zurück
Altershausen
Ein Vorreiter in Sachen Biomasse-Heizanlage: 1979 wurde in Altershausen schon mit Stroh geheizt - dann machte fast das ganze Dorf mit
Anfänglich wurde in der Heizanlage in Altershausen nur mit Stroh geheizt, bis später auf Hackschnitzel umgestellt wurde.
Foto: Gerold Snater | Anfänglich wurde in der Heizanlage in Altershausen nur mit Stroh geheizt, bis später auf Hackschnitzel umgestellt wurde.
Gerold Snater
 |  aktualisiert: 19.08.2024 02:43 Uhr

Heize ich mit Öl? Mit Gas? Nutze ich eine Wärmepumpe? Oder nutze ich Biomasse? Letzteres ist gang und gäbe im Königsberger Stadtteil Altershausen. Die kleine Ortschaft ist Vorreiter in Sachen Biomasse-Heizanlage. Und das schon seit 1979. Also zu einem Zeitpunkt, als nur wenige Personen diese Art zu heizen anstrebten. Damals hatte sich ein Vollerwerbslandwirt eine Strohheizung eingerichtet und damit sein Wohnhaus und den Ferkelstall beheizt.

Trotz der Rauch- und Geruchsbelästigung durch die seinerzeit betriebene Strohheizung, reifte in einigen Altershäuser Landwirten die Erkenntnis, dass im Stroh eine große Menge Energie steckt, die genutzt werden sollte, zumal in dieser Zeit noch viel Stroh auf den Feldern verbrannt wurde.

Bis zum Baubeginn dauerte es acht Jahre

Es kristallisierte sich die Idee heraus, eine Gemeinschaftsstrohheizung zu bauen. Doch das dauerte. Von der Idee und dem ersten Antrag auf Zuschuss beim Amt für Landwirtschaft und Ernährung bis zum Baubeginn der Heizanlage Altershausen 1993 vergingen acht Jahre. Glücklicherweise konnte dann die Kanalisation in Altershausen vorgezogen werden.

Dadurch konnte das Nahwärmenetz größtenteils in den Kanalgräben mit verlegt, Kosten gespart und unnötige Arbeiten vermieden werden. Altershausen hatte damals die einzige Heizanlage in dieser Größenordnung, die mit Stroh betrieben wurde. Die Anlage war aber von Anfang an auch für die Verfeuerung von Hackschnitzeln ausgelegt.

Rudi Eller (rechts) und Erwin Pfeil (Mitte) waren die Motoren der Biomasse-Heizanlage und Dorferneuerung in Altershausen. Nach über 30 Jahren ist für beide nun Schluss. In der Gesellschafterversammlung der Biomasse-Heizanlage wurden sie von Stadtrat und Ortssprecher Timo Barthelmes verabschiedet.
Foto: Gerold Snater | Rudi Eller (rechts) und Erwin Pfeil (Mitte) waren die Motoren der Biomasse-Heizanlage und Dorferneuerung in Altershausen. Nach über 30 Jahren ist für beide nun Schluss.

Der eigentliche Start der Biomasse-Heizanlage war, trotz der Aufnahme Altershausens in die Dorferneuerung, nicht ganz so erfolgreich. Im Jahr 1991 wurde ein Initiativkreis gegründet, der einerseits die technische Machbarkeit und die Antragstellung vorbereitete und andererseits im Ort für die Heizung den Weg bereitet hat. Am 19. Juli 1992 wurde eine Gesellschaft gegründet, die mit 46 Anschließern an den Start ging. Das waren zwei Drittel aller Anwesen des Dorfes.

Technik kam aus dem Ausland

Aber Heiztechnik und Leitungsnetz waren in Deutschland nicht vorhanden und mussten aus Dänemark und Österreich beschafft werden. Anfang 1994 wurde erstmalig Nahwärme an einige Anschließer abgegeben. Allerdings mussten bald der Ofen und die Abgasreinigung komplett durch eine Fremdfirma ersetzt werden, mit enormen finanziellen Auswirkungen.

