Es mag auf den ersten Blick wie ein harmloser Streich wirken, was kürzlich in Knetzgau und Gädheim passiert ist: In beiden Orten haben Unbekannte mehrere Verkehrsschilder gestohlen, darunter auch die Ortstafeln. Dabei kann eine solche Tat durchaus schlimme Folgen haben, die weit darüber hinausgehen, dass ein fehlendes Stück Blech ersetzt werden muss. Immerhin kann es zu Unfällen führen, wenn Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer nicht wissen, welche Verkehrsregeln an einer bestimmten Stelle gelten.
Wie schnell darf ich fahren und wer hat Vorfahrt?
So stellt sich die Frage: Welche rechtlichen Folgen kann es für Fahrerinnen und Fahrer haben, wenn ein Schild fehlt und sie deshalb beispielsweise nicht wissen, wie schnell sie fahren dürfen oder wie an einer Kreuzung die Vorfahrt geregelt ist?
Jonas Meder, Polizeikommissar und Sachbearbeiter Verkehr bei der Polizeiinspektion Haßfurt, rät Verkehrsteilnehmenden dringend davon ab, ein Schild, das nur noch als Rahmen vorhanden ist, einfach zu ignorieren. "Sollten sich Verkehrsunfälle ereignen, so wären die Situationen im Einzelfall durch den jeweiligen Sachbearbeiter zu bewerten", heißt es in seiner schriftlichen Antwort auf die Anfrage dieser Redaktion.
Ein Ort ist nicht nur am Ortsschild zu erkennen
Ortstafeln stünden grundsätzlich an oder in unmittelbarer Nähe von Ortseingängen. Wenn jemandem "aufgrund der örtlichen Gegebenheiten" klar sein müsste, dass er sich in einem Innerortsbereich befindet, "so wird man ihm einen möglichen Geschwindigkeitsverstoß auch dementsprechend vorwerfen können".
Meder thematisiert ein weiteres Beispiel aus Gädheim. Dort wurde auch das Schild einer Tempo-30-Zone entwendet. Ist das Verkehrszeichen nicht vorhanden, dann könne Verkehrsteilnehmenden normalerweise auch kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten.
Zusätzliche Markierungen auf der Straße
In Gädheim komme jedoch dazu, dass die Zone nicht nur mit Schildern markiert war, sondern auch durch Markierungen auf der Fahrbahn. "Folglich ist es Verkehrsteilnehmern unter Umständen möglich, die von ihnen befahrende Straße als eine solche mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometer einzuschätzen", so der Polizist.
Alexander Brehm, Bauhofleiter und Gemeinderat in Gädheim, zeigt der Redaktion die Stellen, an denen im Bereich seiner Gemeinde Schilder gestohlen wurden. Betroffen war auch ein Schild "Vorfahrt achten". Polizist Jonas Meder erklärt dazu, Verkehrsteilnehmer seien grundsätzlich verpflichtet, durch "ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht" dafür zu sorgen, dass andere nicht gefährdet oder behindert werden.
Pauschale Aussagen darüber, inwieweit sich ein Fehlverhalten durch ein fehlendes Schild rechtfertigen lässt, seien aber nicht möglich. Es komme immer auf die genaue Örtlichkeit an.
Ortskenntnis spielt eine Rolle bei der Bewertung
Christoph Lehmann, Richter am Amtsgericht Haßfurt und ständiger Vertreter des Amtsgerichtsdirektors, erklärt dazu, es spiele auch eine Rolle, ob Verstöße von ortsfremden Personen begangen wurden oder von Fahrerinnen und Fahrern, die die Örtlichkeit kennen. Sprich: Wer schon lange in einem Ort wohnt, wird im Gegensatz zu einem Ortsfremden vor Gericht kaum behaupten können, er wisse nicht, wie der Verkehr dort geregelt ist – auch wenn mal ein Schild fehlt. "Relativierend ist dazu jedoch anzumerken, dass bei Geschwindigkeitsmessungen grundsätzlich von den Messbeamten vor Messbeginn die Beschilderung zu überprüfen ist", schreibt der Richter.
Wird einer Kommune bekannt, dass Schilder widerrechtlich entfernt wurden, sollten die Verantwortlichen schnellstmöglich für Ersatz sorgen. "Bei den Ortsschildern haben wir in der Übergangszeit bis zur Montage der neuen Ortstafeln Tempo-50-Schilder aufgestellt", erklärt Robert Selig, Leiter der Hauptverwaltung Knetzgau. Amtsrichter Lehmann erklärt: "Zudem kann im Idealfall der Bußgeldbehörde mitgeteilt werden, in welchem Zeitraum welches Schild gefehlt hat." Das könne dann bei der Festsetzung von Bußgeldern, die auf Geschwindigkeitsverstößen beruhen, "im Einzelfall gegebenenfalls gleich berücksichtigt werden".
Kein "Lausbubenstreich": Auf Schilderdiebstahl stehen hohe Strafen
Der Richter macht außerdem deutlich, dass der Diebstahl von Verkehrsschildern nicht als Lausbubenstreich abgetan wird: "Soweit ein Straßenschild beispielsweise als Souvenir mitgenommen wird, liegt eine Straftat vor, als Tatbestände kommen vor allem Diebstahl, Sachbeschädigung und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr in Betracht." Den Täterinnen und Tätern drohen dafür Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.
Die Gemeinde Knetzgau appelliert an die Achtsamkeit der Bürgerinnen und Bürger und setzt dabei auch auf Belohnungen. "Ein Schild, der Verkehrskreisel, kam recht umgehend anonym wieder zurück", berichtet Verwaltungsleiter Selig. Doch zumeist verschwänden die Verkehrsschilder für immer. Im Gespräch mit der Redaktion sagt er, in solchen Fällen erinnere er sich an einen Bericht auf YouTube über einen Schildersammler in den USA: "Der hatte auch ein Schild aus Knetzgau dabei."