
Ein Dorf oder eine ganze Gemeinde ohne Wirtshaus – das ist heutzutage keine Seltenheit. Und in diesem Zustand befindet sich die Gemeinde Breitbrunn. Im Laufe der vergangenen sechs Jahrzehnte haben fünf Wirtschaften oder Gastbetriebe aufgegeben, und mit dem Traditionsgasthaus "Weißer Bock" haben vor einiger Zeit die letzten Wirtsleute ihre Türen geschlossen.
Nun hat völlig überraschend die Gemeinde das ehemalige Dorfwirtshaus erworben, und viele Bürger fragten sich, ob die Gemeinde nun Wirt werde, einen Pächter suche oder welche Nutzung für das Traditionshaus angedacht sei. Coronabedingt fand am Montag "online" eine Bürgerinformationsveranstaltung statt. Ein konkretes Nutzungskonzept wurde aber noch nicht vorgelegt.
Bürgermeisterin Ruth Frank gab eingangs ihrer Freude darüber Ausdruck, dass sich so viele Bürger zu diesem neuen Informationsformat zugeschaltet hatten. Natürlich zähle das nicht als Ersatz für eine Bürgerversammlung, sondern als weiteres Angebot für einen Dialog mit dem Bürger. Hauptthema sei der "Kauf der Gastwirtschaft" und wie es mit dem Projekt weitergehen sollte.
220 000 Euro plus Kaufnebenkosten
Der Kaufpreis habe bei 220 000 Euro gelegen, wozu 16 000 Euro für Notar, Grundbucheintrag, Grunderwerbssteuer und Ölkauf kamen. Im Haushalt habe man außerdem 40 000 Euro für Planungskosten angesetzt und davon 2500 Euro für Grundlagenermittlung ausgegeben. Dabei denke man auch an eine Kooperation mit einer Hochschule.
Frank sprach von einem "finanziell tragfähigen Konzept, das auf Dauer keine Kosten verursacht und sich rechnen soll. Angedacht ist eine Verpachtung." Dabei habe sie natürlich auch kritische Stimmen gehört, wie: "Wer kauft denn in dieser Zeit eine Gastwirtschaft?"
Aber eine Förderung, wie sie eine Gemeinde bekommt, sei privat nicht möglich. So habe man in Erfahrung gebracht, dass die Gemeinde für die Erneuerung der Fassade und des Daches vom Amt für Ländliche Entwicklung bis zu 300 000 Euro bekommen könnte. Für die Erneuerung der Innenräume könnte außerdem ein Pächter zusätzlich bis zu 200 000 Euro an Förderung erhalten.
Die Frage, ob die Gemeinde ein solches Projekt stemmen könne, könne man auch damit beantworten, dass man derzeit steigende Inflation gegenüber einem steigenden Immobilienwert stehe. "So haben wir eigentlich eine Nullinvestition getätigt. Die Gemeinde hat das Geld nur angelegt, und das kann mehr werden."
Vor unerwünschten Käufern schützen
Die Bürgermeisterin brachte dabei auch Erfahrungen anderer Bürgermeister ein: In Thüringen zum Beispiel habe eine Gemeinde ein Gasthaus gekauft und wieder zum Leben erweckt: in Prichsenstadt (Lkr. Kitzingen) habe man mit Mühe ein Projekt zurückgekauft, um es vor dem Zugriff einer rechtsradikalen Gemeinschaft zu schützen. "Diese Situation hat auch bei uns gedroht, und es war ein Sicherungskauf für uns."
Trotzdem brauche es den Willen der Bürger, sich diesem Objekt wieder anzunehmen; dazu gehöre auch Identifikation und Begeisterung. "Das möchten wir nun bei den Bürgern abfragen", so Frank. Für Breitbrunn wäre es wichtig, weil das Projekt eine zentrale Bedeutung habe und auch mit dem Landschafts- und Kulturraum verbunden sei.

Zweiter Bürgermeister Georg Kundmüller sah im ehemaligen "Weißen Bock" ein zentrales Gelände, "wo wir darauf achten sollten, was passiert". Man könnte ja einen Pächter finden, und der müsse auch nicht alle Tage offenhalten. "Ein genaues Konzept steht aber noch nicht, vielleicht kommt es auch zu Miet- oder Ferienwohnungen."
41 Interessenten bei der Online-Diskussion
41 Teilnehmer hatte die Online-Veranstaltung: Nach Abzug der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte zeigten also knapp 30 Bürger Interesse am Thema. Aber es dauerte eine ganze Weile, bis auch jemand den Online-Livechat eröffnete. War es die leise Antwort der Bürger darauf, dass man mit dem Kauf der Gastwirtschaft im stillen Kämmerlein die Meinungsbildung aus der Bürgerschaft vorher nicht abgefragt hatte und diese vor vollendete Tatsachen gestellt worden war? "Warum hat man die Fakten für den Kauf des Gasthauses nicht vorher mitgeteilt, und wären nicht andere Sachen wichtiger gewesen?", lautete eine Frage aus der Gesprächsrunde. Weitere Wortmeldungen wiesen in diesem Sinne auf die Notwendigkeit von Baugebieten in Breitbrunn und Lußberg hin, aber nicht auf die Gastwirtschaft.