Die von einem Anbieter eingerichtete automatische Fördertechnik bereitete vom Anfang der Inbetriebnahme im Dezember 1993 bis zum Wiederausbau im November 1994 erhebliche Probleme. Die Störungen nahmen von der Laufzeit zirka 85 Prozent ein. Die Anlage stand nach fast nur einem Jahr Betrieb vor dem Aus, da der Anlageneinrichter die Anlage nicht funktionstüchtig nachrüsten konnte und wollte.

Eine neu eingerichtete Technik funktioniert seitdem, wobei einiges verbessert und nachgerüstet werden musste. Nach und nach bekam man die Probleme beim Strohverbrennen in den Griff. Denn die Strohverbrennung ist durch den hohen Mineralstoffanteil schwieriger als das Verbrennen von Holz. Sie ergibt einen drei- bis fünffach höheren Anteil an Asche gegenüber Holz, Stroh hat zudem einen niedrigeren Schmelzpunkt der Asche und einen sehr hohen Flugaschenanteil.

Umstellung auf Hackschnitzelverbrennung

Und dann kam eine neue Bundesemissionsschutzverordnung, die Feinstaubverordnung. Damit war die Strohverbrennung nicht mehr möglich. Deshalb musste auf Hackschnitzelverbrennung umgestellt werden. In den Anfangsjahren waren deshalb unzählige Sitzungen und Verhandlungen mit Behörden erforderlich. Den Gesellschaftern wurde viel abverlangt.

Der größte Teil der Anwesen in Altershausen und der Gewerbebetrieb werden mit der Wärme aus der Biomasse-Heizanlage versorgt.
Foto: Gerold Snater | Der größte Teil der Anwesen in Altershausen und der Gewerbebetrieb werden mit der Wärme aus der Biomasse-Heizanlage versorgt.

Inzwischen ist die Biomasse-Heizanlage zu einer außergewöhnlichen Einrichtung des Ortes geworden, in dem sich diese auch in verschiedene Richtungen positiv ausgewirkt hat. Momentan sind rund 60 Wohnhäuser und ein Gewerbebetrieb an der Heizanlage angeschlossen. Seit 2006 wird die Biomasse-Heizanlage von der Abwärme einer Biogasanlage unterstützt.

So wurden unter anderem die Schadstoffemissionen wesentlich reduziert und ein Ökobaugebiet mit Anschluss an die Heizanlage wurde gebaut. Die Anlage schweißt das Dorf zusammen: Das Dorfleben hat sich intensiviert und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gemeinschaft ist gewachsen.

Anlage mit großer Außenwirkung

Gleichzeitig hat die Anlage auch eine große Außenwirkung. Sie hatte schon sehr viele Besucherinnen und Besucher aus Bayern verzeichnet. Aber auch aus Ungarn, Finnland und sogar aus Südkorea kamen Interessierte, auch wegen der aufgrund der Heizung entstandenen ökologischen Dorferneuerung, der Ökosiedlung und der Pflanzenkläranlage. Seit der Jahrtausendwende läuft die Heizgesellschaft in ruhigeren Bahnen. In den letzten Jahren hatten die Gesellschafter einen sehr günstigen Heizpreis.

Zwei Männer, Rudi Eller und Erwin Pfeil, waren seit circa 30 Jahren als ehrenamtliche, gleichberechtigte Geschäftsführer aktiv in der Vorstandschaft dabei. In der letzten stattfindenden Gesellschafterversammlung der Biomasse-Heizanlage mit Neuwahlen verzichteten nun beide auf eine weitere Amtszeit.

Stadtrat und Ortssprecher Timo Barthelmes sprach beiden im Namen der Dorfgemeinschaft großen Dank aus. Wörtlich meinte er: "Ohne euch gäbe es in Altershausen keine Heizung und keine Dorferneuerung." Gerhard Hofmann ist ebenso lange Rechnungsführer. Für ihn ist aber noch nicht Schluss.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Altershausen
Gerold Snater
Fördertechnik
Kanalisation
Stadträte und Gemeinderäte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top