Bis heute zahlen über elf Millionen Eltern mit minderjährigen Kindern doppelt in die Sozialversicherungen ein. 2001 hat das Bundesverfassungsgericht im Pflegeversicherungsurteil entschieden, dass Eltern verfassungswidrig belastet werden, weil neben den Geldbeiträgen der gleichwertige Erziehungsbeitrag nicht berücksichtigt wird.
Der Gesetzgeber wurde verpflichtet auch die Kranken- und Rentenversicherung auf die Frage der Familiengerechtigkeit hin zu prüfen. Eine wirkliche Prüfung fand bislang nicht statt. Diese Situation „muss beendet werden“, fordert Michael Kroschewski, Vorsitzender des Familienbunds der Katholiken in der Diözese Würzburg.
Frage: „Wir jammern nicht, wir klagen“ heißt eine Kampagne, die vom Familienbund der Katholiken und vom Deutschen Familienverband initiiert wurde. Warum tun Sie das?
Michael Kroschewski: Nach dem Pflegeurteil von 2001 hat sich viel zu wenig geändert, daraufhin haben 2006 drei Familien vor dem Sozialgericht in Freiburg gegen die zu hohen Beiträge zu Sozialversicherungen geklagt. Diese drei Familien wurden von Anfang an vom Familienbund der Katholiken unterstützt. Wir sehen uns als Interessenvertreter von Familien und sehen es als unsere Aufgabe, den Finger hier in die Wunde zu legen.
2001 hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, die Beiträge für Familien zu überdenken. Warum ist seitdem kaum etwas passiert?
Kroschewski: Das würde einen massiven Systemwechsel und deutliche Umschichtungen bedeuten. Daher kann ich verstehen, dass der Staat sehr zaghaft an dieses Thema herangeht. Immer wieder wird ja behauptet, dass genug für Familien getan werde. Wir als Familienbund der Katholiken sehen das anders und würden das gerne von einem Gericht prüfen lassen.
Wird denn nicht schon genug für Kinder getan? Es gibt Erziehungsgeld, Kindergeld, der Schulbesuch ist weitgehend kostenlos...warum ist Ihnen das nicht genug?
Kroschewski: Man kann hier sehr schnell populistische Aussagen treffen. Die Familienförderung muss man sich genau anschauen. In 200 Milliarden Euro Familienförderung sind zum Beispiel auch die Witwenrenten drin, das ist für uns keine Familienförderung. Auch das Kindergeld ist zu 60 Prozent eine Rückzahlung von zu viel gezahlten Steuern.
Im Januar 2018 hat das Sozialgericht in Freiburg bestätigt, dass es in Deutschland eine Benachteiligung von Familien gibt. Und um eine Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht gebeten. Was könnte dieses neue Urteil für den gesamten Prozess bedeuten?
Kroschewski: Während wir bisher damit zu kämpfen hatten, dass das Bundessozialgericht die Sache nicht neu geprüft hat, hat das Freiburger Sozialgericht sich die Sache genauer angeschaut und entschieden, dass das Bundesverfassungsgericht hier ran muss.
Wie viele Familien aus Unterfranken unterstützen Sie derzeit bei der Klage?
Kroschewski: Derzeit klagen etwa zehn Familien aus Unterfranken. Manche Verfahren sind ruhend gestellt, das von Michael Nowak aus Wonfurt läuft noch. Es wird vermutlich als Musterverfahren weitergeführt. Wir versuchen, alle zu unterstützen.
Was sollte denn die neue Familienministerin Franziska Giffey als erstes anpacken?
Kroschewski: Wir finden es ganz wichtig, dass beim Kinderzuschlag und beim Kindergeld etwas getan wird, wir fordern einen qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung und wir versuchen weiter den Finger in die Wunde zu legen bei der Benachteiligung der Familien in den Sozialversicherungen.