Rechtfertigung der Bürgermeisterin: Man sei zeitlich sehr begrenzt gewesen und habe nicht zuletzt auch wegen Corona die Informationen nicht an die Bürger bringen können. Man habe es aber als wichtig erachtet, jetzt diesen Schritt zu gehen. "Es gab ein paar Interessenten und vielleicht wäre das Haus sonst in andere Hände gelangt. Trotzdem interessiert es uns jetzt sehr, wie die Breitbrunner zu diesem Projekt stehen."
Kritische Fragen: Was ist wichtiger?
Aus dem Chat kamen dann Nachfragen wie: "Was wäre das Problem, wenn der Weiße Bock in andere Hände gegangen wäre?", "Gab es auch Gegenangebote zum Kauf?" oder "Was ist wichtiger: ein großes Baugebiet oder die Sanierung des Weißen Bock?"
Bürgermeisterin Frank wies darauf hin, dass das Gebäude nicht unter Denkmalschutz stehe und man dort auch neu bauen könnte. Investoren versuchten immer wieder, solche Chancen für Sozialwohnungen aufzugreifen: "Das war eine große Befürchtung". Man habe auch überlegt, ob man es mitbewerben könnte, vielleicht für einen Wirt als eigenes Projekt. "Das hat keine Früchte getragen. Einzelne waren da, aber es scheiterte meist an der Finanzierung." Nun wolle man aber ein Konzept mit Kostenvarianten erstellen. Dies werde man dann öffentlich vorstellen.
Aus den Reihen des Gemeinderatsmitglieder interessierte Cynthia Derra, ob es andere Projekte gäbe, die dem Bürger wichtiger wären. "Was sind eure Prioritäten?" Bürgermeisterin Frank sah auch keine Verdrängungswertigkeit zwischen Baugebieten und Gastwirtschaft: "Das ist gleichwertig und läuft parallel, zumal sich ein Baugebiet sehr lange hinzieht."
Gemeinschaft in Breitbrunn soll wachsen
Angesichts von Kosten und Unterhalt sei anscheinend nicht geplant, dass der "Weiße Bock" Geld einbringe. Diese Vermutung eines Chatteilnehmers bestätigte Gemeinderat Sebastian Kirchner: "Es steht nicht im Vordergrund, dass der Weiße Bock Geld einbringen soll. Mit dem Lokal wollen wir es schaffen, dass die Gemeinschaft in Breitbrunn wieder wächst. Ich wäre schon mit einem 0:0 der Kosten zufrieden."

Ein Chat-Teilnehmer fragte gezielter: "Was kann man sich denn unter einem vielseitigen Nutzungskonzept vorstellen?" Ruth Frank nannte dabei als erstes Ferienwohnungen oder Zimmer für Leute, die auf Montage unterwegs seien. Dazu gebe es die gastwirtschaftliche Nutzung und den Treffpunkt für Bürger. Auch Workshops könne man hier abhalten oder Tanzveranstaltungen im Saal.
Zwangsläufig folgte die Frage: "Wo oder was bleibt dann für die Nutzung des Gemeindezentrums, wo doch auch die entsprechenden Räume vorhanden sind?" Die Bürgermeisterin verwies darauf, dass dort schon nach Beerdigungen zum Kaffee eingeladen werde. "Das Gemeindezentrum ist in erster Linie aber für Hochzeiten oder größere Veranstaltungen gedacht, andere gehören in die Wirtschaft, wie es früher einmal war."
Konkurrenz fürs Gemeindezentrum
Da sah ein Chat-Teilnehmer aber etwas anders, der klar zum Ausdruck brachte, dass Tagungen, Workshops, Meetings und andere Veranstaltungen im jetzigen Gemeindezentrum gut untergebracht seien. Im Gemeindezentrum gebe es nämlich einen großen und kleinen Jugendraum, die Kegelbahn, die Gemeinderäume für den Bürgermeister und den Sitzungsraum sowie den großen Veranstaltungssaal mit Küche.
Deswegen erklärte Cynthia Derra, dass Gastwirtschaft und Gemeindezentrum nicht in Konkurrenz stehen dürften und sich eigentlich ergänzen müssten. Man müsse sich deswegen gut überlegen, welche Einnahmequellen man anzapfen könne, um zu einer guten Konzeption zu kommen. Bis zum Frühjahr soll dies geschehen.