Gut 200 Jahre lang galt die Wallburgglocke als "verschollen". Jetzt soll sie wieder auf das Eltmanner Wahrzeichen zurückkehren, das hoch oben über der Stadt im Maintal thront. Zur spannenden Geschichte der wohl ältesten profanen Glocke im Landkreis Haßberge fand jetzt eine Veranstaltung in der Stadthalle Eltmann statt, bei der sie nach der mittlerweile erfolgten Sanierung erstmals wieder angeschlagen wurde. Am 21. Mai soll sie schließlich in einem historischen Festzug hinauf auf den Schloßberg gebracht werden. Wie aber kam es zur Rückkehr?
Reiner Reitz ist Vorsitzender des Vereins für Heimatgeschichte in Eltmann, seit einigen Jahren zudem Burgvogt an der Wallburg. Bei schönem Wetter öffnet er sonntags den historischen Turm für Besucherinnen und Besucher. Und weil Reiner Reitz auch Kaffee und kühle Getränke anbietet, ist dort meist reger Betrieb. Es war einer der eher ruhigeren Sonntage, als die beiden passionierten Heimatforscher Reiner Reitz und Willi Lediger dort saßen und die älteste bekannte Darstellung der Wallburg betrachteten. Der Holzschnitt aus dem 14. Jahrhundert zeigt die gesamte Burg mit dem damals wesentlich höheren Turm. Ganz oben ein Dachreiter, der eindeutig auf einen Glockenstuhl hinweist.
Glocke hat die Stadt Eltmann offenbar nie verlassen
Auf die Frage von Reiner Reitz, wo die Glocke wohl abgeblieben sein könnte, antwortete Willi Lediger, dass sie sich noch in Eltmann befinde und "zweimal im Jahr läutet". Längst war der Leiter des Eltmanner Heimatmuseums überzeugt, dass die Wallburgglocke die Stadt Eltmann nie verlassen hat, dass sie nur den "Standort" mehrfach gewechselt hat. Die letzte Gewissheit fehlte ihm jedoch.
Und so setzte im Verein für Heimatgeschichte eine intensive Glocken-Forschung ein. Das ist bei den kirchlichen Glocken verhältnismäßig einfach: Sie wurden feierlich geweiht und auch die unzähligen Glocken, die im Ersten und noch zahlreicher im Zweiten Weltkrieg von Waffenschmieden eingeschmolzen wurden, sind dokumentiert. Ein Schicksal das laut Kreisheimatpflegerin Silke Blakeley damals rund 77 Prozent aller deutschen Kirchenglocken ereilte.
Die Wallburgglocke jedoch war eine private Anschaffung der Burgherren-Witwe Christine Fuchs. 329 Jahre lang war sie laut den Heimathistorikern als weltlicher Signalgeber auf der Wallburg im Einsatz. Vermutlich war sie am Morgen, Mittag und Abend weit über das Maintal und bis in den Steigerwald hinein zu hören. Die Glocke hing hoch oben im Turm. Weder im Bauernkrieg 1525, noch im Dreißigjährigen Krieg, der die Wallburg fast vollständig zerstörte, konnten Plünderer sie erreicht.
1777 wurde die Wallburg schließlich abgebrochen. Nur der sogenannte "Krautstücht" blieb stehen, bis heute. Die Glocke kam in den Kirchturm, doch da ihr Ton nicht zum Geläute passte, fristete sie ein trauriges Dasein als Totenglocke. Und weil sie außerdem nur 85 Kilogramm wog, war sie auch für die Waffenschmieden uninteressant. 1934 wurde sie dann wohl im Friedhof montiert, vermuten die Historiker. Ein altes Foto zeigt dort einen freistehenden hölzernen Glockenstuhl – mit zwei Glocken.
Glocke landet schließlich auf dem Feilsberg
Pfarrer Johannes Schillig veranlasste 1952 schließlich den Bau der Kriegergedächtniskapelle auf dem Feilsberg, der Wallburg gegenüberliegend, mit nebenstehendem Glockenturm. Hier wurde das Glöcklein aufgehängt. Längst war in Vergessenheit geraten, dass es sich um die Wallburgglocke handelte. Nur zum Volkstrauertag und zum Bittgang auf dem Feilsberg war sie zu hören.
Als sehr unproblematisch hätten sich die Gespräche mit Pfarrer Bernhard Öchsner und der Kirchenverwaltung gestaltet, als es darum ging, zum einen die Glocke in Augenschein zu nehmen und sie gegebenenfalls auszutauschen, dankte nun Reiner Reitz. Im Heimatmuseum war nämlich die einstige Notglocke von Weisbrunn ausgestellt, etwa gleich groß und ideal geeignet.
Die Absprache war schnell getroffen, die Glocke im Frühling 2020 aus dem Turm geholt und geprüft. "Als ich keinerlei christliche Symbole gesehen habe, war mir klar, dass es die Wallburgglocke sein muss", so Willi Lediger. Sie trage nicht nur die Jahreszahl 1448, sondern zudem einen zurückhaltenden Zierfries, gemeint sind die dekorativen Ornamente.
Nach der Recherche ging Reiner Reitz, eigentlich Handwerker, an die praktische Arbeit. Denn die Glocke war nicht nur stark verschmutzt, sie besaß auch einen eher stümperhaft reparierten Riss im Inneren. Die Aufhängung war an einer Stelle ebenfalls ausgebrochen, erinnert sich Reitz, und der Klöppel musste ergänzt werden. Der Heimatforscher beriet sich deshalb mit einem Glockenfachmann. Und er fand reichlich fachkundige Unterstützung: etwa in Person der beiden Limbacher Schlosser Ludwig und Thomas Pflaum, oder des Maschinenbauers und Schweiß-Spezialisten Günter Gleußner.
Weil Sandstrahlen den Klang der Glocke beeinträchtigt hätte, kamen Glasperlen zur Reinigung zum Einsatz. Und spannend sei es ebenfalls gewesen, als die Glocke zum Schweißen zunächst auf über 400 Grad erhitzt werden musste. Insgesamt, so Reitz, hätten 37 Personen "geforscht, repariert und gespendet".
Glockenstuhl muss noch errichtet werden
Nach altem Brauch lud er deshalb zum ersten Anschlag der Glocke ein. Dieses Recht gebührte Eltmanns Bürgermeister Michael Ziegler als Eigentümer, der ältesten Besucherin des Abends Barbara Reuther und dem Jüngsten Michael Tietz.
Am 21. Mai, so der Plan, soll die Glocke schließlich auf den Wallbugturm zurückkehren, auch wenn es noch einige Zeit dauert, bis dort ein Glockenstuhl errichten werden kann. Erst muss aus dem Obergeschoss des Turms die letzte Technik weichen. Doch Turmvogt Reiner Reitz lässt keinen Zweifel daran, dass er dafür sorgen wird, dass die Glocke wieder über das Maintal schallt.