
Im Jahr 2018 war die Freude groß: Damals tat ein Schreiben aus Berlin kund, dass der Landkreis Haßberge Fördermittel aus dem Bundesprogramm "Demokratie leben!" erhalten würde. Die Ziele: Demokratie fördern, Vielfalt gestalten, Extremismus vorbeugen. Absender war der Initiator des Projektes, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
Doch ein weiteres Schreiben aus Berlin folgte im Oktober 2024: Das Projekt wird im Landkreis Haßberge über das laufende Jahr hinaus nicht fortgesetzt. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Denn damit fällt nun die Finanzierung für einige Aktionen weg, die durch "Demokratie leben!" angestoßen worden waren.
Strukturen aufgebaut, für die künftig das Geld fehlt
So hatte das Mehrgenerationenhaus (MGH) in Haßfurt eine Koordinierungs- und Fachstelle eingerichtet, dazu gab es einen Begleitausschuss mit eigenem Jugendforum. Der Bildungsauftrag führte die Verantwortlichen in Kindergärten, Schulen und an Stammtische. Sie nahmen teil an Demonstrationen, organisierten Feste und knüpften ein engmaschiges Netz zu Ehrenamtlichen. Sie leisteten Bildungsarbeit, luden Referentinnen und Referenten für Vortragsabende ein und organisierten Diskussionsrunden.
Stets mit einem Gedanken im Hinterkopf, für den die mehrjährige Projektleiterin Jennifer Nüßlein (30) den Philosophen John Dewey zitiert: "Demokratie ist mehr als eine Regierungsform; sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung."
Die Einstellung des Projekts zum Ende des Jahres 2024 bedeutet für sie auch beruflich einen großen Einschnitt, auch wenn das Mehrgenerationenhaus sie an anderer Stelle weiterbeschäftigt, wie das BRK auf Anfrage der Redaktion mitteilt. Allerdings nur bis Ende 2025, danach müsse sie sich einen neuen Job suchen, berichtet Nüßlein selbst. Das BRK hingegen lässt die Frage nach einer Befristung der Stelle offen.
Landrat kämpft um die Fachstelle – vergeblich
Dabei wollte Landrat Wilhelm Schneider (CSU) die Koordinations- und Fachstelle nicht kampflos aufgeben. Gemeinsam mit sieben Kolleginnen und Kollegen aus Bayern, deren Landkreise das gleiche Schicksal teilen, unterzeichnete er einen "mit äußerster Dringlichkeit" geschriebenen Brief an die Verantwortlichen im Bund: Bundespräsident, Bundeskanzleramt, Familienministerium, die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie an das Präsidium des Bayerischen Städtetages.

"Die abrupt gestrichene Förderung durch das Bundesprogramm 'Demokratie leben!' bedroht nicht nur das bürgerliche Engagement vor Ort, sondern auch den sozialen Zusammenhalt in unseren Kommunen", heißt es in dem Schreiben. "Diese Entscheidung gefährdet die lokalen Strukturen, auf denen eine starke, widerstandsfähige Demokratie ruht – und das in einer Zeit, in der wir diese Strukturen dringlicher denn je benötigen."
Bewirkt habe das laut Landratsamt aber nichts: "Nein, das Ministerium konnte jedenfalls keine Hoffnung machen, dass das Programm ausgeweitet oder Entscheidungen revidiert werden", sagt Schneider.
Sieben Jahre mit vielen erfolgreichen Projekten
MGH-Leiterin Gudrun Greger blickt zurück auf "sieben Jahre hochprofessionelle Demokratiearbeit, zuletzt mit viel Engagement und Erfolg durch unsere Kollegin Jennifer Nüßlein." Und dafür gibt es einige Beispiele.
