mann in der Situation in der Anwaltskanzlei Angst um sein Leben gehabt. Der afro-amerikanische George Floyd war im Jahr 2020 in der Stadt Minneapolis in den USA ein Todesopfer von Polizeigewalt geworden.
Sollte der Verurteilte zwei Jahre lang straffrei bleiben, muss er die Geldstrafe nicht zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.