So fand im Jahr 2020 unter dem Motto "Erinnern und erleben" eine Demokratiekonferenz im Rudolf-Winkler-Haus in Zeil statt. Als Zeitzeuge berichtete dort der Haßfurter Wilhelm Wolpert, wie er als achtjähriger Junge das Kriegsende in der Kreisstadt erlebt hatte. Zeils Bürgermeister Thomas Stadelmann (SPD) betonte, man müsse dankbar sein müsse für die längste Phase ohne Krieg. Trotzdem sei es notwendig, über Demokratie zu reden und diese zu stärken.
Stammtische, Demeokratiefest und Jugendarbeit
Weiter gab es Demokratiestammtische an verschiedenen Orten im Landkreis, in Form von offenen Treffs für alle Bürgerinnen und Bürger jeden Alters. Es ging darum, sich über aktuelle gesellschaftliche Themen auszutauschen, gemeinsam zu diskutieren und Netzwerke zu knüpfen. "Wir müssen lernen, miteinander zu reden", betont Jennifer Nüßlein.
Ende Mai 2024 war der Marktplatz in Haßfurt Schauplatz eines sogenannten Demokratiefestes unter dem Motto: "Die Haßberge sind bunt". Dort wurde diskutiert, nach den Klängen der interkulturellen Band "Gasölina" getanzt und im Rahmen der Wanderausstellung "Menschen in Bewegung" veranschaulicht, aus welchen Gründen Menschen ihr Land verlassen.

Auch die Kinder- und Jugendarbeit spielte eine wichtige Rolle. In Ebern konnten Kinder der Grundschule und der Dominikus-Savio-Schule im Jahr 2023 an drei gemeinsamen Fußball-Vormittagen etwas über Fairness und Toleranz gegenüber anderen Kulturen lernen. Schauplatz für eine weitere Aktion war eine private Garage nahe dem Schulzentrum in Haßfurt. Dieser verpassten Jugendliche einen neuen, kreativen Anstrich, um eine Hakenkreuz-Schmiererei verschwinden zu lassen.
Ein wichtiges Bildeglied entfällt
Nüßlein könnte stundenlang von ihren Aktionen berichten. Immerhin wurden seit 2018 von dem federführenden Landratsamt Haßberge 79 Maßnahmen bewilligt. Antragsteller waren vor allem die Volkshochschule und die Abteilung Jugendsozialarbeit an Schulen des BRK. Aber auch Vereine und Organisationen nutzten das Angebot.
Ohne die Koordinierungs- und Fachstelle im Mehrgenerationenhaus werde in Zukunft "ein wichtiges Bindeglied im Landkreis fehlen, auch wenn das BRK-Mehrgenerationenhaus Haßfurt weiterhin für Demokratiebildung eintritt", heißt es aus dem Landratsamt. Immerhin sollen einige Angebote erhalten bleiben, wenn auch die Förderung aus dem Bundesprogramm wegfällt.
Ein Lichtblick: "Bündnis für Demokratie" will Arbeit fortsetzen
Das Mehrgenerationenhaus bleibt demnach Treffpunkt für Veranstaltungen wie "Demokratie kochen", "Demokratie malen" und "Demokratie singen", zu denen Menschen aller Kulturen und aller Altersgruppen eingeladen seien. Seit vielen Jahren würde hier die Kultur des Sprachcafés gepflegt, sagt Jennifer Nüßlein. Einheimische und Zugewanderte kämen ins Gespräch. Dies helfe, Hetze und Rassismus abzubauen und Vorbehalte aus dem Weg zu räumen.
Ein weiterer Lichtblick: "Glücklicherweise hat sich im letzten Jahr ein landkreisweites zivilgesellschaftliches 'Bündnis für Demokratie' zusammengefunden", berichtet Landrat Wilhelm Schneider. Dieses agiere überparteilich und vernetze örtliche Organisationen, Vereine und Einzelpersonen.
Das jenes Verhalten folgen hat für die die Bürger die einen wählen sollte einem doch bewusst sein.Vielleicht manchmal einfach den Machtpoker beiseite legen und mal wirklich im Sinne der Menschen handeln.